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Brandenburg: Anti-Terror-Einsatz in der Provinz

Brandenburg dient Islamisten und IS-Unterstützern als Rückzugsraum. Ein Verdächtiger wurde am Donnerstag im Oderbruch festgenommen. Er kam als Flüchtling nach Brandenburg

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Bliesdorf - Hamza C. ließ sich lange nicht blicken in Bliesdorf, einer Gemeinde mit knapp tausend Einwohnern am Rande des Oderbruchs im Landkreis Märkisch-Oderland. Fünf Monate lang holte er sein Geld nicht ab und war offenbar untergetaucht. Am Mittwoch war er plötzlich wieder da, um sich in dem Flüchtlingsheim die Sozialleistungen von rund 390 Euro auszahlen zu lassen.

Es war kein Zufall, dass wenig später, am Donnerstagmorgen, dann das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Brandenburger Polizei anrückte. Die Beamten nahmen Hamza C. fest und flogen ihn mit einem Hubschrauber zum Haftrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Er steht unter Terrorverdacht. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn und andere, Mitglied des IS zu sein.

Die Bundesanwaltschaft geht bisher davon aus, dass Hamza C., der am Freitag 28 Jahre alt wird, Syrer ist. Mitarbeiter bei der Ausländerbehörde des Landkreises Märkisch-Oderland bezweifeln das. Dort wird der Mann geführt mit „ungeklärte Herkunft“. Vermutet wird von der Behörde, dass er auch ein Palästinenser sein könnte.

Hamza C. war im vergangenen Sommer nach Brandenburg gekommen. Er soll sich im Frühjahr 2014 in Syrien dem IS angeschlossen haben, laut Bundesanwaltschaft erhielt er den Auftrag, einen Anschlag in Düsseldorf zu verüben. Im Mai 2014 reiste er in die Türkei, von dort 2015 über Griechenland nach Deutschlands – als Flüchtling.

Registriert wurde der Mann erstmals am 31. Juli in der Zentralen Erstaufnahmestelle des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. Wenige Wochen später brachten ihn die Behörden in Bliesdorf unter. Das Heim liegt am Rande eines Gewerbegebietes, außerhalb des Dorfes. 240 Asylbewerber, Syrer, Eriträer, Afghanen und Tschetschenen, leben derzeit in dem Block, bis vor zwei Jahren wurden in dem Haus noch Maurerlehrlinge ausgebildet. Doch in Bliesdorf war er nur vier Monate, dann tauchte er unter. Bislang hatte Hamza C. nur eine Aufenthaltsbefugnis, sein Asylverfahren lief noch. Einen Job durfte er also noch nicht annehmen.

Aus Brandenburgs Innenministerium hieß es, der Fall zeige, wie hoch und ernst zu nehmen die Bedrohung durch islamistische Terroristen sei. Man müsse davon ausgehen, dass in Deutschland jederzeit, Anschläge verübt werden können. „Wir müssen davon ausgehen“, dass sich weitere IS-Terroristen in Brandenburg aufhalten, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Man dürfe die Asylbewerber aber nicht über einen Kamm scheren, viele von ihnen seien vor dem Terror des IS geflüchtet – und sie gäben der Polizei immer wieder Hinweise zu Islamisten und Terrorverdächtigen.

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden dient Brandenburg mit der Nähe zu Berlin Islamisten als Rückzugsort und Ausgangspunkt zur Unterstützung oder Rekrutierung für den IS. Gegen 200 Islamisten wird ermittelt. Der Verfassungsschutz beobachtete 2015 etwa 80 als gefährlich eingestufte Islamisten – doppelt so viele wie im Jahr zuvor, Tendenz weiter steigend. Ebenso bei den sogenannten Gefährdern, denen Gewaltakte und Terroranschläge zugetraut werden. Ihre Zahl hat sich bis 2015 auf fast zehn verdoppelt.

Bislang hatten die Ermittler vor allem Islamisten aus Tschetschenien und dem Nordkaukasus, die schon einige Jahre hier leben, im Visier. Die etwa 80 in Brandenburg als Asylbewerber lebenden Tschetschenen sollen sich dem „Islamischen Staat“ (IS) und Terrorchef Abu Bakr al-Baghdadi unterstellt haben. Schwerpunkt dieser Gruppe in Brandenburg ist die Region um Strausberg in Märkisch- Oderland, also jene Region östlich von Berlin, wo nun Hamza C. gefasst wurde.

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden kommt es immer wieder auch zu Anwerbeversuchen in Asylunterkünften. Es gab auch Festnahmen. Drei Islamisten aus Brandenburg reisten 2014 in die Bürgerkriegsgebiete in Syrien und Irak aus. Anfang 2015 war in einem Potsdamer Asylheim ein 30-Jähriger aus Dagestan festgenommen worden, er gehörte zu einer islamistischen Logistikzelle in Berlin, die schwere staatsgefährdende Gewalttaten in Syrien vorbereitet haben soll. Ende März wurde ein syrischer Asylbewerber aus Potsdam-Mittelmark wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland festgenommen. Der 19-Jährige soll laut Bundesanwaltschaft bis 2015 in Syrien an IS-Militäroperationen beteiligt gewesen sein, aber keine Anschläge in Deutschland geplant haben.

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