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Polizeistatistik korrigieren: Aktionsbündnis fordert Aufarbeitung rechter Morde

Das brandenburgische Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit fordert von der Landesregierung die Überprüfung der durch Rechtsextremisten verübten Mordtaten und die Anerkennung der Getöteten als Opfer rechtsextremistischer Gewalt.

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Potsdam -  Zudem müsse die Polizeistatistik korrigiert werden. Das beschloss die Mitgliederversammlung des Aktionsbündnisses am Montagabend in Potsdam einstimmig. Nötig sei für eine Aufarbeitung aber nicht nur die Sichtung der Polizei- und Gerichtsakten, sagte Marcus Reinert vom Verein Opferperspektive. Vielmehr müsse dafür eine Expertenkommission eingerichtet werden.

Laut der Statistik des Vereins und Recherchen des Tagesspiegel- und PNN-Autors Frank Jansen gab es seit 1990 in Brandenburg 27 Todesopfer rechtsextremistischer Gewalt. Als solche tatsächlich anerkannt seien aber nur neun Opfer, sagte Reinert. Es gebe auch fünf Verdachtsfälle, die nicht abschließend geklärt worden seien, in denen ein rechtsextremes Motiv aber nicht ausgeschlossen sei. „Viele Todesopfer gab es in den 1990er Jahren“, sagte Reinert. „Damals gab es besonders in den ersten Jahren erhebliche Mängel und schwere Versäumnisse bei der Polizei und an den Gerichten in der Ermittlungsarbeit, was die Tatmotivation betrifft.“

Obwohl das Bundeskriminalamt (BKA) damals zu Beginn der 1990er Jahr von einer beachtlichen Ausbreitung fremdenfeindlicher und rechter Einstellungen in der Bevölkerung hingewiesen habe, hätten die Beamten vor Ort häufig alles getan, um ihre Region nicht in Verruf geraten zu lassen. Dabei gebe es viele Fälle, in denen feststehe: „Da gibt es keine Grauzone.“ Erst seit dem Jahr 2001 werden in der Polizeistatistik rechtsextreme Taten als politisch motivierte Kriminalität eingestuft, wenn Menschen aufgrund ihrer politischen Haltung, ihres Aussehens oder ihrer gesellschaftlichen Stellung attackiert wurden und die Täter als rechtsextremistisch einzustufen sind.

Mit der Aufarbeitung der von Rechtsextremisten verübten, aber nicht als rechts eingestuften Taten könne Brandenburg seiner deutschlandweiten Vorbildfunktion im Kampf gegen Rechtsextremismus gerecht werden, sagte Reinert. Dies gehe aber nur mit dem Willen der Landespolitik. Tatsächlich aber haben bislang nur Sachsen und Sachsen-Anhalt nach der Mordserie des NSU-Trios fragliche Altfälle überprüft. Dabei seien in Sachsen zwei und in Sachsen-Anhalt drei Fälle im Nachhinein als rechtsextremistische Morde eingestuft worden.

Das brandenburgische Aktionsbündnis will zudem die Erinnerung an die Opfer rechter Gewalt vor Ort unterstützen. Tatsächlich ist die Resonanz auf die lokalen Initiativen vor Ort sehr unterschiedlich. Jugendliche aus Neuruppin berichteten am Montagabend von erheblichem Widerstand gegen den Vorstoß, eine Straße nach Emil Wendland zu benennen, einem Obdachlosen, der 1992 von drei Skinheads, die sich zum „Penner klatschen“ verabredet hatten, zusammengeschlagen und anschließend erstochen worden war. Die Neuruppiner Initiative durfte schließlich – finanziert durch Spenden – im Juli 20 Jahre nach der Tat eine Gedenktafel aufstellen. Das öffentliche Interesse in der Stadt sei äußerst gering gewesen, berichteten die Jugendlichen. Die Straße wurde nicht umbenannt. Jetzt erwägt das Aktionsbündnis eine Fachtagung zum Gedenken an die Todesopfer abzuhalten, um die lokalen Initiativen zu stärken.

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