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Ein Organspendeausweis.

© dpa/Michael Kappeler

Zur Erhöhung von Spenderzahlen: FDP will Todesdefinition für Organspende erweitern

Bevor ein Organ gespendet werden kann, muss zwingend der Hirntod festgestellt werden. Das will die FDP zukünftig ändern und mit einer neuen Regelung erweitern.

Stand:

Die FDP im Bundestag will die Todesdefinition als Voraussetzung für eine Organspende erweitern. So soll künftig auch der Herz-Kreislauf-Stillstand Grundlage für eine vorher selbstbestimmte Entnahme von Organen sein. Bisher musste zwingend der Hirntod nachgewiesen werden.

Damit könnten die Spenderzahlen weiter erhöht werden, sagte die Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr der „Welt“. Zeitgleich trage man „dem individuellen Selbstbestimmungsrecht auch im Zusammenhang mit dem eigenen Tod Rechnung“.

Organspende: Hirntod schwieriger festzustellen

Ein entsprechendes Positionspapier soll dem Bericht zufolge an diesem Dienstag von der Fraktion beschlossen werden. Potenzielle Spender sollen ihren Willen dann über ein explizit dafür vorgesehenes zusätzliches optionales Feld im Organspende-Register oder auf Organspendeausweisen festhalten können.

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„Aus medizinischer Sicht gibt es keinen Goldstandard bei der Erklärung des Todes“, sagte Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion und Universitätsprofessor in Würzburg der „Welt“. Der Tod nach einem anhaltenden Kreislaufstillstand sei mit dem Hirntod gleichzusetzen.

„Ein wesentlicher Unterschied ist allerdings, dass der Herztod einfacher, aber dennoch sicher festzustellen ist.“ Der Aufwand zur Feststellung des Hirntods sei immens hoch und schränke so die Zahl der potenziellen Spender von vornherein ein.

„Als Gesetzgeber sehe ich uns in der Pflicht, die wissenschaftliche Realität anzuerkennen, zumal es eine grundlegende Voraussetzung ist, um mehr Menschen eine Organtransplantation zu ermöglichen und damit Leben zu retten“, betonte Ullmann.

Der Aufwand zur Feststellung des Hirntods ist immens hoch und schränkt dadurch die Zahl der potenziellen Spender von vornherein ein.

 Andrew Ullmann, FDP

Damit Spenden überhaupt infrage kommen, müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den Hirntod eines Verstorbenen feststellen.

Nur wenige Patienten erleiden auf der Intensivstation einen Hirntod, also den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Die meisten sterben an Herz-Kreislauf-Versagen. In vielen anderen europäischen Ländern und den USA sind Organspenden nach einem Herztod bereits erlaubt und führten teils zu einem Anstieg der Organspenden. In Deutschland gaben Mediziner in der Vergangenheit zu bedenken, die Feststellung des Herz-Kreislauf-Todes berge ein höheres Risiko für Fehldiagnosen.

Organe werden dringend benötigt

Mehr Organe wie Nieren, Lebern oder Herzen für schwer kranke Patienten werden seit Jahren dringend benötigt. Im vergangenen Jahr gaben 965 Menschen nach ihrem Tod ein Organ oder mehrere Organe für andere frei, wie die koordinierende Deutsche Stiftung Organtransplantation ermittelte. Zugleich standen aber 8400 Menschen auf Wartelisten.

Damit bleibt die Zahl der verfügbaren Spenderorgane in Deutschland seit langem hinter dem Bedarf zurück. Versuche von Bundestagsabgeordneten, die Zahl der Spenden durch gesetzliche Neuregelungen zu steigern, haben bislang im Parlament keine Mehrheit gefunden.

„Noch immer steht der Anzahl an Organspendern ein Vielfaches an Menschen auf der Warteliste gegenüber: Ende 2023 warteten 8716 Menschen auf ein rettendes Spenderorgan“, sagte die FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr der „Welt“. Viele der Wartenden würden sterben, ohne je ein Spenderorgan zu erhalten.

In Deutschland gaben Mediziner in der Vergangenheit zu bedenken, die Feststellung des Herz-Kreislauf-Todes berge ein höheres Risiko für Fehldiagnosen. Diese Ansicht vertrat am Dienstag auch Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Nur beim Hirntod sei der Tod „irreversibel“, erklärte Brysch. „Diese Unumkehrbarkeit gibt es beim Herzstillstand nicht.“

Der Patientenschützer wies darauf hin, dass die Regelungen in anderen europäischen Ländern zur Organentnahme nach Herzstillstand sehr ausdifferenziert seien. So werde unterschieden, ob der Herzstillstand plötzlich oder erwartet eintritt. Ebenso spiele eine Rolle, ob die Organentnahme fünf, zehn oder 20 Minuten nach Herzstillstand erfolgt. „Doch genau zu diesen Fakten findet sich nichts im FDP-Antrag“, kritisierte Brysch.

Organspende: Widerspruchslösung kontrovers diskutiert

Die Organspende erfolgt in Deutschland nur, wenn jemand dies vor seinem Tod klar erlaubt hat - zum Beispiel mit dem Organspendeausweis - oder wenn die Angehörigen zustimmen. Weil es zu wenige Spenderorgane gibt, wird immer wieder eine Umstellung auf die sogenannte Widerspruchslösung diskutiert. Dann würden alle Menschen als Organspender gelten, es sei denn, sie dokumentieren ihren Widerspruch dagegen.

Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten hatte sich für die Widerspruchslösung starkgemacht. Im Jahr 2020 war ein solches Modell aber im Bundestag gescheitert.

Für Kritik sorgte der FDP-Vorstoß bei Abgeordneten, die sich im Bundestag für eine so genannte Widerspruchslösung einsetzen. Die angestoßene Herztod-Debatte könnte „die Debatte um die Widerspruchsregelung überlagern und damit gefährden“, sagte die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. „Der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen ist Voraussetzung zur Organspende. Das wollen wir nicht ändern.“ Connemann ist Mitinitiatorin eines parlamentarischen Gruppenantrags zur Einführung der Widerspruchslösung.

Auch der Grünen-Gesundheitspolitiker Armin Grau, ebenfalls Unterzeichner des Gruppenantrags, hält eine Änderung der Kriterien für „nicht entscheidungsreif“, wie er der Mediengruppe Bayern sagte. Grau forderte dazu eine vertiefte Diskussion unter medizinischen Experten.(dpa, AFP)

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