Brandenburg: BER-Schallschutz: Steigen Kommunen aus?
Beschwerden über rigide Praxis des Flughafens
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Schönefeld - Noch keine Flugzeuge, aber weiter Krach am BER: Um den fehlenden Schallschutz am künftigen Flughafen für die Hauptstadtregion in Schönefeld, ohne den der BER nicht eröffnen darf, spitzt sich der Streit erneut zu. Jetzt droht sogar im „Airport Dialogforum“ der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) mit allen brandenburgischen Umlandgemeinden und den angrenzenden Berliner Stadtbezirken ein Bruch. Für Flughafenchef Karsten Mühlenfeld wäre das ein herber Rückschlag. Wenn das Gremium am heutigen Montag hinter verschlossenen Türen in Schönefeld tagt, sind zunehmende Beschwerden über eine zu rigide Bewilligungspraxis der FBB der wichtigste Tagesordnungspunkt. Das Verhältnis von FBB und Nachbarn ist gestört. So bleibt der SPD-Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, Ortwin Baier, der künftig am meisten von BER-Fluglärmbetroffenen Kommune, der Sitzung demonstrativ fern. Und Rainer Hölmer, SPD-Baustadtrat von Treptow-Köpenick, drohte gegenüber dem rbb jetzt mit dem Ausstieg aus dem Dialogforum. Außerdem drohen gleich vier neue Schallschutz-Klagen des Verbandes der Grundstücksnutzer (VGN) gegen den Flughafen. Der wiederum kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Es gibt keine rigidere Praxis“, versicherte Sprecher Ralf Kunkel am Sonntag den PNN.
In den Gemeinden um den Nicht-BER kehrt keine Ruhe ein. Zwar hat der Flughafen bei den Schallschutz-Bewilligungen aufgeholt, haben inzwischen nach FBB-Angaben 73 Prozent der berechtigten rund 11 400 Anrainer-Haushalte ihre Bescheide, die sogenannten Anspruchsermittlungen (ASE), die die Erstattung der Kosten für Schallschutzfenster und Dämmlüfter garantieren. Wenn sie unterschrieben werden, könnten die Firmen mit dem Einbau beauftragt werden. Doch häufen sich nun Beschwerden über Fehler, Ungerechtigkeiten, Ablehnungen in den Bewilligungen. Bei Veranstaltungen zum Schallschutz, zu denen Bürgerinitiativen und der VGN laden, sind die Säle voll. So wie letzte Woche in Mahlow, wo 240 Betroffene kamen.
Die Probleme sind verschieden, eins lässt etwa Treptow-Köpenick auf die Barrikaden gehen: Demnach hat der Flughafen offenbar zigfach Schallschutz für niedrige Räume abgelehnt, die heute nicht genehmigt würden, und das, obwohl in diesen Fällen alte Baugenehmigungen vorliegen. „Es kann nicht sein, dass der Flughafen sich aufspielt, als wäre er die bessere Baubehörde“, sagt etwa Christine Dorn, Vorsitzende des Bürgervereins Berlin-Brandenburg. Das ist auch die Linie von Treptow-Köpenick.
Der Flughafen kann sich das nicht erklären. Die Linie sei so, dass für niedrige, genehmigte Räume Schallschutz gewährt wird, heißt es. Konkrete Fälle seien bislang nicht herangetragen worden. Auf der Tagesordnung des Dialogforums steht eine „Matrix“, einst von Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) angestoßen, um häufige Probleme beim Schallschutz zu identifizieren – und Lösungen zu finden. Nach den internen Vorbereitungsunterlagen, die den PNN vorliegen, hat die Flughafengesellschaft inzwischen bei einigen Problemen nachgegeben – bei anderen nicht.
Geld für den Schallschutz ist genug da. In den Etats sind rund 700 Millionen Euro dafür reserviert, nachdem der jahrelange Betrug an den Anwohnern durch die Firma der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes 2013 aufgeflogen und vom Oberverwaltungsgericht (OVG) gestoppt worden war. In den Jahren vorher, vom Beginn des Schallschutzprogramms 2008 an, hatte die FBB nur Billig-Schallschutz bewilligt – für ein Sechstel des vorgeschriebenen Standards. Auch diese Vorgeschichte erklärt das Misstrauen von Anwohnern gegen den Flughafen und Brandenburgs Behörden. Erst letzten Freitag hatte FBB-Chefjurist Gottfried Egger im BER-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses eine Bombe platzen lassen. Wer dort falsch aussagt, riskiert ein Strafverfahren. Egger sagte aus, dass es 2008 sogar eine „mündliche Absprache“ zwischen dem Flughafen und dem brandenburgischen Infrastrukturministerium über die dann praktizierte Billig-Linie beim Schallschutz gab, bei der nach dem OVG-Urteil von 2013 „systematisch“ gegen den Planfeststellungsbeschluss verstoßen wurde. Wie sich jetzt bestätigt, im Wissen und mit Duldung brandenburgischer Behörden. „Wir setzen strikt den Planfeststellungsbeschluss und das OVG-Urteil vom April 2013 um“, sagt Kunkel zur aktuellen Praxis. Der Flughafen setzt auch darauf, dass das Dialogforum mit den Anrainern nicht zerbricht. Es sei das „geeignete Gremium“, um Probleme zu klären, so Kunkel. „Die FBB ist in Sachen Schallschutz stets gesprächs- und kompromissbereit.“ So plane man jetzt, beim Schallschutz geht es immer um Details, die Einführung freiwilliger Schallschutz-Leistungen auch für Küchen, deren Nutzung als Wohnküchen nicht nachgewiesen ist, die aber zum Essen genutzt werden. Thorsten Metzner
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