
© Björn Stelley
Ortstermin in Brandenburg: Auf Perseidenjagd im Havelland
PNN-Autor Torben Lehning musste an einem der dunkelsten Orte Deutschlands feststellen, dass der Kometenstaub der Perseiden den Wolken völlig Schnuppe war.
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Mirow - Begeisterte Sternenfans, Dreißig an der Zahl, ein „Bild-Online“- ein „Morgenpost“- und ein „N24“-Reporter treffen sich auf einem Sportplatz im Westhavelland und schauen in den bewölkten Himmel. Was zunächst nach dem Beginn einer schlechten Posse klingt, ist in Wahrheit ein Kampf am Himmel. Perseus, Namensgeber der schön anzusehenden Perseiden, gegen Petrus, heute verantwortlich für die Enttäuschung vieler Erwartungen.
Keine der feinsäuberlich aufgestellten, roten Liegen, die am Mittelkreis des Mirower Fußballplatzes aufgereiht wurden, bleibt heute leer. Der Wind weht am späten Mittwochabend seicht über den sportlich rasierten Rasen, es riecht nach Autan und Kaffee, heute Nacht soll es Kometenstaub regnen. Die Grillen zirpen, die Liegenden tuscheln, doch man vernimmt kein „Ooohs“ und „Aaahs“. Das Himmelsspektakel ist der Wolkendecke wohl recht schnuppe. Die Menge bleibt still.
Für die Sternschnuppennacht gewappnet
Valentin aus Wernigerode genießt mit seiner Familie die Ferien in Brandenburg. Die große Sternschnuppennacht wollen sie alle nicht verpassen. Passend zum großen Anlass hat der Zwölfjährige etwas vorbereitet. Sein Wunschzettel liegt auf seinem Schoß. Was genau auf seiner Wunschliste steht, möchte er nicht verraten. Es blinkt im Himmel, kurz schreckt er auf – Fehlalarm: ein Flugzeug fliegt gen Osten.
Die Verantwortlichen des Perseidenwatchings stehen gelassen am Rand der Liegen und tauschen sich über die Irrungen und Wirrungen von Naturschauspielen aus. „Da steckt man nicht drin“, weiß Rolf König, ehemaliger Leiter des Potsdamer Planetariums, zu berichten. „Da kann man noch so perfekt ausgerüstet sein, eine Wolke und die ganze Vorbereitung ist für die Katz.“ Eine Stunde lang referierte König zuvor über die Schönheit der Perseiden. Die Sternenfans hingen an seinen Lippen und bestaunten die Fotografien auf der Leinwand des Präsentationsraums im Naturparkzentrum. König hatte sogar eine Überraschung im Gepäck: echte Kometenstücke. Seine Freunde vom Astronomiekongress hatten sie ihm zum 50. Geburtstag überreicht. Jetzt wollen die Wartenden belohnt werden – sie wollen echte Sternschnuppen sehen, es muss doch möglich sein. Doch es bleibt dunkel.
Dunkelster Ort im "Sternenpark Westhavelland"
An der Vorbereitung liegt es nicht. Der Experte ist eingeladen, die Liegen sind bequem, mehr kann Frau Langgemach, Leiterin des Naturparkzentrums, jetzt nicht mehr tun. Seit einem Jahr arbeitet die 50-Jährige unter Einbindung aller umliegenden Kommunen an dem Erhalt des Titels „Sternenpark Westhavelland“.
Das ist gar nicht so einfach, wie man denkt. Die Beleuchtung in der Kernregion von Deutschlands dunkelstem Ort muss so gering wie möglich gehalten werden. „Das ist stromsparend und naturfreundlich“, sagt sie. Was das PR-Marketing des neuen Sterngucker-Mekkas betrifft, betrete man jeden Tag Neuland, sagt Langgemach. Doch das Interesse an der Dunkelheit und dem klaren Sternenhimmel wächst stetig.
Hämische Botschaften aus Berlin
Eine Mission, die König und Langgemach teilen: Die Menschen für die Schönheit der Natur und der Sterne zu begeistern. Der ehemalige Planetariumsleiter zeigt auf die vielen Kinder unter den stoisch wartenden Sternenfans. „Wo sieht man denn heute noch Jugendliche, die sich für den Himmel interessieren? Die meisten kennen Sterne doch nur noch von Schulbesuchen im Planetarium“, sagt König.
Kurz vor Mitternacht, die Medienvertreter werden allmählich unruhig. Der Himmel scheint nicht aufzuklaren, jeder der anwesenden Sternefans wurde mindestens schon zwei Mal interviewt und die über der Menge kreisenden Fledermäuse haben auch keinen wirklichen Nachrichtenwert. Die ersten roten Liegen leeren sich. Ob es im Osthavelland gerade genauso ist? Ein Wartender bekommt die SMS seiner Freundin aus Berlin, in der die hämische Botschaft zu lesen ist: „In Kreuzberg habe ich gerade eine Sternschnuppe gesehen.“ In Kreuzberg? „So ist das eben mit der Natur“, sagt König trocken.
Torben Lehning
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