zum Hauptinhalt

FLUGHAFEN BER: Brandenburg erzwingt Neustart beim Schallschutz

Es ist ein Paukenschlag für den bei Eröffnung, Kosten und Schutz betroffener Anrainer ins Trudeln geratenen Schönefelder Flughafen: Das brandenburgische Verkehrsministerium erzwingt seit Montag auf dem Behördenweg eine Wiederholung und drastische Aufstockung des unterfinanzierten Schallschutzprogramms für 14000 Wohnungen rings um den Flughafen „Willy Brandt“.

Stand:

Potsdam -  Zuvor hatten Berlin, Brandenburg und der Bund als Eigentümer und Aufsichtsräte des Flughafens dies nicht veranlasst – trotz der vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gerügten Rechtswidrigkeit der aktuellen Praxis zu Lasten der vom BER am meisten betroffenen 20 000 Menschen in Mahlow-Blankenfelde, Schulzendorf, Selchow und den anderen Gemeinden unmittelbar in der Einflugschneise.

Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) bestätigte am Montag vor Journalisten in Potsdam, dass die Flughafengesellschaft FBB am gleichen Tag von der Planfeststellungsbehörde per Bescheid verpflichtet wurde, den jüngsten Eilbeschluss des OVG zu den Schallschutzstandards um den BER umzusetzen. Und zwar ab sofort, für alle 14 000 Wohnungen, ohne aufschiebende Wirkung, unter Androhung von Sanktionen. Es sei, so Vogelsänger, „ein teures Fax“. Man habe nach dem Urteil keine andere Wahl gehabt, „als das Fax zu verschicken.“ Schallschutz am stadtnahen Standort habe auch „seinen Preis“. Zu einem erfolgreichen Flughafen gehöre auch „innerer Friede“ im Umfeld.

Das löst eine Kettenreaktion aus. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Aufsichtsratschef und der Flughafen selbst haben die Kosten auf 591 Millionen Euro beziffert, wenn der vom OVG festgelegte Standard Praxis würde. Zwar kündigte die FBB umgehend an, „dagegen juristische Schritte einzuleiten“, wie Sprecher Ralf Kunkel den PNN sagte. Darauf hatte sich auch der Aufsichtsrat in der letzten Sitzung verständigt, sogar mit Unterstützung von Ministerpräsident Matthias Platzeck und der anderen Vertreter der rot-roten Landesregierung, weshalb diese unter Druck gerieten. Doch die Erfolgaussichten, beim OVG den OVG-Beschluss aufheben zu lassen, gelten als gering. Vor allem aber darf die FBB diese Klärung nicht abwarten, sagte der zuständige Staatssekretär Rainer Bretschneider. „Wir haben Sofortvollzug angeordnet. Das darf nur ein Gericht kippen“. Der Flughafen müsse die Kostenerstattungsbescheide für 14 000 Wohnungen des so genannten Tageschutzgebietes neu berechnen, er müsse „selbst aktiv werden.“ In den Berechnungen dürfe er nicht mehr den erwarteten Fluglärm von 2015 zugrunde legen, sondern den vom Flugaufkommen des Jahres 2023.

Wie berichtet hatte das OVG das bisherige Schallschutzprogramm des Flughafens als „systematischen“ Verstoß gegen den Planfeststellungsbeschluss gekippt, was bis zum Fax aus Potsdam aber keinerlei Konsequenzen hatte. Alle bisherigen Tagschutz-Bescheide hatte der Flughafen berechnet, als ob der Lärmgrenzwert in Wohnungen von 55 Dezibel - normale Gesprächslautstärke - sechsmal täglich durch Fluglärm überschritten werden darf. Dass der aktuelle Planfeststellungsbeschluss dies nicht hergibt, ist der FBB seit einem Jahr bewusst, sie hat im April 2012 eine Änderung beantragt. Der Schallschutzetat hat nur 157 Millionen Euro, 6250 Euro je Wohnung. Brandenburgs Behörden hatte versucht, einen höheren Standard - mit einer erlaubten Pegel-Überschreitung – durchzusetzen, was 300 Millionen Euro mehr gekostet hätte, aber der FBB eine Frist bis 2015/2016 gelassen. Dem OVG ging schon das zu weit. Es stellte klar, dass der Grenzwert kein einziges Mal überschritten werden darf, was zusätzlich 591 Millionen Euro für Schallschutz oder für fällige Entschädigungen erfordert.  

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })