Brandenburg: Ärger mit Ansage
Dieter Hallervorden kündigt die Mohrenstraße an – für die BVG ein Werbegag, für andere ein Affront
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Berlin - Seit Dienstag begleiten die Stimmen zahlreicher Prominenter die Fahrgäste der Berliner U-Bahn-Linie 2 – um einen namhaften Ansager gibt es jetzt Streit. Es ist Dieter Hallervorden, der die Haltestelle „Mohrenstraße“ ansagt. Das stößt in der schwarzen Community Berlins auf Unmut.
In der vom RBB-Radio 88,8 initiierten Aktion „Mach mal ’ne Ansage“ der BVG ersetzen Frank Zander, Anastacia und viele weitere die anonyme BVG-Stimme. Das hört sich mal mehr, mal weniger gut an. Mehr, wenn Comedian Murat Topal lautstark das „Märkische Museum“ ankündigt, weniger, wenn Marius Müller-Westernhagen den „Potsdamer Platz“ annuschelt. Die Ansage „Mohrenstraße“ jedoch klingt einigen Berlinern besonders rau in den Ohren.
Christian Kopp vom Verein Berlin Postkolonial sagt dazu: „Soll die Black Community Berlins provoziert werden, oder warum wählt man ausgerechnet diesen fragwürdigen Komiker aus, um den kolonialrassistischen Stationsnamen einzusprechen?“ Kopp, dessen Verein sich eine kritische Würdigung der Spuren des Kolonialismus in Berlin zur Aufgabe gemacht hat, bezieht sich auf die Debatte um das 2012 von Hallervorden am Schlossparktheater inszenierte Stück „Ich bin nicht Rappaport“ von Herb Gardner, in dem ein weißer Joachim Bliese mit viel schwarzer Schminke die Rolle des Midge spielte. Für dieses sogenannte „Blackfacing“ war Hallervorden von Berliner Vertretern der schwarzen Community kritisiert worden. Ihn jetzt als BVG-Ansager für die „Mohrenstraße“ zu hören, ist da für manche ein Affront.
Bei den Verkehrsbetrieben hält man den Vorwurf der Provokation für „völlig absurd“, wie eine Sprecherin mitteilt. Die Straße heiße nun einmal so. Die Zuteilung der Haltestellen und Sprecher sei auch nicht von der BVG vorgenommen worden, sondern vom RBB. Dabei sei es ausschließlich um pragmatische Gesichtspunkte gegangen, etwa die Verständlichkeit der Aufnahme. Auf der Website des RBB ist auch zu finden, dass die „Mohrenstraße“ nach einer „Delegation afrikanischer Repräsentanten aus der Kolonie Großfriedrichsburg (das spätere Ghana) benannt wurde“. Mit Sklaven habe der Name nichts zu tun, sagt auch die Sprecherin der BVG.
Die Vertreter von Berlin Postkolonial sehen das etwas anders. „Der Straßenname geht auf den menschenverachtenden Brandenburger Sklavenhandel zurück und verletzt massiv die Würde schwarzer Menschen: Diskriminierende Fremdbezeichnungen sind nur lustig für Rassisten“, sagt Kopp. Die Ansage von Hallervorden selbst sei nicht rassistisch, findet Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, allerdings sieht er eine verpasste Chance, auf das problematische koloniale Erbe in der Stadt aufmerksam zu machen. „In der Debatte um ,Ich bin nicht Rappaport‘ hat Herr Hallervorden sich so dargestellt, als würde ihm Rassismus angedichtet, jetzt hätte er die Möglichkeit gehabt, sich davon zu distanzieren. Wenn ihm diese Haltestelle zugeteilt wurde, wäre es eine Chance gewesen, in der Ansage kritisch zum Straßennamen Stellung zu beziehen. Er hätte seine Prominenz dazu nutzen können, dem Thema Gewicht zu verleihen. Das hat er leider nicht getan“, sagt Della.
Dieter Hallervorden selbst verweist darauf, dass ihm die Haltestelle vom RBB vorgeschlagen wurde. „Ich habe das arglos gemacht. Das in Verbindung zu bringen mit ,Rappaport‘, ist völlig abwegig“, sagt er. Den Straßennamen zu ändern, liege nicht in seiner Verantwortung. Aber: „So wie die Mohrenstraße umbenannt wird, sage ich sie neu an.“
Genau darum bemüht sich die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland seit Jahren, auch wieder am 29. Januar. Im Rahmen der AG Geschichte der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) versucht sie in einer Debatte erneut aufzuzeigen, warum der Name für schwarze Menschen beleidigend ist und es Änderungsbedarf gibt. Einen alternativen Vorschlag gibt es schon: Nelson-Mandela-Straße. Im Netz allerdings kursiert noch eine andere Idee: „Möhrchenstraße“. Die könnte dann ja Helge Schneider ansagen.
Pascale Müller
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