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Zu viel NRW, niemand aus Ostdeutschland: Ost-Grüne kritisieren Postenvergabe in der Bundestagsfraktion
Mit Katrin Göring-Eckardt wird eine der wenigen ostdeutschen Grünen dem neuen Bundestagspräsidium nicht mehr angehören. Im Osten ist man mit der Personalentscheidung unzufrieden.
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Katrin Göring-Eckardt verließ den Fraktionssaal der Grünen im Bundestag als eine der ersten. Über Stunden hatte die geschrumpfte Bundestagsfraktion ihr neues Führungspersonal gewählt, am Ende in drei Wählgängen dann noch den Posten des Bundestagsvizepräsidenten, den Göring-Eckardt bereits drei Legislaturperioden innehatte.
Doch eine vierte Amtszeit wird nicht dazukommen. Ihre 84 Fraktionskollegen wählten am Ende den früheren Parteichef Omid Nouripour zu ihrem Kandidaten, der an diesem Dienstag vom Bundestag in das Amt gewählt werden soll. Der 49-Jährige aus dem Wahlkreis Frankfurt setzte sich in der Stichwahl gegen die Parteilinke Claudia Roth durch. Göring-Eckardt hatte bereits nach dem zweiten Wahlgang zurückziehen müssen.
Damit steht nun fest, dass die Grünen in der kommenden Legislaturperiode in der ersten Reihe – sowohl in der Fraktion, als auch in der Partei – ausschließlich von westdeutschen Funktionären repräsentiert werden. Gegen diesen Umstand wird jetzt Protest aus den ostdeutschen Landesverbänden der Grünen laut.
In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern drohen den Grünen schwere Wahlkämpfe
„Omid Nouripour ist ein hervorragender Kandidat für das Amt des Vize-Bundestagspräsidenten. Trotzdem ist der Verlust des Postens für eine ostdeutsche Repräsentantin ein spürbarer Bedeutungsverlust für uns Grüne in Ostdeutschland“, sagte Dennis Helmich, Landesvorsitzender der Grünen in Sachsen-Anhalt, dem Tagesspiegel.
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Ein gutes Jahr vor zwei Landtagswahlen in Ostdeutschland hält er die Personalentscheidung für wenig hilfreich. „Im kommenden Jahr müssen wir in schwierigen Wahlkämpfen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bestehen, da wäre eine Vizepräsidentin aus dem Osten wichtiger denn je gewesen“, sagte Helmich.
Mit Göring-Eckardt geht nicht nur uns Bündnisgrünen eine wichtige Ostrepräsentanz verloren, sondern auch dem Bundestagspräsidium
Ann-Sophie Bohm, Landesvorsitzende der Grünen in Thüringen
Auch in Thüringen, der Heimat von Göring-Eckardt, bedauerte die Landesvorsitzende Ann-Sophie Bohm die Entscheidung in Berlin: „Mit ihr geht nicht nur uns Bündnisgrünen eine wichtige Ostrepräsentanz verloren, sondern auch dem Bundestagspräsidium“, sagte sie über Göring-Eckard, die neben Umweltministerin Steffi Lemke, über Jahre das ostdeutsche Gesicht der Grünen gewesen war. Bohm gratulierte jedoch auch Nouripour und lobte ihn als „ausgleichenden Politiker“.
Doch gegen die personelle und inhaltliche Aufstellung der Grünen gibt es seit Wochen Widerstände in den ostdeutschen Landesverbänden. „Die Partei wird stark mit westdeutschem Akademikermilieu und Großstadtpolitik assoziiert“, hatte es vor wenigen Tagen in einem Positionspapier mehrerer ostdeutschen Grünen um die ehemalige Spitzenkandidatin in Thüringen, Madeleine Henfling, geheißen.

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Darin war kritisiert worden, dass wichtige ostdeutsche Köpfe fehlen würden oder medial nicht präsent seien. Auch inhaltlich forderten die Autorinnen Änderungen: „Ohne einen radikalen Kurswechsel droht die Partei in weiten Teilen des Ostens irreversibel marginalisiert zu werden“, heißt es in dem Papier.
Politiker aus NRW sind überrepräsentiert
Zusätzliche Kritik gibt es bei vielen Grünen daran, dass nicht nur ostdeutsche Personen fehlen, sondern es auch eine Überrepräsentanz von Politikern aus Nordrhein-Westfalen gebe. Tatsächlich kommen sowohl die beiden Fraktionschefinnen, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, sowie die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic und auch Parteichef Felix Banaszak aus dem einwohnerstärksten Bundesland. Mit Heiko Knopf gibt es lediglich einen stellvertretenden Parteivorsitzenden mit ostdeutscher Biografie.
Das müsse sich ändern, fordern mehrere ostdeutsche Landesvorsitzende gegenüber dem Tagesspiegel: „In unserer Partei werden wir in der nächsten Zeit intensiv darüber sprechen, wie wir im Osten stärker werden“, sagte etwa die sächsische Landesvorsitzende, Marie Müser. Sie ergänzte diplomatisch: „In der Zukunft freuen wir uns auch über eine noch stärkere Repräsentation von ostdeutschen Grünen auf allen Ebenen.“
Die Fraktion muss in Zukunft sicherstellen, dass auch die ostdeutschen Repräsentanten aufgewertet werden.
Der Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen-Anhalt, Dennis Helmich, fordert mehr Ostdeutsche in Führungsrollen.
Deutlicher wurde Dennis Helmich: „Die Fraktion muss in Zukunft sicherstellen, dass auch die ostdeutschen Repräsentanten aufgewertet werden.“ Und auch Ann-Sophie Bohm forderte: „Ich hoffe sehr, dass Abgeordnete aus dem Osten an anderen Stelle in entscheidende Positionen kommen. Es muss eine gemeinsame Anstrengung bleiben, die Repräsentanz von Ostthemen und Ostpersonen bundesweit zu stärken.“
Fraktionschefin Dröge signalisierte dazu am Montagabend Bereitschaft. „Der künftige Fraktionsvorstand wird deutlich ausgewogener sein“, versprach die Kölnerin. Die stellvertretenden Fraktionsposten sowie die Sprecher-Posten wollen die Grünen erst nach der Wahl der neuen Bundesregierung aufstellen. Es sei den Grünen „sehr wichtig“, dass dann auch Menschen aus dem Osten Deutschlands diese Posten bekommen würden.
Dröge machte aber auch deutlich, dass es nicht nur die Pflicht der ostdeutschen Abgeordneten sei, den Osten zu repräsentieren. „Das ist immer eine gesamtdeutsche Aufgabe“, sagte Dröge.
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