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Wagenneulinge: Erstmals sind die diplomatischen Vertretungen Großbritanniens, der Niederlande und der USA dabei.

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Brandenburg: Botschaft unterm Regenbogen Der Christopher Street Day geht neue Wege – nicht nur wegen der neuen Route für die Parade

Berlin - Der Mann ist ein genialer Mathematiker. Er bereitet dem Computer den Weg.

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Berlin - Der Mann ist ein genialer Mathematiker. Er bereitet dem Computer den Weg. Er knackt die Codes der Enigma- Chiffriermaschine der Nazis und hilft, den Zweiten Weltkrieg zu beenden. Er erhält Orden. Doch es nützt ihm nichts. 1952 wird der Brite Alan Turing wegen seiner Homosexualität, die damals strafbar ist und als Krankheit gilt, verurteilt. Statt ins Gefängnis geht er zur psychiatrischen Behandlung samt Hormontherapie. Sie führt zu schweren Depressionen, zwei Jahre später bringt sich Turing um.

Heute, am 23. Juni, wäre sein 100. Geburtstag gewesen. Die späte Ehrung, die ihm gewidmet wird, ist das prominenteste Protestfest, das Berlin anzubieten hat – der Christopher Street Day mit seiner großen Parade. „Wissen schafft Akzeptanz“ lautet das diesjährige, vom Schicksal des Wissenschaftlers inspirierte Motto des weltweiten Gedenk-, Kampf- und Feiertages für die Rechte von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgendern.

Eröffnungsredner zum Umzug in Kreuzberg sind der niederländische Gesandte Frank Mollen und die amerikanischen und britischen Botschafter Philip D. Murphy und Simon McDonald. Die drei Botschaften sind erstmals auch motorisiert bei der Parade dabei, die Amerikaner mit einem Pick-up, die Niederländer mit einem zehn Meter langen Truck und die Briten auf einem mit dem Konterfei von Alan Turing geschmückten Doppeldeckerbus. Der 2009 durch eine offizielle Entschuldigung des damaligen Premiers Gordon Brown rehabilitierte Mathematiker hat in der britischen Botschaft einen besonders feurigen Fan: Kenan Poleo. Er ist Chef der Wissenschaftsabteilung, schwul, und die treibende Kraft hinter dem Engagement der Botschaft. „Auch wir haben Helden und die müssen wir feiern!“, sagt er. Rund 60 Leute fahren auf dem Bus mit, in rosa T-Shirts mit dem Aufdruck „Diversity is great“, werfen Shortbread und Smoothies, werben für Toleranz und tanzen. Poleo ist eine Art Bilderbuchbotschafter der Vielfalt: „Ich bin Moslem, schwul und Diplomat.“ Eine Kombination, die im toleranten Großbritannien kein Karrierehindernis darstellt. Ob es sich als offen Homosexueller in Berlin oder London besser lebt, weiß er nicht klar zu sagen. Poleo aber zieht Berlin vor. Weil es lockerer sei.

Der Niederländische Botschafter Marnix Krop fehlt auf der Parade, er muss zu einer Geburtstagsfeier nach Holland, aber dafür kommen Gäste: ein Techno-DJ aus Amsterdam und Polizisten in Uniform. „Wir wollen mit unserem Wagen zeigen, dass wir ein offenes, liberales Land sind“, sagt er. „2001 haben wir als erste überhaupt die gleichberechtigte Homo-Ehe anerkannt.“ Berlin ist auch nicht das einzige Land, wo die Niederlande sich am CSD beteiligen. Botschafter sind in Albanien, Lettland, Kroatien oder der Slowakei mitmarschiert. In Sachen Menschenrechte gebe es weiter viel zu tun. „In sieben Ländern steht immer noch die Todesstrafe auf Homosexualität, in 100 Ländern ist sie illegal“, sagt Krop. Deutschland immerhin sei in den letzten 20 Jahren viel entspannter geworden, findet er. Gunda Bartels

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