zum Hauptinhalt

Brandenburg: Auch ohne Spitzel die NPD im Blick

Berlin zieht die V-Leute aus der rechtsradikalen Partei ab. Innenbehörde fühlt sich trotzdem gut informiert

Stand:

Berlin/Potsdam - „Ich halte es in einer Demokratie für ungehörig, wenn ein Spitzenfunktionär einer verfassungswidrigen Partei gleichzeitig V-Mann ist, vom Staat Geld bekommt“, sagte gestern Ehrhart Körting, der wegen seiner Aussagen zu V-Leuten in der NPD in die Schusslinie geratene Berliner SPD-Innensenator. Womit er, als Innensenator auch oberster Verfassungsschützer Berlins, ziemlich deutlich beschrieb, worum es bei dem aktuellen Streit eigentlich geht. Der immer wieder von Affären begleitete Einsatz von V-Leuten der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, der nach dem Körting-Eklat wieder ins Rampenlicht rückt, ist geheimnisumwittert. Selbst die Zahlen über die verdeckten Informanten der Geheimdienste, die – teilweise gegen Bares – Interna liefern, sind geheim. Doch wurde etwa beim gescheiterten NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe bekannt, dass staatliche V–Leute selbst in diversen Vorständen bis hin zur Bundesspitze der rechtsradikalen Partei saßen.

Was bedeutet es jetzt konkret, wenn die Länder Berlin, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz ihre V-Leute in NPD-Landesvorständen und dem Bundesvorstand „abgeschaltet“ haben? „Es handelt sich nicht um Eingeschleuste. Sie sind aus der Szene angeworben worden, sie bleiben dort, liefern aber keine Informationen mehr“, erklärt ein Verfassungsschützer.

Die Meinungen, ob man V-Leute in solchen Führungspositionen überhaupt braucht, ob man die Informationen auch auf anderen Wegen beschaffen kann, auch unter Sicherheitsexperten geteilt: Die Informationen aus Vorständen seien „unverzichtbar“, hieß es aus der Potsdamer Verfassungsschutzbehörde. Ein Abzug von V-Leuten aus der NPD könne „die polizeiliche Arbeit gefährden“, warnte auch Andreas Schuster, Brandenburgs Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. Und im Innenministerium in Potsdam wird darauf verwiesen, dass alle deutschen Verfassungsschutzbehörden untereinander kooperieren, es nach dem Abzug einiger V-Leute aus NPD-Vorständen naturgemäß Informationsverluste gebe: Doch können Berlin und die Länder weiter auf anderswo gewonnene Erkenntnisse zurückgreifen.

Andererseits kann der Berliner Verfassungsschutz auch ohne Spitzel in der NPD-Spitze detailliert über wachsende Spannungen und Kämpfe innerhalb der Landes-NPD informieren. Etwa darüber, dass der amtierende Berliner Landesvorsitzende Jörg Hähnel mit Rücktrittsforderungen konfrontiert wird und es im Verband ein Hauen und Stechen gibt; oder darüber, dass die ehemalige Kreisvorsitzende von Marzahn-Hellersdorf erklärte, dass „sie mit kompromittierenden privaten Fotos durch den Landesvorsitzenden sowie den Ordnungsdienstleiter der Bundes-NPD unter Druck gesetzt worden sei“. Auch die Quelle wird auf der Homepage des Berliner Nachrichtendienstes genannt: eine „Verlautbarung“ auf „einem rechtsextremistischen Internetportal am 9. Februar2009“.

Nicht nur Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kritisiert Berlins neue Linie. Finanzminister Rainer Speer, der als möglicher Innenminister nach der Landtagswahl im Herbst gehandelt wird, mahnte eine größere Sensibilität an: „Ich halte es für falsch, wenn es in dieser Frage ein Gegeneinander von SPD und CDU gibt.“ Ein neues NPD-Verbotsverfahren könne man „nur gemeinsam stemmen“, sagte er den PNN. Es sei „unsinnig, wenn einige Länder ihre V-Leute abziehen und andere nicht. Und wenn das auch noch öffentlich diskutiert wird.“ Auch in der brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde sorgt der Abzug der V-Leute in Berlin dem Vernehmen nach für Verstimmungen: Wichtige Informationen über Strategien und Pläne bekomme man nicht beim Fußvolk, hieß es. „Es ist hahnebüchen, wenn die NPD in Berlin sicher sein kann, dass der Staat sie gewähren lässt“, sagte CDU-Innenexperte und Verfassungsschützer Sven Petke. „Das wirft die Frage der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich auf.“.Thorsten Metzner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })