Brandenburg: 500 000 Brandenburger zogen gen Westen
Das Land denkt nun über Rückhol-Kampagnen wie in anderen Ost-Ländern nach / Anhörung zum CDU-Vorstoß im Landtag
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Von Thorsten Metzner
Potsdam - Brandenburgs Politik denkt über „Rückhol“-Programme nach, um abgewanderte Landeskinder wieder heimzulocken. Auf einer Anhörung im Landtag herrschte am Mittwoch weitgehend Einigkeit, dass es sich das Land angesichts des Fachkräftemangels nicht länger leisten kann, im Unterschied zu anderen Ost-Ländern weiter auf solche Kampagnen und Landesaktivitäten zu verzichten. Der Anstoß kam von der oppositionellen CDU. Wie das genau aussehen kann, blieb allerdings noch offen.
Es geht um fast eine halbe Million Menschen, meist jünger und gut ausgebildet, nämlich um 474 544 Brandenburger, die seit 1990 in alte Länder gezogen sind, wie der Statistik-Landesbetrieb auf PNN-Anfrage mitteilte. Und der Trend hält an. Zum Vergleich: Das entspricht allen heutigen Einwohnern von Uckermark, Prignitz sowie der Städte Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder), also einem Fünftel der Gesamtbevölkerung. Allerdings profitierte Brandenburg als einziges Ost-Land bisher von Zuwanderung, seit 1990 zogen allein 569 888 Berliner ins Umland, sodass die Bevölkerungsentwicklung lange wenig dramatisch war.
Das gilt als Grund, warum es in anderen Ost-Ländern schon lange Rückhol-Initiativen gibt. Mecklenburg-Vorpommern hat eine Rückhol–Agentur „mv4you“, die gezielt „Ehemalige“ anspricht. Thüringen fördert regionale Büros. In Sachsen-Anhalt gibt es eine spezielle Internet-Plattform, in denen Unternehmen freie Stellen offerieren. „Und die meisten Abgewanderten wollen eigentlich zurück. Es ist auch eine emotionale Frage, aber die Bedingungen müssen eben insgesamt stimmen“, sagt Hans-Liudger Dienel vom Institut „nexus“, das Rückkehrer-Programme im Osten untersucht hat. Die Bindung an die Heimat sei allerdings „lokal und regional, also an die Uckermark, an die Stadt, nicht ans Land.“ Das bestätigte auch Ariane Böttcher vom Verein „Zu Hause in Brandenburg“, der weggezogene Uckermärker im Visier hat, dafür Sozialnetzwerke wie Facebook nutzt. „Wir verstehen uns als moderner Heimatverein“, sagte Böttcher. „Wir sind in ständigem Austausch mit 900 Ehemaligen.“ Die andere bereits existierende Initiative im Land kommt aus der Lausitz. Dort ist es kein Verein, sondern eine private Job-Vermittlung, die die Lausitzer Rückhol-Initiative „Boomerang“ betreibt und sich über das Erfolgshonorar von auftraggebenden Unternehmen finanziert. „Brandenburg braucht eine Rückholagentur“, sagt Chef Steffen Sickert. „Man könnte viel erreichen, wenn es einen richtigen Werbetat gäbe“, vielleicht über das „Brandenburg-Marketing.“ Denkbar sei eine Mischfinanzierung durch Wirtschaft und Land, sagte Sickert. Eine solche Begleit-Förderung für ein Regionalbüro mit 4 bis 5 Stellen koste jährlich „soviel wie 100 Meter Straße“ – rund 100 000 Euro.
Die Politik reagiert offen bis nachdenklich. SPD-Arbeitsstaatssekretär Wolfgang Schroeder sieht durchaus eine neue Notwendigkeit, Ex-Brandenburger anzusprechen. „Es gibt da eine große Dynamik. Wir müssen schauen, was wir von anderen Bundesländern lernen können“, sagte er. „Wir müssen das genau prüfen. Nötig ist eine andere Sensibilität.“ Er appellierte aber an die Wirtschaft, Voraussetzungen zu schaffen, um im „Kampf um die Köpfe“ mithalten zu können, nämlich bei den Löhnen nachzuziehen, die ein Drittel unter westdeutschem Niveau seien. In Brandenburg liege der jährliche Durchschnittslohn bei 23 000 Euro, in Hessen bei 32 000 Euro. Ein verhementes Plädoyer in diese Richtung kam auch von der Industrie- und Handelskammer Cottbus. „Die Löhne müssen rauf“, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Krüger, was durchaus eine pikante Note hatte: Krüger war in der letzten SPD/CDU-Regierung Staatsekretär im CDU-geführten Wirtschaftsministerium, das lange offensiv mit dem Argument des Billiglohnlandes um Ansieldungen warb.
Unterdessen sind, wie die Anhörung zeigte, andere Ost-Länder schon beim nächsten Schritt. Sie weiten ihre Aktivitäten von den Abgewanderten jetzt bereits auf „Weit-Pendler“ aus, die nur an Wochenenden nach Hause kommen. Mecklenburg-Vorpommern startet im Mai eine Aktion, bei der ihnen an Autobahnraststätten landeinwärts, an Freitagen, „Pendler-Taschen“ gereicht werden - mit Job-Angeboten im Land.
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