Brandenburg: „Aktive Sterbehilfe für das Projekt Länderfusion“ Landesregierung legt turnusmäßig Bericht zur Kooperation mit Berlin vor – und der ist ernüchternd
Potsdam - Um die Beziehungen zwischen Brandenburg und Berlin steht es nicht gut. Zuletzt gab es vor zwei Jahren eine gemeinsame Kabinettssitzung.
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Potsdam - Um die Beziehungen zwischen Brandenburg und Berlin steht es nicht gut. Zuletzt gab es vor zwei Jahren eine gemeinsame Kabinettssitzung. Dann hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor einer Woche wegen des Streits um das Nachtflugverbot am Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld den Kalten Krieg bemüht. Und nun steht es auch schwarz auf weiß, nachzulesen im „Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden“. Den legte die Landesregierung am gestrigen Donnerstag im Plenum des Landtags vor.
Darin heißt es: Die Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren zeige in vielen Bereichen eine gute und zum Teil weiter ausgebaute Zusammenarbeit beider Länder. Andererseits seien die Auswirkungen des in beiden Ländern „nachlassenden Interesses an der Berlin-Brandenburg-Thematik“ nicht zu verkennen. „Die Hinweise auf unterschiedliche Strukturen und Gegebenheiten, der Schutz der jeweiligen Einzelinteressen und der dadurch geprägte Blickwinkel der Handelnden gewinnen zunehmend an Gewicht.“ Das Ergebnis der Debatte des Berichts ist klar: Die SPD ist weiter gegen eine Fusion, alle anderen, selbst der Koalitionspartner Die Linke fordert weitere Schritte und eine engere Verzahnung.
Staatskanzleichef Albrecht Gerber sagte, die Landesregierung strebe eine weitere Kooperation mit Berlin an. „Aber es geht hier nicht um Romantik, sondern um die Vorteile für beide Länder. Eine Fusion steht nicht zur Debatte. Jedes Land muss seine eigenen Hausaufgaben machen.“ Gerber betonte, dass Brandenburg bei den Finanzen und Schulden weitaus besser dastehe als Berlin. Bei der Prüfung, ob weitere Verwaltungsstrukturen zusammengelegt werden könnten, sei festgestellt worden, „dass dieses Potenzial ausgeschöpft ist“.
Mike Bischoff, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, drückte sich deutlicher aus: „Das Klima für eine Fusion hat sich verschlechtert.“ Es spielten zunehmend Einzelinteressen eine Rolle. Berlins starre Haltung gegenüber Brandenburgs Vorschlägen für ein Nachtflugverbot am BER sei der „vorläufige Tiefpunkt“. Allerdings wiesen Gerber und Bischoff auch auf Erfolge hin, etwa bei der Wirtschaftsförderung, der Filmwirtschaft, bei der gemeinsamen Raumordnung, im öffentlichen Nahverkehr. Die gemeinsamen oberen Landesgerichte erwähnten sie nicht. Allerdings habe die Region nur eine Chance, in einer oberen Liga in Europa mitzuspielen, wenn die gute Zusammenarbeit auf hohem Niveau fortgesetzt werde, so Bischoff.
Die CDU-Abgeordnete Barbara Richstein warnte davor, die Zusammenarbeit beider Länder wieder zu entflechten. Die Region werde in Europa nur als Berlin wahrgenommen. „In einem zusammenrückende Europa wird die Kluft zwischen Berlin und Brandenburg immer Größer“ sagte sie. Richstein verwies auf die Probleme bei der Medizinerausbildung mit Berlin oder den aktuellen Streit um den Vorsitz des Medienrates.
Thomas Domres, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, warb für eine engere Zusammenarbeit „unterhalb von Staatsverträgen“, etwa zwischen Berliner Bezirken und Kommunen, aber auch bei gemeinsamen Strategien für Energie und Wasser. Es sei fraglich, ob gemeinsame Einrichtungen ausreichen, um die Folgen der wachsenden Metropole für Brandenburg abzubilden. Dieser Prozess müsse von den Landesparlamenten angestoßen werden. „Wenn wir uns dieser Aufgabe nicht stellen, werden in dem Plenarsaal auch in 30 Jahren nur Brandenburger Abgeordnete sitzen“, sagte Domres.
Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sagte, der Fortschrittsbericht sei ein Stillstands- und Rückschrittsbericht. Sie warf Ministerpräsident Woidke vor, er wähne sich im „Kalten Krieg“ mit Berlin. „Und das nur, weil Berlin auf dem von allen drei Gesellschaftern festgelegten Status quo von fünf Stunden Nachtruhe besteht. Man kann die Verschlechterung der Verhältnisse auch herbeireden.“ Tatsächlich hatte Woidke vor einer Woche gesagt: „Dieses Njet, wie es in den alten amerikanisch-sowjetischen Beziehungen der Fall war, hat mich betroffen gemacht und zutiefst enttäuscht.“ Teuteberg erklärte: „Diesen engstirnigen Provinzialismus können wir uns mitten in Europa nicht leisten.“ Es sei Aufgabe der „politischen Führung, die gemeinsamen Interessen und den Mehrwert eines gemeinsamen politischen Handelns zu vermitteln“. Die Grünen-Abgeordnete Marie Luise von Halem warf Woidke Kriegsrhetorik vor. Die Landesregierung tue nichts für ein Zusammenwachsen mit Berlin und leiste für „das Projekt Fusion aktive Sterbehilfe“.
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