Jüdische Fakultät: Alle wollen das Zentrum für Jüdische Studien
Brandenburgs Forschungsministerin Sabine Kunst bekennt sich zur Fakultätsgründung und schließt nicht aus, dass die Fakultät bis Ende 2012 gegründet werden kann. Die brandenburgische Linke kritisiert die Verzögerung.
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Potsdam - Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) hat sich grundsätzlich zur Gründung einer neuen jüdisch-theologischen Fakultät an der Universität Potsdam bekannt. Allerdings solide vorbereitet, „in einem geordneten Verfahren“ und unter Beachtung der „Hochschulautonomie“. Das sagte Kunst am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts den PNN. Sie betonte, dass diese Position mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) „abgestimmt“ sei. „Wir stehen hinter der Idee.“ Sie schloss nicht aus, dass die Fakultät bis Ende 2012 gegründet werden kann.
Eine schnellere Gründung – etwa Anfang 2012 passend zum 200. Jahrestag des preußischen Toleranzedikts – ist nach Worten von Kunst aufgrund von zu klärenden, teilweise schwierigen Fragen nicht möglich. Konkret verwies die Ministerin auf die für Frühjahr 2012 avisierten Empfehlungen der Hochschulstrukturkommission und auf ein „verfassungsrechtlich relevantes Problem“: Es müsse gesichert sein, dass die von der neuen Jüdisch-Theologischen Fakultät an der Potsdamer Universität ausbildeten Rabbiner „auch von allen Strömungen“ anerkannt würden, etwa vom Zentralrat der Juden und den beiden Rabbinerkonferenzen. Hintergrund sind offenbar auch Erfahrungen aus innerjüdischen Konflikten um die Finanzierung von jüdischen Gemeinden und dem Streit um den Bau der Synagoge in Potsdam, und die Sorge, dass andere Strömungen beim Land gleiche Rechte einzuklagen versuchen.
In Ministerium liegt ein Staatsvertragsentwurf der Union progessiver Juden vor, die in Potsdam am Abraham-Geiger-Kolleg bereits seit Jahren Rabbiner ausbildet. Dessen Rektor Walter Homolka drängt – wie PNN berichteten – auf eine zügige Entscheidung des Kabinetts zur Fakultätsgründung und droht sogar mit dem Wegzug des Kollegs etwa nach Bayern. Vom 21. bis 24. November soll es dort tatsächlich ein Sondierungsgespräch an der Universität Erlangen geben.
Homolka begrüßte am Dienstag die Aussagen von Ministerin Kunst. „Ich habe heute gelernt, dass alle diese Fakultät und das Zentrum wollen.“ Er übte aber auch Kritik. Die von Kunst geforderte Anerkennung „aller Strömungen“ liege längst vor. Der Zentralrat der Juden, die Allgemeine Rabbinerkonferenz des Zentralrats und die Rabbinerkonferenz liberaler und konservativer Juden hätten sich zu Potsdam bekannt. Das orthodoxe Judentum lehne die universitäre Ausbildung ab – und spiele daher für Potsdam keine Rolle.
Angesichts des drohenden Wegzugs des Geiger-Kollegs haben sich brandenburgische Politiker aller Landtagsparteien am Dienstag für den Verbleib der Ausbildungsstätte in Potsdam stark gemacht. Das FDP-geführte Münchener Wissenschaftsministerium bestätigte am Dienstag zwar Sondierungsgespräche der Uni Erlangen, allerdings keine Offerte des Landes Bayern. Brandenburgs Linke- Landtagsfraktion, aber auch führende Vertreter der Jüdischen Gemeinde Berlin und mit Micha Guttmann der ehemalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden forderten von Platzeck (SPD) ein deutliches Signal für die Einrichtung der jüdisch-theologischen Fakultät. Homolka sagte, nötig sei ein „politischer Willensakt in nächster Zeit“. Aus der Linksfraktion hieß es, Ministerin Kunst verschiebe die Entscheidung unnötig ins nächste Jahr. Nach PNN-Informationen will Kunst erst die neue umkämpfte Hochschulfinanzierung im Frühjahr 2012 festzurren und die Konflikte darum hinter sich bringen, ehe ein mit Bundesgeldern finanziertes Zentrum neu gegründet wird.
Das Wissenschaftsministerium, das die Wegzugs-Gefahr des Kollegs für übertrieben hält, will sich aber nicht unter Druck setzen lassen. Kunst betonte, dass die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ein nachgewiesen gutes Umfeld für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Judentum und die Rabbinerausbildung sei, wovon etwa die bevorstehenden Gründung des Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg zeuge. Ein wichtiger Schritt dahin sei zunächst die Gründung eines Departments an der Universität. Zu einem von der Hochschulleitung vorgelegten Vertrag werde sich das Ministerium zeitnah äußern, sagte Kunst.
Für das Zentrum für Jüdische Studien unter dem Dach der Universitäten Berlin und Brandenburg will der Bund 4,3 Millionen Euro geben. Dort sollen künftig die beiden großen Strömungen des Judentums, liberal und konservativ, vertreten sein, weshalb das Zentrum unter Fachleuten als einzigartig in Europa gilt. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) strebt die Gleichstellung der Imam- und der Rabbinerausbildung mit der christlichen Theologie auf Ebene der Hochschulen in Deutschland an. Nach einer Empfehlung des Wissenschaftsrates Anfang 2010 hatten sich die Rabbinerkonferenz und die Kultusministerkonferenz für den Standort Potsdam ausgesprochen. Hintergrund ist auch, dass sich die Region Berlin-Brandenburg gegenwärtig zu einem Zentrum des neu erwachenden jüdischen Lebens in Deutschland entwickelt.
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