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„Wo soll das hinführen?“: Scholz sieht in Merz’ Vorschlag zu Migration Verstoß gegen das Grundgesetz
Im Streit um die Asylpolitik warnt der Bundeskanzler vor einem Bruch der Verfassung. Robert Habeck sieht in den CDU-Vorschlägen eine Gefahr für die EU.
Stand:
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirft dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz vor, mit seinen Plänen für eine verschärfte Migrationspolitik gegen die Verfassung zu verstoßen.
„Wenn jetzt der Oppositionsführer vorschlägt, dass der deutsche Bundeskanzler Dinge tun soll, die mit der Verfassung dieses Landes und mit den europäischen Verträgen nicht vereinbar sind, dann sagt das etwas über seine Befähigung, ein hohes Amt in Deutschland auszuüben“, sagte Scholz bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Saarbrücken.
Auch der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, kritisierte das Vorhaben des CDU-Kanzlerkandidaten, flächendeckende Grenzkontrollen einzuführen, um illegale Einreisen nach Deutschland zu verhindern. Zum einen wäre die Zurückweisung von Asylsuchenden „eine Einschränkung des Asylrechts, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg so nicht gekannt haben“.
Zum anderen würde ein einseitiges Vorgehen ohne Absprache mit den EU-Partner „Europa sofort zerreißen“, sagte Habeck. „Die anderen Länder würden es Deutschland nicht nachsehen, wenn unabgesprochen und unkoordiniert Deutschland sich benimmt wie Ungarn.“
CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei berief sich hingegen im Deutschlandfunk auf den Grundgesetz-Artikel 16a, demzufolge man kein Anrecht auf Asyl beanspruchen kann, wenn man aus einem EU-Land einreist. Auch Gerichtsurteile stünden dem Vorschlag von Merz nicht entgegen.
Was sollen Beamte, Polizisten machen, die eine Anweisung kriegen, die nicht mit Recht und Gesetz vereinbar ist?
Olaf Scholz, Bundeskanzler (SPD)
Kanzler Scholz hingegen sagte: „Die Verfassung muss immer unsere oberste Richtschnur sein.“ Er betonte: „Wo soll das hinführen? Was sollen Beamte, Polizisten machen, die eine Anweisung kriegen, die nicht mit Recht und Gesetz vereinbar ist?“
Nach der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg hatte Merz weitreichende Asylrechtsverschärfungen angekündigt, sollte die Union die nächste Regierung anführen. Für den Fall seiner Wahl zum Kanzler wolle er das Innenministerium anweisen, alle Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle illegalen Einreisen zu verhindern.
Die Bundespolizei solle Haftbefehle beantragen können. Ausreisepflichtige, die aufgegriffen werden, dürften nicht freikommen, sondern müssten in Ausreisegewahrsam oder Ausreisehaft genommen und so schnell wie möglich abgeschoben werden, so Merz.
Scholz zweifelt an Glaubwürdigkeit von Merz
Scholz sagte, das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Asyl sei eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur. Man dürfe dieses Grundrecht nicht einfach infrage stellen und sagen: „Ich verschicke einen Brief, haltet euch nicht an die Verfassung. Das geht nicht.“ Jeder könne sich darauf verlassen, dass er die Offenheit der Gesellschaft für Zuwanderung und benötigte Arbeitskräfte sowie das Grundrecht auf Asyl erhalten werde.
Scholz sagte, er habe bisher stets geglaubt, dass Unionskanzlerkandidat Merz sich an sein Versprechen halten werde, nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. „Was soll ich glauben? Das ist eine Frage, die nach den Vorgängen, die diese Woche passiert sind, sich jeder Bürger und jede Bürgerin stellen muss“, sagte er. Es dürfe in Deutschland „niemals geschehen“, dass Demokraten trotz aller politischen Unterschiede mit den extremen Rechten zusammenarbeiteten, sagte der Kanzler.
Habeck stellte Merz zudem Respekt in Aussicht, sollte dieser seine Ankündigung zurücknehmen, eine deutliche Verschärfung der Migrationsregeln zur Not auch mit Zustimmung der AfD durchzusetzen. „Wenn es nicht zu einer Abstimmung kommt, wo die Mehrheitsbildung mit der AfD billigend in Kauf genommen wird, dann wird es von grüner Seite und von meiner Seite aus dafür Respekt geben und nicht Häme“, sagte Habeck bei einer Wahlkampfveranstaltung in Stuttgart.. (dpa)
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