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Zweidrittelmehrheit erreicht: Bundestag wählt drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht
Die Mehrheit steht, mutmaßlich mit Stimmen von Union, SPD, Grünen und Teilen der Linken. Sigrid Emmenegger, Ann-Katrin Kaufhold und Günter Spinner gehen für zwölf Jahre als Verfassungsrichter nach Karlsruhe.
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Im zweiten Anlauf hat es geklappt. Der Bundestag hat am Donnerstagabend mit der nötigen Zweidrittelmehrheit drei neue Verfassungsrichter gewählt. Sigrid Emmenegger, Ann-Katrin Kaufhold und Günter Spinner werden damit künftig ihre Arbeit am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aufnehmen können. Sie wurden für zwölf Jahre gewählt.
Für die von der SPD nominierten Kandidatinnen Kaufhold und Emmenegger stimmten 440 beziehungsweise 446 Abgeordnete und damit nicht nur Union, SPD und Grüne, sondern wohl auch rund die Hälfte der Linken-Abgeordneten. Die notwendige Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen von 409 übertrafen somit beide.
Knapper war es wie erwartet bei Günter Spinner, den die Union ins Rennen geschickt hatte. Er erhielt 424 Stimmen. Mutmaßlich stimmten somit nur einige von den 64 Linken-Abgeordnete für ihn. Die Linke hatte im Vorfeld der Wahl kritisiert, dass die Union nicht zu Gesprächen mit ihr bereit war. Die Fraktionsführung stellte ihren Abgeordneten aber frei, nach eigenem Gewissen für oder gegen Spinner zu stimmen.
Die Union zeigt sich erleichtert
Er sei erleichtert, gab der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Steffen Bilger, nach der Richterwahl zu. „Das zeigt, dass wir als Koalition auch schwierige Situationen lösen können“, sagte er dem Tagesspiegel. Dies sei auch ein gutes Zeichen vor den Reformanstrengungen der Koalition in diesem Herbst. „Es war wichtig, dass die Koalition steht“, sagte Bilger, der darauf verwies, dass von CDU, CSU und SPD nur Außenminister Johann Wadephul nicht an der Abstimmung teilgenommen habe.
„Es war ein sehr wichtiges Signal, dass der Deutsche Bundestag mit demokratischen Mehrheiten handlungsfähig war“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann dem Tagesspiegel. Dass es einen zweiten Anlauf benötigt habe, sei ein „ungeheuerlicher Vorgang“, für den das Führungsversagen von Unions-Fraktionschef Jens Spahn verantwortlich sei. „Umso bedeutender war es, dass der Bundestag heute mit demokratischen Mehrheiten aus Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei eine Entscheidung getroffen hat.“
Clara Bünger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, kritisierte CDU und CSU dafür, dass sie auch vor dem zweiten Anlauf nicht auf ihre Fraktion zugegangen seien. „Dass man bis zum Schluss zittern musste, ist ein Armutszeugnis. Die Union trägt die Verantwortung dafür und dafür, dass das Bundesverfassungsgericht durch die geplatzte Wahl bereits im Juli beschädigt wurde“, sagte sie dem Tagesspiegel. Teile der Union hätten eine „Hetzkampagne“ gegen Frauke Brosius-Gersdorf mitgetragen.
Spinners Wahl war bis zuletzt unsicher
Normalerweise erregt die Wahl von Verfassungsrichtern keine große öffentliche Aufmerksamkeit. Aus zwei Gründen war es dieses Mal anders: Zum einen haben Union, SPD und Grüne keine gemeinsame Zweidrittelmehrheit mehr im Bundestag, sind also auf Stimmen der Linken angewiesen, wenn die AfD keine Rolle spielen soll. Die Union weigert sich jedoch, darüber mit der Linken Gespräche zu führen.
Bis zuletzt war daher nicht sicher, ob der von der Union vorgeschlagene Kandidat Günter Spinner eine Mehrheit findet. Die Linke hatte die Frage zuletzt zur Gewissensentscheidung erklärt.
Zum anderen formierte sich gegen die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf Widerstand in der Unionsfraktion, vor allem wegen Äußerungen zum Abtreibungsrecht. Die Wahl aller drei Verfassungsrichter wurde daher in der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause in letzter Minute gestoppt.
Unions-Fraktionschef Spahn stand in der Kritik
Wochenlang hatte es daraufhin koalitionsintern Streit gegeben. Unionsfraktionschef Jens Spahn musste sich der Kritik aussetzen, er habe der Personalie gegenüber der SPD vorschnell zugestimmt, die Bedenken in der Fraktion nicht rechtzeitig erkannt und schließlich nicht die Kraft gehabt, seine Abgeordneten auf Linie zu bringen.
Nach einer wochenlangen Hängepartie erklärte Brosius-Gersdorf schließlich Anfang August ihren Rückzug. Die SPD nominierte daraufhin eine neue Kandidatin: Sigrid Emmenegger, Richterin am Bundesverwaltungsgericht. Mit ihr waren die Unionsabgeordneten, ebenso wie mit der anderen SPD-Nominierten, der Münchener Jura-Professorin Ann-Katrin Kaufhold, nun einverstanden.
Der Druck auf Spahn war daher groß. Eine weitere Blamage wie Anfang Juli hätte er schwerlich verkraftet. In den vergangenen Tagen verbreitete Spahn demonstrativ Zuversicht: „Das klappt!“, sagte er etwa am Sonntag in der Talkshow „Caren Miosga“.
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