Fluglärm: Billig-Schallschutz um Flughafen in Schönefeld
Wenige Monate vor der Eröffnung des BER-Flughafens „Willy Brandt“ in Schönefeld eskaliert der Konflikt um den immer noch fehlenden Lärmschutz für knapp 24 000 der 25 500 künftig besonders betroffenen Anwohner.
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Potsdam - Nach einer Anhörung im Landtag am Donnerstag wächst der Druck auf die von den Länderchefs Matthias Platzeck und Klaus Wowereit (beide SPD) geführten Regierungen Berlins und Brandenburgs, die als Eigentümer des Airportes neben dem Bund für den bis zur Eröffnung am 3.Juni kaum noch rechtzeitig zu sichernden Schallschutz mitverantwortlich sind.
In der Anhörung erhielt die Forderung von CDU und Grünen nach einem befristeten „Schmerzensgeld“ für Anrainer, auch „Lärmrente“ genannt, bis die Wohnungen tatsächlich geschützt sind, breite Unterstützung – ebenso der Ruf, dem Flughafen die Zuständigkeit für das Schallschutzprogramm zu entziehen und „einer unabhängigen Koordinierungsstelle“ zu übertragen. „Der Flughafen hat beim Schallschutz versagt, man hat den Bock zum Gärtner gemacht“, sagte etwa der Grünen-Abgeordnete Michael Jungclaus.
Der Verband der Grundstücksnutzer forderte, wenigstens bis zur Realisierung des Schallschutzes auf Nachtflüge zwischen 22 Uhr und 6 Uhr zu verzichten, was Flughafenschef Rainer Schwarz zurückwies: Dann drohten Schadenersatzklagen von Airlines. Er bestritt erneut die Verantwortung des Flughafens dafür, dass erst in knapp 1300 Wohnungen Schallschutzfenster eingebaut wurden: Von den 13500 Anträgen habe der Flughafen nur in 350 Fällen die Kostenerstattungsbescheide zur Finanzierung noch nicht verschickt, der Rest folge bis zur Eröffnung. Dass sie nicht genutzt würden, liege nicht am Flughafen. Dafür erntet Schwarz Widerspruch, nicht nur von Bürgerinitiativen oder Bürgermeistern betroffener Orte wie Mahlow-Blankenfelde oder Schulzendorf.
Die Erstattungsbescheide des Flughafens sind selbst für Wohnungsunternehmen nicht akzeptabel. Der Flughafen finanziere, wie Siegfried Rehberg vom Verband der kommunalen Wohnungsunternehmen (BBU) sagte, oft nur „billige, ungeeignete, nicht normengerechte Maßnahmen“, die etwa nicht der Energieeinsparverordnung entsprächen. Niemand müsse sich wundern, dass Eigentümer dies nicht unterschrieben: Ohne Abhilfe seien „Kompensationen“ nötig. Weitgehend auf Unverständnis stieß in der Anhörung, dass der Flughafen jetzt gegen das Votum des Potsdamer Verkehrsministeriums auch noch eine großzügigere Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses beantragen will, um am Tage in knapp 5000 Wohnungen der Umgebung sechsmal den Maximalpegel von 55 Dezibel überschreiten zu können – einmal steht im Beschluss.
Schwarz argumentierte erneut mit einem Widerspruch zur inneren Logik des Planfeststellungsbeschlusses, da der Schallschutz am Tage dann strenger wäre als in der Nacht. Im Januar hatte er im Landtag erklärt: „Mir ist kein Schallschutz eines Flughafens der Welt bekannt, wo das realisiert wird.“ Nun wurden ihm Auskünfte der Flughäfen München und Wien vorgehalten, nach denen der höhere Schallschutzstandard dort eingehalten werde. Dem Hinweis auf das neue Lärmschutzprogramm am Airport Frankfurt/Main begegnete Schwarz so: Dies werde vom Land Hessen mit 100 Millionen Euro, 150 Millionen Darlehen der dortigen Landesbank und 20 Millionen vom Flughafen finanziert: „Ich empfehle, diese Frage innerhalb Ihres Landes zu diskutieren.“
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