Länderfusion: Brandenburg, der vergessene Nachbar
Für Rot-Schwarz in Berlin ist das Nachbarland im Koalitionsvertrag nur noch eine Randnotiz wert und mit Frank Henkel von der CDU kommt einer, der in Brandenburg nicht ins Feindbild passt.
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Berlin/Potsdam - Bei der Vorstellung des von SPD und CDU geschlossenen Koalitionsvertrags in Berlin fiel den Journalisten auf, was fehlte. Keine Aussage mehr zur Länderfusion, bisher ein Ritual der Berliner Politik. Klaus Wowereit (SPD), alter und neuer Regierungschef, reagierte ungehalten. „Die wollen ja nicht“, so seine Begründung. Wen er genau meinte, blieb im Unklaren. In den letzten Jahren hat er zuweilen aber durchblicken lassen, wie sehr ihn der Kurs seines Parteifreundes Matthias Platzeck ärgerte. „Politik heißt auch, dass man führt“, sagte er einmal, als er darauf angesprochen wurde, dass Platzeck die Länderfusion zwar einerseits für vernünftig, andererseits aber für nicht machbar erklärte. Jetzt reagiert die Berliner Politik mit beispielloser Kaltschnäuzigkeit auf die verwirrenden Botschaften aus dem Umland. Und die Lektüre der Vereinbarung, die in den nächsten Jahren die Politik im Roten Rathaus bestimmen soll, offenbart die tiefe Kluft, die die Millionenmetropole und das sie umgebende Bundesland trennt.
Beispielhaft dafür sind die Aussagen zur Berliner S-Bahn. Da steht detailliert der Fahrplan für das weitere Vorgehen gegenüber der Deutschen Bahn AG. Dass Brandenburg ein wichtiger Partner sei, eine gehörige Zahl der Verbindungen dort enden und ein Teil der Finanzierung aus dem Haushalt des Nachbarlands kommt, wird schlichtweg übergangen. Auch bei so ziemlich allen anderen Handlungsfeldern, auf denen heute schon die beiden Bundesländer zur engen Kooperation verpflichtet sind, findet sich nirgendwo ein Hinweis auf den Partner, der in Potsdam regiert. Brandenburg taucht nur als Marginalie auf – ein Hinweis auf notwendige Kooperation findet nur auf ganz wenigen Feldern und auch da eher als Randnotiz statt – etwa bei der Gesundheitswirtschaft. Von einer weiteren Verzahnung der Wirtschaftsförderung ist nicht mehr die Rede, Berlin prüft im Gegenteil jetzt ganz allein die Einrichtung von Auslandsbüros. Bezeichnend ist auch, dass bei der Passage zum neuen Großflughafen „Willy Brandt“ das Wort „Brandenburg“ nicht mehr auftaucht.
Kurioserweise kommt jetzt in Potsdam umgekehrt Berlin wieder stärker in den Fokus. Die dortige Regierungskoalition, die jüngst eine Liste der aus ihrer Sicht wichtigsten Vorhaben zum Verwaltungsumbau vorlegte, will einen Rahmenstaatsvertrag mit Berlin und weitere Kooperationsprojekte. Angesichts der Schwierigkeiten beim Stellenabbau ist sie auch bereit, die eine oder andere Aufgabe nach Berlin abzugeben. Dies aber wird angesichts der gewachsenen Verstimmung in der Bundeshauptstadt ein wesentlich schwierigeres Unterfangen als in der Vergangenheit.
Nicht besonders hilfreich wird dabei auch der Umstand, dass mit dem Berliner CDU-Chef und zukünftigen Bürgermeister Frank Henkel ein gelernter Ostdeutscher zu agieren beginnt. Henkel ist in der DDR aufgewachsen, dann als noch jugendlicher „Ausreiser“ zusammen mit seinen systemkritischen Eltern im damaligen West-Berlin gelandet. Henkel, der es in erstaunlich kurzer Zeit schaffte, die zerstrittene und orientierungslose Berliner CDU zu einer wieder wahlkampffähigen Truppe zu machen, ist eine ganz eigene ostdeutsche Erfolgsgeschichte, und er tritt den Potsdamern mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein gegenüber als der frühere West-Trotzkist Harald Wolf (Linke), der bisher der Partner von Wowereit war. Nicht zuletzt wegen der vielen Westimporte war das Klima zwischen den Vertretern der Linkspartei in Brandenburg und Berlin eher von Distanz geprägt. Jetzt kommt mit dem Team Wowereit/ Henkel nicht nur ein Sozialdemokrat vorbei, der es geschafft hat, die Linkspartei so weit zu reduzieren, dass sie zum Regieren nicht mehr benötigt wird. Es kommt auch ein Christdemokrat, der so gar nicht in das Feindschema der Brandenburger SPD von der Zehlendorfer CDU-Mafia passt.
Am Montag lud Henkel im Sony-Center zu einem Geburtstagsempfang für den 75-jährigen Wolf Biermann und erzählte, wie er als 13-Jähriger am Fernseher die Ausbürgerung des DDR-Künstlers erlebte. Da sprach einer, der mit seiner Erinnerung an die Zeit der SED-Herrschaft im Reinen ist. Einer, der noch nicht einmal bei den Pionieren war, der nicht hätte studieren dürfen, der als Außenseiter behandelt wurde und sich so fühlte. „Ich hatte eine glückliche Kindheit“, sagt er über die Zeit in der DDR und sieht darin nicht den geringsten Widerspruch zu seiner heutigen politischen Heimat. An so einen wird man sich in Potsdam erst noch gewöhnen müssen. Da passt es dann fast schon wieder ganz gut, wenn Henkel vorerst keine Absichten hat, vorbeizukommen.
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