
© Marie Staggat für den Tagesspiegel
„Wir feiern die Demokratie“: Viel Prominenz beim Sommerempfang des Tagesspiegels
Anlässlich seines 80. Geburtstags hat der Tagesspiegel zum Sommerempfang geladen. Gekommen sind Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur, um über den Wert der Demokratie zu sprechen – und sich an der Tischtennisplatte zu messen.
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Für stürmische Zeiten ist der Tagesspiegel traditionell gewappnet, insofern passt der Wind eigentlich ganz gut zum Anlass. Gefeiert wird am Montagabend am Askanischen Platz der 80. Geburtstag des Tagesspiegels, der am 27. September 1945 als erste freie Zeitung in Berlin gegründet wurde. Der vehemente Einsatz für Freiheit und Demokratie hat Redaktion und Verlag immer angetrieben. Daran erinnert Chefredakteur Christian Tretbar in seiner Begrüßung. Angesichts der weltweiten Bedrohungen liege das Motto nahe: „Wir feiern die Demokratie.“
Denn die Demokratie ist auch in Deutschland unter Druck, im ganzen Land haben demokratiefeindliche Strömungen Zulauf. Was muss also getan werden, um diesen Tendenzen etwas entgegenzusetzen? Wie kann man sicherstellen, dass man die Demokratie hierzulande weiter wird feiern können? „Demokratie hat keinen ewigen Bestand“, sagt etwa Bundestagspräsidentin Julia Klöckner im Rahmen eines Gesprächs mit Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar. „Sie muss vielmehr immer wieder neu erarbeitet werden.“
Es ist unser aller Aufgabe, die Demokratie zu verteidigen, wenn sie unter Druck gerät.
Kai Wegner, Regierender Bürgermeister Berlin
Dabei sieht sie ein „Paradoxon“, wie sie sagt. Einerseits sei das Vertrauen in die politischen Institutionen und die handelnden Personen nachweislich so gering wie nie. „Aber wir hatten gleichzeitig gerade die höchste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl seit der Wiedervereinigung“, sagt sie.
Als entscheidend für eine starke Demokratie sieht sie einen freien Journalismus. Allerdings sei auch dieser zunehmend unter Druck – sowohl politisch wie ökonomisch. Von einer staatlichen Medienförderung, wie sie zuletzt immer mal wieder diskutiert wurde, hält sie hingegen nichts: „Dazu stehe ich sehr ambivalent“, sagt Klöckner. „Wenn die politische Mehrheit entscheidet, wer gefördert wird, ist das natürlich eine große Versuchung.“
Ernste Gespräche, lockere Runden
Auch Matthias Miersch, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, sieht „in einer funktionierenden Presse eine unabdingbare Funktionsgrundlage für unsere Demokratie“, wie er sagt. „Wir, und dazu gehören auch die Medien selbst, müssen das immer wieder betonen.“ Allerdings mahnt Miersch an, dass auch eine Berichterstattung, die „für politisch Verantwortliche vernichtend“ sei, das Problem verstärken könne. „Sie darf und soll natürlich kritisch sein, aber nicht in einer Art, die Wasser auf die Mühlen ist, die die Demokratie einreißen wollen“, sagt Miersch.
Dabei stünden die Medien und die Politik vor derselben Herausforderung: „Dass Aufmerksamkeit im Internetzeitalter nur noch auf eine bestimmte Art zu bekommen sein scheint“, sagt Miersch. „Durch die schnelle Überschrift, durch Polarisierung, durch Härte.“

© Marie Staggat für den Tagesspiegel
Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Heidi Reichinnek, betont hingegen, dass die Festigung der Demokratie auch auf der sozialen Ebene stattfinden müsse: „Die Demokratie ist vor allem so unter Druck, weil der Sozialstaat sich immer weiter zurückzieht“, sagt sie. Studien zeigten, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen sozialem und wirtschaftlichem Abstieg und einer Offenheit für extreme Positionen gebe. „Deshalb ist der beste Antifaschismus eine starke Sozialpolitik“, sagt Reichinnek. „Also Löhne, von denen man leben kann und Renten, bei denen man keine Pfandflaschen sammeln muss.“
Berlins Regierender Bürgermeister freut sich vor allem darüber, dass die Verwaltungsreform in der Hauptstadt kurz vor dem Abschluss steht – nach 26 Jahren, wie er betont. Doch auch er ruft dazu auf, die „Demokratie mehr zu feiern“, wie er sagt. „Es ist unser aller Aufgabe, die Demokratie zu verteidigen, wenn sie unter Druck gerät“, so Weg er. „Und Verteidigen kann man sie am besten dadurch, dass man sie feiert.“

© Marie Staggat für den Tagesspiegel
Über die Lage der Demokratie in Deutschland diskutieren auf dem Podium Unternehmer Harald Christ, Polit-Beraterin Lilly Blaudszun, Publizist Michel Friedman, Phineo-Vorständin Anna Herrhausen und Historiker Wolfgang Merkel mit Anja Wehler-Schöck, Mitglied der Tagesspiegel-Chefredaktion. „Wir sind keine gelangweilte Demokratie, wir sind eine polarisierte Demokratie“, erklärt Wolfgang Merkel und mit Blick auf aktuellste Wahlergebnisse sagt Friedman: „Es gibt keine Legitimation, eine Partei zu wählen, die sagt: Die Würde des Menschen ist antastbar.“

© Marie Staggat für den Tagesspiegel
Bei den ernsten Gesprächen ist es umso wichtiger, zwischendurch auch mal auf spielerische Weise zusammenzukommen und die Welt mit anderen Augen zu betrachten. Das erste Tagesspiegel-Tischtennis-Turnier, kurz TTT, trägt den Keim zum Kultstatus bei künftigen Festen schon in sich.
Auf Tipps des früheren Doppel-Weltmeister Steffen „Speedy“ Fetzner, mit welchen Tricks sich das nächste Spiel gewinnen lässt, sind manche Hobby-Spieler besonders scharf. An diesem Abend zählen nicht die Punkte, es kommt vor allem auf die Schnelligkeit an. Die Gründer des Startups Ding Dong Ping Pong GmbH, Waldemar Zeiler und Kian Pariwar, haben eigens gepunktete Bälle mitgebracht, um die Umdrehungen pro Sekunde zu messen. Mit munteren Sprüchen sind die Wände der zum „Playground“ gewandelten Kantine geschmückt: „Zeit, dass die Welt wieder lernt, sich die Bälle zuzuspielen“.

© Marie Staggat für den Tagesspiegel
Dazu hat „janz Berlin“ an diesem Abend reichlich Gelegenheit. Insgesamt 1600 Gäste aus der Hauptstadt-Szene haben ihr Kommen zugesagt, erstaunlicherweise fast alle, die eingeladen sind. Darunter neben Ministern und Senatoren die Botschafter der Schweiz und der Niederlande, sowie unter anderem von Spanien, Belgien, Norwegen, Estland, Island, Israel, Japan, Malta, Moldau, Tschechien, Kroatien, Kosovo, Nord-Mazedonien, Pakistan, Bosnien und Herzegowina.
Auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik, der Aktivist Raul Krauthausen und Rabbiner Yehuda Teichtal flanieren durch die Räume und über den Hof. Die Stimmung ist gelöst und fröhlich. Längst verfügt der Tagesspiegel auch über gefragte Unterhaltungsprofis, allen voran die Checkpoint Band, die sich mit ihren Signature-Titeln, wie dem Rauchhaus-Song und „Berlin Berlin“ bereits eine Fangemeinde in der Stadt geschaffen hat und einen temperamentvollen Auftritt hinlegt.
Sebastian Leber hat für seinen Reporter-Slam noch mal seine fünf unangenehmsten Begegnungen im Einsatz des Tagesspiegels Revue passieren lassen, darunter den höchst unfreiwilligen Aufenthalt in einem kroatischen Knast, die Wahnsinnsklage einer Reichsbürgerin und die Drohungen des Rappers Fler.

© Marie Staggat für den Tagesspiegel
Keine Geburtstagsparty ohne Erinnerungen an früher. Beflügelt werden diese hier von einer Show der Tagesspiegel-Titelseiten durch 80 Jahre. „Mein erster Tagesspiegel!“, ruft RBB-Legende Uli Zelle beim Jahr 1973. „Damals wohnte ich noch in der Muskauer Straße – mit Außentoilette.“
Der Schauspieler Ulrich Matthes ist mit dem Tagesspiegel groß geworden. Zu Hause am Mittagstisch sei regelmäßig über Politik gesprochen worden, erzählt er. Sein Vater Günter Matthes war einer der drei Chefredakteure und als Leiter des Berlin-Ressorts, eine der einflussreichsten Meinungsinstanzen in der Stadt. Manchmal ließ er sich auch berichten, was die Kinder in der Schule erlebt haben, und die Leser liebten diese Kindermund-Glossen als Abwechslung von der großen Politik ganz besonders. Ulrich Matthes war sogar ein bisschen stolz darauf, in der Zeitung vorzukommen. „Als ich in der Schule war, habe ich angefangen, es selbst zu lesen.“
Auch Eckart von Hirschhausen kennt den Tagesspiegel von klein auf. Er sei noch im festen Glauben an Print groß geworden, erzählt er, ist überzeugt, dass gedruckte Buchstaben tiefer ins Hirn dringen als die vom Monitor. Selbst setzt er sich für gemeinnützigen Journalismus ein: „Es würde das Ende differenzierter Debatten bedeuten, wenn Nachrichten nur noch aus den sozialen Medien konsumiert würden.“

© Marie Staggat für den Tagesspiegel
Zu den ersten Digital-Abonnentinnen gehört die Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke, Julia Friedlander. Sie hat zuvor 15 Jahre im US-Außenministerium gearbeitet, wo der Tagesspiegel als besonders zuverlässige Quelle gegolten habe. Der Regierende Bürgermeister erinnert sich noch an die Geburt des Checkpoints. Seitdem müsse man immer früh lesen, aber eben auch mit einem Augenzwinkern. KPM-Chef Jörg Woltmann hat die Bilder seiner Mutter im Kopf, wie sie jeden Tag zwei Stunden lang am Küchentisch saß und intensiv den Tagesspiegel von vorne bis hinten durchlas. Für Johannes Nießen vom Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit ist der Background Gesundheit Pflichtlektüre. Aber die Zeitung gehört täglich dazu.

© Lena Ganssmann für den Tagesspiegel
Die Tagesspiegel-Geschäftsführer Stefan Buhr und Nicolas Köhn machen nach ersten Begegnungen in ihrer Begrüßung Appetit auch auf die bunteren Programmteile. Auf Karaoke und DJ, unter anderem auf Wein, Gin, Currywurst und Aperitif aus dem Ritz-Carlton. Bald ist der Sturm vorüber. In freundlicher Abendsonne lässt es sich unbeschwert genießen.
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