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Brandenburgs Innenminister René Wilke sprach am Sonntag nach der Attacke in Bad Freienwalde vor Ort mit Einsatzkräften.

© dpa/Christoph Soeder

„Allein auf Polizeipräsenz zu setzen, reicht nicht“: Gewerkschaft fordert nach Attacke von Bad Freienwalde bessere Sicherheitskonzepte

Vermummte greifen ein Toleranzfest in der brandenburgischen Provinz an. Einsatzkräfte kommen zu spät. Doch eine Polizei-Gewerkschafterin sagt: Die Beamten können nicht allein helfen.

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Nach der Attacke mehrerer Vermummter auf Teilnehmer eines Toleranzfestes in Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland)  fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Brandenburg angepasste Sicherheitskonzepte für solche Feste und „eine bessere Koordinierung der Kräfte“. „Das Personal der Polizei Brandenburg ist endlich. Sollten, wie so oft im Sommer, an vielen Orten Veranstaltungen stattfinden, muss sich die Behörde entscheiden, wohin die Kräfte entsendet werden“, sagte GdP-Landeschefin Anita Kirsten am Montag dem Tagesspiegel.

Kritik an fehlender Polizeipräsenz in Bad Freienwalde

Nach der Attacke hatte es Kritik an der Polizei gegeben, die nicht schnell genug eingeschritten sei. Der Flüchtlingsverein „Wir packen’s an“, dessen Mitglied am Sonntag bei der Attacke verletzt wurde, forderte, mögliche Versäumnisse beim Polizeischutz aufzuarbeiten.

Einsatzkräfte der Polizeidirektion Ost waren in Bad Freienwalde präsent, wie das Landespolizeipräsidium in Potsdam auf Anfrage mitteilte. „Zum Zeitpunkt des Übergriffs befanden sich die eingesetzten Kräfte jedoch nicht unmittelbar dort, wo der Angriff passierte“, erklärte das Präsidium. Der Einsatz werde nachbereitet, die Erkenntnisse flössen in Lagebewertungen bei künftigen Versammlungen ein.

„Auch wenn Sicherheit und Ordnung unser polizeiliches Kerngeschäft sind, darf es nicht zur Normalität werden, dass öffentliche Feste nur noch unter Polizeischutz stattfinden können“

Anita Kirsten, Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Brandenburg

Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) war am Sonntag spontan nach Bad Freienwalde gefahren, um mit Betroffenen und der Polizei zu sprechen. Die Polizei bildete zur Aufklärung des Angriffs eine Ermittlungsgruppe unter Federführung des Staatsschutzes. Die Täter – zehn bis 15 Angreifer – sind noch nicht gefasst. Gegen sie wird wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt.

Polizei-Gewerkschaft: Grundsätzlich Veranstalter für Sicherheit zuständig

„Allein auf Polizeipräsenz zu setzen, reicht nicht“, erklärte GdP-Chefin Kirsten. Grundsätzlich seien Veranstalter und Organisatoren für die Sicherheit zuständig. Lageabhängig und nach konkreter Lagebeurteilung würden auch die Kräfte der Polizei als Unterstützung eingeteilt. „Auch wenn Sicherheit und Ordnung unser polizeiliches Kerngeschäft sind, darf es nicht zur Normalität werden, dass öffentliche Feste nur noch unter Polizeischutz stattfinden können“, sagte Kirsten.

Vor diesem Hintergrund fordere die GdP seit langem bundesweite Standards für Sicherheitsdienste inklusive Zuverlässigkeitsprüfung, regelmäßiger Schulung und behördlicher Aufsicht. Private Sicherheitsunternehmen seien teuer, Veranstalter wüssten nicht immer, wen sie sich „einkauften“, so Kirsten.

„Es gibt belegte Fälle, in denen Clanstrukturen oder Rockergruppierungen Sicherheitsfirmen gründen, um unter anderen Zugang zu Veranstaltungen zu erhalten, Drogenhandel, Erpressung oder Schutzgelder zu organisieren und damit ihre Macht- und Einflussbereiche auszuweiten“, sagte die GdP-Chefin. „Die öffentliche Sicherheit darf nicht an den billigsten Anbieter vergeben werden.“

Gleichzeitig forderte Kirsten mehr Prävention. „Gesellschaftlicher Zusammenhalt braucht mehr als Polizeipräsenz, es braucht Haltung, Solidarität und klare Grenzen gegen Hass“, so die Gewerkschafterin. „Der brutale Angriff auf das Fest in Bad Freienwalde ist ein Angriff auf uns als Gesellschaft.“ Insofern müsse man sich in Brandenburg „auch politisch ehrlich eingestehen: Wir haben ein ernstes Problem mit Hass und Hetze vom rechten Rand – und dem müssen wir uns konsequent entgegenstellen.“

Organisatoren des CSD Eberswalde halten an Konzept fest

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Uwe Adler, forderte zur Bekämpfung rechter Straftaten die Prüfung „beschleunigter Verfahren im Zusammenspiel zwischen Polizei und Justiz“. Dabei gehe es nicht nur um Freiheitsentzug als mögliche Strafe. Sozialstunden könnten für Sichtbarkeit und Wiedergutmachung sorgen.

Die Organisatoren des Christopher Street Days in Eberswalde (Barnim), der am Sonnabend stattfindet, wollen an ihrem Sicherheitskonzept nichts ändern. Dass es zu Angriffen kommen könne, sei ihnen schon vor dem Vorfall in Bad Freienwalde bewusst gewesen.

„Wir sind nicht überrascht. Es war eine Frage der Zeit, dass auch dieses Jahr wieder Angriffe auf Veranstaltungen, die für Vielfalt demonstrieren, passieren“, sagte Maximilian Armonies vom CSD Eberswalde auf Anfrage. „Wir werden bunt und vielfältig auf die Straße gehen. Wir lassen uns nicht einschüchtern und sehen erst recht jetzt den Bedarf dafür, einen CSD zu veranstalten“, so Armonies.

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