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Protest-Sperre. Mit Stacheldrahtrollen ist das Atomzwischenlager Nord in Lubmin abgesichtert. Dorthin werden nächste Woche Castoren mit westdeutschem Atommüll von Frankreich aus rollen.

© Stefan Sauer/dpa

Von Alexander Fröhlich: Atomkraftgegner machen mobil

Protestaktionen sollen am heutigen Samstag beginnen. Strecke für Castor-Transport ist weiter geheim

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Potsdam - Durch Brandenburg rollt nächste Woche ein Castor-Transport mit hoch radioaktivem Atommüll. Polizei und Atomkraftgegner bereiten sich seit Tagen intensiv darauf vor. Auf welcher Bahnstrecke genau der Zug mit vier Behältern vom französischen Cadarache aus und ins Zwischenlager nach Lubmin bei Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) fährt, ist unklar. Die Kernelemente stammen aus dem früheren Kernforschungzentrum Karlsruhe und vom Atomfrachter „Otto Hahn“.

Brandenburgs Innenministerium hält sich bislang bedeckt. „Zeit und Route des Transport werden nicht mitgeteilt“, sagte Ministeriumssprecher Geert Piorkowski. Dies unterliege der Geheimhaltung. „Voraussichtlich wird der Transport nur über einen kleinen Streckenabschnitt durch Brandenburg fahren.“ Atomkraftgegner ziehen aus derlei Äußerungen eigene Schlüsse. „Die Hinweise verdichten sich, dass der Zug am Donnerstag von Magdeburg über Stendal in Sachsen-Anhalt über Wittenberge in der Prignitz und von dort weiter Richtung Rostock fährt“, sagt Bernd Ebeling von der Antiatom-Gruppe Contratom. „Das wäre die kürzestes und schnellste Strecke und ist zudem gut ausgebaut.“ Ähnliche Signale kommen auch aus dem Nachbarland. „Wir gehen davon aus, dass die Hauptroute in der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember durch Sachsen-Anhalt führt“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Magdeburg. Allerdings könne sich das je nach Witterung und durch Blockaden von Atomkraftgegnern ändern. Die konkrete Route lege das Eisenbahn-Bundesamt kurzfristig fest.

Damit kommen auch andere Strecken in Frage: Zwei Routen führen über Bad Belzig und Potsdam oder Luckenwalde und Ludwigsfelde. Weil der West-Ring der Bahn nach Norden wegen des Baus einer Havel-Brücke in Hennigsdorf (Oberhavel) blockiert ist, könnte der Castor-Zug nur über Schönefeld und Berlins Osten geführt werden – durch Köpenick, Biesdorf, Hohenschönhausen und Karow. Von dort ginge es über Bernau, Eberswalde und Prenzlau weiter, alternativ über Oranienburg. Dort hat die Nachricht helle Aufregung ausgelöst, weil im Boden der Stadt extrem viele Bomben-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg liegen. Eine nächste Wochen angesetzte Entschärfung ist abgesagt. „Das Risiko in Oranienburg ist wegen der Bombenaltlasten zu groß“, sagt Rathaus-Sprecher Björn Lüttmann. „In einer Situation, in der wegen der Bomben der Schwerlasttransport eingeschränkt ist und Busse umgeleitet werden, ist ein Castor-Transport einfach nicht angebracht.“ Davor hat Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) das Innenministerium gewarnt, Eisenbahnbundesamt und das Bundesamt für Strahlenschutz sind nun informiert.

Vielerorts rufen Parteien wie SPD, Linke und Grüne sowie Initiativen zu Protesten auf. Zentraler Auftakt ist am heutigen Samstag eine Großdemonstration in Greifswald, in Mecklenburg-Vorpommern rief Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) zu Protesten auf. In Brandenburg soll es in Oranienburg, Bad Belzig und Potsdam Aktionen geben, auch Blockaden. In Biesenthal (Barnim) soll es zwei Tage lange eine Mahnwache geben. Die Grünen wollen am Donnerstag flexibel zu den tatsächlichen Routen fahren. Landesparteichef Benjamin Raschke bemerkt inzwischen eine Wandel in Ostdeutschland, wo der Protest im Vergleich zu Castor-Transporten wie Anfang November ins Wendland bislang gering war. „Wegen der verlängerten Laufzeiten für Kernkraftwerke erstarkt die Anti-Atom-Bewegung auch im Osten. Das Thema treibt die Menschen auf die Straße, die Zahl der Mitstreiter steigt.“ Auch Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) ist skeptisch: Er kenne keinen, der über den Castor-Transport und den Polizeieinsatz „glücklich ist“. Die Bundesregierung fahre mit den verlängerten Atomlaufzeiten „auf einem gefährlich-falschen Gleis“.

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