Brandenburg: Berlin fliegt nicht auf Brandenburg
Woidke droht bei Nachtflugverbot Niederlage. Er will notfalls den BER-Planfeststellungsbeschluss ändern. Die Wirtschaft ist entsetzt
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Berlin/Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) steuert mit seinem Vorstoß für ein strengeres Nachtflugverbot am BER auf eine Niederlage in der Eigentümerversammlung der Flughafengesellschaft zu. Berlin und der Bund lehnen nach PNN-Recherchen die beantragte Ausdehnung der flugfreien Nachtzeit auf 22 Uhr bis sechs Uhr weiterhin ab. Woidke äußerte sich am Montag erstmals selbst. „Es ist der einzige Weg, um die Forderung des Volksbegehrens, das Brandenburgs Landtag angenommen hat, umzusetzen“, sagte Woidke vor Journalisten in Potsdam – und präzisierte sein Vorgehen. „Es geht nicht per Dekret, quasi im Alleingang. Es geht nur der Weg über die Gesellschafter. Es geht nur über eine Veränderung des Planfeststellungsbeschlusses.“ Mit dem Antrag Brandenburgs in der Gesellschafterversammlung soll, wie berichtet, die Flughafengeschäftsführung beauftragt werden, selbst ein Planergänzungsverfahren für weniger Nachtflüge einzuleiten. Der geltende Planfeststellungsbeschluss, in seinen Nachtflug-Passagen 2011 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, sieht bislang ein absolutes Flugverbot am BER von Mitternacht bis fünf Uhr vor.
Scheitert Brandenburg in der Abstimmung der Anteilseigner mit der beantragten Verschärfung, was nun absehbar ist, könnte das Land ein solches Planergänzungsverfahren zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses aber auch selbst einleiten. Das allerdings dauert Jahre, ist mit neuen Anhörungen aller Betroffenen verbunden – und birgt neue Risiken. Am Montag warnte Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus und selbst Flughafenaufsichtsrat, eindringlich vor diesem Ansatz: „Wer den Planfeststellungsbeschluss aufmacht, öffnet die Büchse der Pandora“, sagte Krüger den PNN. Nach seinen Worten würde dies sofort auch die Debatte über ein Offenhalten von Tegel neu entfachen, ja sogar eine Kettenreaktion auslösen, „die am Ende den Flughafen in seiner Existenz gefährden kann“. Für Woidke gelte das Gleiche wie bei Mehdorn und dessen Tegel-Ideen. Krüger wörtlich: „Lasst die Finger vom Planfeststellungsbeschluss!“ Die Drehkreuzfunktion und damit langfristig die Wirtschaftlichkeit des Airports dürften nicht infrage gestellt werden, sagte Krüger. „Aus Sicht der Wirtschaft ist klar. Der Flughafen darf nicht dauerhaft am Tropf des Steuerzahlers hängen.“ Brandenburgs Politik müsse bekennen, was für einen Flughafen man eigentlich wolle, ob ein internationales Drehkreuz noch gewollt oder mit veränderten Parametern nur ein Regionalflughafen möglich sei.
So sieht es auch Berlins Regierender Klaus Wowereit (SPD). „Die Haltung Berlins ist glasklar, sie ändert sich auch nicht“, sagte Senatssprecher Richard Meng und verwies ebenfalls auf den Planfeststellungsbeschluss. Das Bundesverkehrsministerium wollte zum Woidke- Vorstoß offiziell keinen Kommentar abgeben. Dem Vernehmen nach kann Brandenburg auch hier in der Gesellschafterversammlung keine Zustimmung erwarten.
Unterstützung hatte Woidke dagegen (wie berichtet) von den Initiatoren des Volksbegehrens bekommen, die sich mit ihren Aktionen aktuell auf den Bund konzentrieren. Am heutigen Dienstag ist vor dem Bundesverkehrsministerium eine Mahnwache geplant. Und am kommenden Wochenende ist eine Demonstration der Kleinmachnower Anti-Fluglärm-Bürgerinititative vor dem Wohnhaus der CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, geplant, die mit ihrer Familie – sie hat drei Kinder – in einem Dorf bei Luckenwalde lebt. In Berlin wäre das nicht möglich. Dort hatten Gerichte solche Aktionen, die von Fluglärmgegnern vor der Wohnung von Klaus Wowereit geplant waren, wegen der Verletzung des Schutzes der Privatsphäre verboten.
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