Von Alexander Fröhlich: „Ärzte sollen behandeln und nicht putzen gehen“ Spätaussiedler und jüdische Migranten können in Brandenburg
dank eines bundesweiten Pilotprojekts wieder als Mediziner arbeiten
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Potsdam – Vadim Romanov kann endlich wieder arbeiten – und zwar in seinem erlernten Beruf. 2005 kam der jüdische Immigrant aus der russischen Ural-Stadt Jekaterinenburg nach Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern. Mit Ein-Euro- Jobs musste er sich abfinden, mit dem Hartz-IV-Amt schlug er sich herum, nicht mal ein Praktikum durfte er machen. „Ich saß zu Hause herum und konnte nichts machen“, sagt der 51-Jährige. Ganz langsam spricht er, überlegt sich jedes Wort und übertreibt maßlos, wenn er meint: „Ich kann nicht so gut Deutsch, wissen sie.“ Auf der Arbeit verständigt er sich oft mit Englisch und Latein, das sind Fachsprachen für Romanov – er ist Gynäkologe, war als solcher 20 Jahren in Russland tätig und ist es nun wieder seit zwei Wochen im Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum.
Möglich wurde das dank eines bundesweiten Pilotprojektes des Brandenburger Gesundheitsministeriums für Spätaussiedler und jüdische Immigranten aus Russland, Kasachstan, Usbekistan, der Ukraine und Turkmenistan. Bis zu 15 Jahre lebten sie schon in Deutschland, als Ärzte arbeiten durften sie nicht. Wie die meisten zugewanderten Akademiker lebten sie von Sozialleistungen oder hatten schlecht bezahlte Jobs, viele als Reinigungskraft.
Dabei haben immerhin 70 Prozent der jüdischen Zuwanderer studiert – für das Potsdamer Sozialministerium ungenutztes Potenzial, besonders wenn es um Mediziner geht. „Ärzte sollen Patienten behandeln und nicht putzen gehen“, erklärte Brandenburgs Integrationsbeauftragte Karin Weiss gestern zum Abschluss des Projekts. Denn der Ärztemangel wird laut Landesärztekammer immer dramatischer. Wie berichtet steigt dadurch auch die Unzufriedenheit der hiesigen Patienten, besonders mit der Facharztversorgung und der Entfernung zum nächsten Arzt. Nach einer Studie der Wirtschaftsberatung Ernst & Young ist Brandenburg ins Sachen Qualität bundesweit Schlusslicht, für 58 Prozent der Befragten Märker hat sich der Umfrage zufolge die Qualität der ärztlichen Versorgung verschlechtert. Gestern erklärte Gesundheitsministerin Ziegler (SPD), in einigen Regionen gebe es viel zu wenige Haus-, Frauenärzte und Augenärzte.
Mit verschiedenen Instrumenten versucht Ziegler gegenzusteuern (siehe Kasten). Ein weiterer Baustein im Kampf gegen den Ärztemangel ist das Projekt für zugewanderte Mediziner. Zehn Monate lang wurden 21 Männer und Frauen seit März 2008 auf die Prüfung der Ärztekammer vorbereitet, damit ihr Berufsabschluss in Deutschland als gleichwertig anerkannt wird. 17 von ihnen erhielten gestern ihre Urkunde. Neben Vadim Romanov haben zwei weitere von ihnen bereits eine Stelle als Assistenzarzt. Ziegler hofft, dass die übrigen Absolventen ebenfalls in Brandenburg „kleben bleiben“. Seit März 2008 wurden der vierfache Vater Romanov und die anderen Teilnehmer geschult. Zuerst machten sie einen Kurs in deutscher Fachsprache, dann absolvierten sie Praktika in märkischen Kliniken, schließlich wurden sie intensiv auf die Prüfungen der Ärztekammer vorbereitet. 150 000 Euro kostete das alles, Mittel aus dem Europäischen Sozialfond und Landesmittel flossen. Nun will das Gesundheitsministerium ein Nachfolgeprojekt auflegen, um die Mediziner nach der Prüfung beim zweiten Berufseinstieg in Deutschland weiter zu begleiten. Der Bedarf für weitere Mediziner wird geprüft.
Auch für Pädagogen und Sozialwissenschaftler ist derzeit ein ähnliches Programm zur beruflichen Integration angedacht.
Bundesweit sorgt Brandenburg mit der Integration ausländischer Ärzte inzwischen für Aufsehen. Auch andere Länder zeigen Interesse und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet Ziegler zufolge nun an einer deutschlandweiten Regelung für zugewanderte Ärzte.
Für Romanov waren die zehn Monate eine entbehrungsreiche Zeit. „Ich habe meine Fachkenntnisse verbessert“, sagt er. Vorerst ist er als Assistenzarzt angestellt, steht aber schon im Operationstisch. Nur Brust-Eingriffe darf er nicht vornehmen – noch. „Ohne Fleiß kein Preis.“
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