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Zeichengeber. Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn . 

© dpa

Brandenburg: Ausgegrabene Millionen

Der Haushaltsausschuss des Bundestages diskutiert heute über die nächste BER-Tranche. Sogar das Wort „Baustopp“ macht nun die Runde. Die Warnung halten viele für übertrieben

Stand:

Potsdam/Berlin - Die Flughafengesellschaft sorgt bei den Gesellschaftern mit einer Warnung vor einem drohende Liquiditätsengpass für Verwirrung. Vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages, der eine Tranche von 26,5 Millionen Euro an Bundesmitteln bewilligen muss und deshalb heute BER-Chef Hartmut Mehdorn anhört, hat der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister, die Abgeordneten davor gewarnt, die Gelder weiter zu sperren. Sollten die Haushaltspolitiker die von der Flughafengesellschaft angeforderten Mittel nicht freigeben, „befürchtet die FBB, ab Mitte Mai über keine ausreichende Liquidität mehr zu verfügen“, schreibt Meister. „Eine Verzögerung der erforderlichen Kapitalzuführungen könnte einen Ausgaben- und Baustopp mit unabsehbaren Auswirkungen haben“, heißt es in dem Brief. Ursache für den Liquiditätsengpass sei, dass sich die Auszahlung des letzten Bankdarlehens über 119,1 Millionen Euro „voraussichtlich bis Juni 2014“ verzögere. Die Mitgesellschafter Berlin und Brandenburg seien bereits mit je 18,5 Millionen Euro „in Vorleistung getreten“.

In Brandenburgs Landesregierung als Mitgesellschafter hält man Mehdorns Warnung für nicht nachvollziehbar und unbegründet. „Uns liegen keine Informationen vor, dass der Gesellschaft die Liquidität ausgeht“, sagte ein Sprecher von Finanzminister Christian Görke (Linke), der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft ist. Auch in der Staatskanzlei von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) löste das Warnschreiben aus dem BundesfinanzministeriumVerwunderung aus. Man sei auch nicht in Vorleistung gegangen, sondern stelle beantragte Gelder bereit. Die Landesregierung in Potsdam verweist darauf, dass der Bund sich nur auf Aussagen der Flughafengesellschaft bezieht. Zudem vermutet man dahinter einen klugen Schachzug Mehdorns. Denn eigentlich stünden der Flughafengesellschaft genügend Gelder zur Verfügung. Im Gegensatz zum Haushaltsausschuss des Bundestags gibt es in Berlin und Brandenburg keinen Parlamentsvorbehalt für die Tranchen aus dem 1,2-Milliarden-Euro-Paket, das beide Länder und der Bund Ende 2012 bewilligt hatten.

Mehdorn soll heute in nicht öffentlicher Sitzung Auskunft geben, was bei dem Milliardenprojekt noch auf die Steuerzahler zukommt. Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist geladen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ließ sich wegen Terminkollisionen entschuldigen. Sein Sprecher sagte den PNN. Das Thema sei auch eine Angelegenheit des Bundes.

Grund für die Befragung ist ein Bericht des Bundesrechnungshofes, der auch im Widerspruch zu Mehdorns Warnung vor einem Liquiditätsengpass steht. Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass der BER- Wirtschaftsplan zu vage sei, nicht detailgenau die Kosten für einzelne Baumaßnahmen darlege, keine Liquiditätsplanung enthalte, Risiken unzureichend darstelle und für das Jahr 2015 kaum „aussagekräftig ist“. Nach Mehdorns Plan bleiben 2015 für wenige Monate noch 150 Millionen Euro. Und für 2014 hat der Aufsichtsrat 754 Millionen Euro bewilligt, davon 382 Millionen Euro für den Schallschutz und rund 350 Millionen Euro für Planung und Bau. Der Bundesrechnungshof bezweifelt sogar, ob die Flughafengesellschaft „das für das Jahr 2014 vorgesehene Investitionsvolumen planerisch und baulich umsetzen kann“. Bei Schallschutz etwa sind 730 Millionen Euro nötig, aber bislang erst 50 Millionen Euro ausgegeben worden, weil die Umsetzung stockt. Es müsste also genügend Geld vorhanden sein, heißt es in Potsdam.

Dennoch fordert Mehdorn von Berlin, Brandenburg und dem Bund als Eigentümer des Flughafens weitere 1,1 Milliarden Euro, was den Finanzrahmen auf 5,4 Milliarden Euro erhöhen würde. Der Haushaltsausschuss des Bundestages und Brandenburgs Landesregierung bemängeln nicht nur, dass Mehdorns Finanzplan nicht belastbar ist, sondern pochen auch auf belastbare Angaben, wie der Ende 2012 bewilligte Zuschuss von 1,2 Milliarden Euro im Detail ausgegeben wird.

In Brandenburg hat Mehdorn ohnehin schon Verärgerung ausgelöst. Dem BER-Sonderausschuss des Landtags am Montag blieb er fern, er hatte sich ohne Begründung entschuldigt. Er feierte stattdessen mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) dessen 70. Geburtstag. „Der Ausschuss wird im Zweifel deutlich machen, wie er seine Arbeit gewürdigt sieht, wenn der Geschäftsführer erneut irgendwo feiern geht“, sagte Linksfraktionsvize Stefan Ludwig. Die Opposition warf Mehdorn Missachtung des Landtags und des Landes als Geldgeber vor. „Jeder setzt seine Prioritäten, Herr Mehdorn hat ganz klar gezeigt, was er von den Problemen des Flughafens und vom Landtag Brandenburg hält, nämlich nichts“, hieß es von den Grünen. Bereits vor einem Monat hatte Mehdorn den Ausschuss brüskiert. Als er einen von ihm wegen Kritik gefeuerten Spitzenmitarbeiter im Ausschusssaal sah, stürmte er wieder hinaus.

Auch am Dienstag blieb Mehdorn schweigsam – zumindest öffentlich. Die Flughafengesellschaft ließ Anfragen unbeantwortet. Mehdorn selbst redete lieber vor ausgewähltem Publikum auf Einladung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte über „Management von Großprojekten aus der Sicht der Führungsebene“. Das Thema ist zugeschnitten auf den Flughafenchef, doch leider durfte die Presse nicht zuhören. „Der Vortragende“ habe darum gebeten, heißt es. Mehdorn möchte mal ungestört erzählen, wie es wirklich ist, so ein Leben als Großprojektmanager. Nach anderthalb Stunden Vortrag und Diskussion schallt kräftiger Applaus durch den Hörsaal. Der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Ulrich Kamecke, fand Mehdorns Ausführungen „sehr unterhaltsam“. Der Manager habe mal seine Sicht der Dinge dargestellt. Mehdorn, danach angesprochen auf die Probleme, die Geldsorgen, die Kritik des Bundesrechnungshofes, blieb einsilbig und eilte davon: „Langes Thema, nicht jetzt.“ (mit HB, sib, loy)

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