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Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz.

© Nassim Rad/TSP

Buschmann sieht Lauterbach-Warnung skeptisch: „Wir sollten den Menschen nicht mehr Angst einjagen, als es angezeigt ist“

Viele Menschen seien in der Pandemie hohen Belastungen ausgesetzt, sagt Justizminister Marco Buschmann (FDP). „Da muss man den Stress nicht noch vergrößern.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht die Warnung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor möglichen 500 Toten am Tag skeptisch. „Man muss vorsichtig sein mit solchen Modellrechnungen“, sagte Buschmann dem Tagesspiegel. Die Krankenhausbelastung etwa habe sich ja auch weit weniger dramatisch entwickelt, als es Modellrechnungen befürchten ließen. „Wir sollten den Menschen nicht mehr Angst einjagen, als es angezeigt ist. Viele befinden sich seit zwei Jahren in einer sehr belastenden Situation. Da muss man den Stress nicht noch vergrößern“, erklärte Buschmann.

Das vollständige Interview mit dem Justizminister finden Sie hier. (T+)

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Buschmann will Entkriminalisierung des Schwarzfahrens prüfen

Buschmann will, dass weniger Menschen wegen nicht bezahlter Geldstrafen in Haft kommen. „In Haft sollten vor allem die sitzen, die auch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden“, sagte er dem Tagesspiegel (Sonntagsausgabe). Laut Statistik ist es aber oft anders: Zehn Prozent der Menschen in deutschen Gefängnissen verbüßen eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe, weil sie eine vom Gericht verhängte Geldstrafe nicht bezahlt haben. Das betrifft in der Regel Menschen mit geringem Einkommen.

Die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen solle in der Praxis vermieden werden, sagte Buschmann. „Da sind aber die Länder auch schon tätig geworden und es gibt einen regen Austausch“, erklärte er. „Nach dem Koalitionsvertrag wollen wir zudem prüfen, ob wir auch bundesrechtlich etwas beisteuern können, um zu weniger Vollstreckungen zu kommen.“

Die Ampel will zudem dafür sorgen, dass arme Menschen früher einen Pflichtverteidiger bekommen. Derzeit muss dafür ein Antrag gestellt werden. „Dadurch wird von diesem Recht oft kein oder erst später Gebrauch gemacht“, sagte Buschmann. Dabei sei es sehr wichtig, schon in der Phase des Ermittlungsverfahrens kompetent vertreten zu sein. Die FDP plädiere schon länger für eine Pflichtverteidigung ohne Antrag ab der ersten Vernehmung und habe dies auch im Koalitionsvertrag hinterlegt.

Der Justizminister prüft zudem eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens. „Wir wollen uns als Koalition das Strafgesetzbuch vornehmen und prüfen: Welche Straftatbestände passen nicht mehr in die Zeit?“, erklärte Buschmann. Da sei der Tatbestand des „Erschleichens von Leistungen“ nicht der einzige, der bei der Prüfung auf der „Longlist“ stehen werde.

Verständnis für Empörung über AfD-Richter Maier

Die Aufregung über sächsischen AfD-Politiker und Richter Jens Maier kann Buschmann verstehen. „Für mich ist der Gedanke, dass jemand, der erwiesenermaßen Rechtsextremist ist, Urteile im Namen des Volkes sprechen soll, geradezu unerträglich“, sagte Buschmann dem Tagesspiegel (Sonntagsausgabe). Der Fall sorgt für Empörung, weil der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Maier nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag zurück auf die Richterbank will. Auf die Rückkehr in den richterlichen Dienst hat Maier einen Anspruch.

Der Rechtsstaat müsse an seine eigenen Regeln halten, sagte Buschmann. Der Justizminister wies aber auch darauf hin, „dass es bei einer Rückkehr in den richterlichen Dienst keinen Anspruch darauf gibt, in einem bestimmten Tätigkeitsbereich eingesetzt zu werden.“ Man könne also auch mit anderen Aufgaben betraut werden, als Urteile zu fällen. „Wenn Sie mich als Staatsbürger fragen, wie ich das regeln würde – das wäre möglicherweise ein Weg“, sagte Buschmann. Dem Land Sachsen stünden außerdem Instrumente für die Entfernung aus dem Dienst zur Verfügung, im Rahmen von Recht und Gesetz.

Buschmann sagte, man solle aus Einzelfällen nicht den Rückschluss ziehen, es gebe in der deutschen Justiz ein Extremistenproblem systematischer Art. Dennoch betonte er: „Wir brauchen hier eine hohe Sensibilität und müssen sehr entschlossen vorgehen, wenn extremistisches Gedankengut in der Justiz aufgedeckt wird.“

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