zum Hauptinhalt
Autor Wiktor Jerofejew hat Zuflucht auf Schloss Wiepersdorf gefunden.

© imago/ITAR-TASS

Brandenburg unterstützt Putin-Gegner: Zuflucht für Wiktor Jerofejew auf Schloss Wiepersdorf

Der Schriftsteller, der zu den bekanntesten Gegnern des russischen Präsidenten Wladimir Putin gehört, sprach in der Landesvertretung zur Lage und las aus seinem neuen Roman „Der große Gopnik“.

Er habe Russland nicht verlassen, sagt Wiktor Jerofejew. „Russland hat mich verlassen.“ Der Schriftsteller, der zu den bekanntesten Gegnern des russischen Präsidenten Wladimir Putin gehört, war am Dienstagabend zu Gast in der Brandenburger Landesvertretung in Berlin. Denn im Frühjahr 2022, nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, war Jerofejew aus Russland geflohen. Seitdem hat er Zuflucht auf Schloss Wiepersdorf gefunden: Eine von der gleichnamigen Kulturstiftung betriebenen Künstlerhaus, das Jahr für Jahr zahlreichen Künstlern Stipendien und Arbeitsmöglichkeiten bietet.

Beklemmung bei den Zuhörern

Am Dienstag las Jerofejew das erste Kapitel seines im Erscheinen befindlichen Romans „Der große Gopnik“: Ein Buch, das sich mit seiner eigenen Lebensgeschichte und der Vita Putins beschäftigt. Und schon das erste Kapitel sorgte bei den Zuhörern für Beklemmung: Es spielt in einem Krankenhaus und schildert plastisch, wie einer Mutter der Leichnam eines ums Leben gekommenen Babys gezeigt wird, während der an Propaganda glaubende Protagonist nicht wahrhaben will, was um ihn herum geschieht.

Was möglicherweise auch vielen Brandenburgern so gehen könnte. In einem Grußwort zitierte Kulturministerin Manja Schüle (SPD) eine aktuelle Umfrage, wonach in Ostdeutschland jeder Dritte der Aussage zustimme, die Nato habe Russland so lange provoziert, dass Russland in den Krieg ziehen musste. Im Westen würde jeder Sechste dieser Aussage zustimmen.

Die russische Propaganda über soziale Netzwerke verfängt also in Deutschland – im Osten mehr als im Westen

Manja Schüle (SPD) , Brandenburgs Kulturministerin.

„Die russische Propaganda über soziale Netzwerke verfängt also in Deutschland – im Osten mehr als im Westen“, sagte die Ministerin. „Und hier braucht es klare Worte: Ich habe überhaupt kein Verständnis für Putin-Versteher.“ Nichts, was die Ukrainer wollten oder getan hätten, rechtfertige Bomben auf Krankenhäuser, Kraftwerke und Kinder.„Wenn ich die Nachrichten lese, dann empfinde ich Wut, Schrecken, Verzweifelung und Ekel“, sagte Schüle. „Und ja – auch Scham.“

Sie frage sich, warum man in Deutschland so lange so blauäugig gegenüber Russland war, „gerade auch meine Partei.“ Tatsächlich hatten große Teile der ostdeutschen SPD lange an der Unterstützung Russlands festgehalten. Und der Auftritt von Jerofejew in der Landesvertretung dürfte überhaupt das erste Mal gewesen sein, dass ein russischer Oppositioneller auf einer Veranstaltung des Landes Brandenburg sprach.

„Kunst kann keinen Krieg beenden“, sagte Schüle. „Aber vielleicht findet die Literatur bessere Worte und Bilder, um ihn zu dokumentieren und zu vermitteln.“ Vielleicht führe die Literatur die schärfere Klinge. „Vielleicht auch bietet sie Momente des Aufatmens und der Katharsis.“ Worauf in dem nahezu vollbesetzten Saal der Landesvertretung wohl viele Zeitgenossen hofften. Denn wie die Leiterin der Landesvertretung, Staatssekretärin Friederike Haase, deutlich machte, gebe es in Berlin und Brandenburg noch immer zahlreiche Menschen, die zumindest die Kontakte zu jenem Teil der russischen Bevölkerung, der Putins Krieg offen kritisiert, aufrecht erhalten wollten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false