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Braunkohle-Abbau in Brandenburg: „Bei Vattenfall gilt: ohne CCS kein Braunkohlestrom“

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Wolfgaang Neskovic über eine geänderte Strategie beim schwedischen Staatskonzern und die Erkenntnis, dass die Zukunft der Lausitz in Stockholm entschieden wird - und nicht in Potsdam

Stand:

Herr Neskovic, Sie waren mit der Deutsch-Nordischen Parlamentariergruppe des Bundestags in Schweden, es ging um Energiepolitik, Braunkohle und damit auch um Brandenburg. Wie also sieht es auch mit der Kohle-Strategie des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall und der unterirdischen Verpressung von Kohlendioxid (CO2 ) – also mit der CCS-Technologie?

Vattenfall hat seine Unternehmensziele nach der Reichstagswahl im Herbst 2010 neu definiert. In einer neuen Regierungsdirektive ist Vattenfall aufgefordert worden, neben der Gewinnerzielung auch eine ökologisch-nachhaltige Politik zum Unternehmensziel zu erklären. Der Konzern hat deshalb ausdrücklich entschieden, dass es ohne CCS keine weitere Braunkohleverstromung geben wird. CCS lehnt aber der Sachverständigenrat der Bundesregierung gerade aus Gründen der Nachhaltigkeit bei der Braunkohleverstromung als ungeeignet ab. Allein schon deswegen hat nach der offiziellen Unternehmenspolitik von Vattenfall die Braunkohleverstromung in der Lausitz mittelfristig keine Chance, wenn CCS entfällt.

Nun wollen offenbar aber Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) nicht mehr viel vom eigenen Versprechen wissen, dass es ohne CCS keine neuen Tagebaue und Kraftwerke geben soll. Sie setzen auf längere Verstromung auch ohne CO2-Lager. Was sagt denn die Politik in Schweden?

Wir haben mit Mitgliedern sämtlicher Fraktionen des schwedischen Reichstages, Mitgliedern des zuständigen Wirtschaftsausschusses, mit hochrangigen Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und führenden Vertretern der Vattenfallzentrale gesprochen. Es gab bei den Abgeordneten des schwedischen Reichstages keinen einzigen – gleich welcher Partei – der für die längerfristige Verstromung der Braunkohle auch in Deutschland eingetreten ist. In Schweden gibt es aber noch kein gewachsenes Bewusstsein dafür, dass durch den Tagebau ganze Landschaften förmlich ausradiert werden. Ein Abgeordneter der schwedischen Grünen hat, nachdem ich auf diesen Sachverhalt im Gespräch hingewiesen habe, gesagt, seit König Gustaf Adolf im Dreißigjährigen Krieg habe kein Schwede soviel landschaftliche Verwüstung in Deutschland hinterlassen wie die schwedische Firma Vattenfall. Das hat die schwedischen Kolleginnen und Kollegen erkennbar beeindruckt. Das Erstaunen war groß über die konkreten Auswirkungen für die Landschaft und für Menschen, die umgesiedelt werden.

Und Platzeck und Christoffers?

Bis vor kurzem haben sie noch erklärt, auch für sie käme eine langfristige Braunkohleverstromung ohne CCS nicht in Frage. Damit waren sie lediglich Sprachrohr von Vattenfall. Die Abkehr vom eigenen Versprechen entspricht dem, was die Vattenfall-Spitze in der Lausitz von sich gibt. Dort ist die Direktive aus Schweden entweder noch nicht angekommen oder man will sie nicht verstehen. Mir wurde bei Gesprächen in Cottbus klar, dass die personellen und inhaltlichen Veränderungen in Schweden bei Vattenfall in Deutschland überhaupt noch nicht angekommen zu sein scheinen. Die mir bei diesem Gespräch mitgeteilten Unternehmensziele repräsentieren in vollem Umfang noch die alte Unternehmenspolitik des früheren Unternehmenschefs Josefsson. Die neue Unternehmensstrategie – also neben der Gewinnerzielung eine nachhaltig-ökologische Politik und keine weitere Braunkohleverstromung ohne CCS – haben sich in der Lausitz ganz offenkundig noch nicht durchgesetzt. Auch dies muss den Schweden in Stockholm bewusst gemacht werden. Insofern kommt es auf Platzeck und Christoffers gar nicht mehr an, da sie nicht die Unternehmensziele von Vattenfall bestimmen.

Und wie ist Ihre Strategie jetzt? Ihre Landespartei und ihre Linke-Landtagsfraktion sind von der Ablehnung neuer Tagebaue vor der Wahl 2009 abgerückt und auf Kurs des Koalitionspartners SPD.

Es ist wichtig, die Auswirkungen der Braunkohleverstromung und der Tagebaue in der schwedischen Diskussion weiter zu vertiefen. Außerdem müssen die Interessen der Lausitz gegenüber der schwedischen Regierung und dem dortigen Parlament zielstrebiger und intensiver als bisher vertreten werden. Der Dialog muss erheblich ausgebaut werden, weil es letztlich auf Stockholm und nicht auf Potsdam ankommt. Wir sollten allerdings auch deutlich machen, dass die technologischen Fähigkeiten, die Vattenfall hat, für erneuerbare Energien in dieser Region willkommen sind. Darauf habe ich in den Gesprächen auch immer wieder hingewiesen. Gleichzeitig habe ich diese Feststellung mit dem Hinweis verbunden, dass sich Vattenfall im Gegenzug mittelfristig – etwa bis zum Jahr 2040 – von der Braunkohleverstromung in dieser Region verabschieden müsse.

Die Fragen stellte Alexander Fröhlich

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