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Nach Anschlag in Berlin: Brandenburger sind bei den Berlinern

In der Brandenburger Landespolitik löste der Anschlag an der Gedächtniskirche großes Mitgefühl für Opfer und Angehörige aus. Nur einer poltert.

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Potsdam - Brandenburgs Politik bemühte sich am Dienstag, nicht zur Tagesordnung überzugehen. Der Anschlag und seine Folgen für das Land dominierten das traditionelle Jahresendpressegespräch von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in Potsdam. Der Regierungschef sagte ein für den Abend anberaumtes Treffen mit Gegnern der Kreisgebietsreform, nämlich mit Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte, kurzfristig ab, um wie andere Landespolitiker aus Brandenburg am Trauergottesdienst in der Berliner Gedächtniskirche teilzunehmen. „Das geht einem schon richtig nahe“, sagte Woidke. „Heute ist der Tag, an dem viele Brandenburgerinnen und Brandenburger bei den Berlinern sind.“

An allen Landesbehörden ordnete das Innenministerium Trauerbeflaggung an. Auch am Landtag wurde die Landesfahne auf halbmast gesenkt, zudem soll dort ein Kondolenzbuch ausgelegt werden.

Woidke: "Wir sind gut beraten, besonnen zu bleiben" 

Woidke mahnte auch zur Zurückhaltung. „Wir sind gut beraten, besonnen zu bleiben.“ Mit Blick auf die AfD sagte der Regierungschef: „Es gibt politische Kreise, die nicht einmal davor zurückschrecken, diese Tragödie zu missbrauchen.“ Gleichwohl befürchtet Woidke offenbar, dass der Terroranschlag – mit möglicherweise einem Flüchtling als Tatverdächtigen – Rückwirkungen auf die Stimmung gegenüber Flüchtlingen im Land haben kann und dies die Integration erschwert.

Brandenburg hatte im Sommer Druck gegenüber dem Bund gemacht, weil ein Jahr nach dem Beginn der Flüchtlingskrise immer noch nicht alle Neuankömmlinge identifiziert seien. Brandenburgs Generalstaatsanwaltschaft hatte sogar das Bundesamt für Migration auf Herausgabe von Datensätzen verklagt. Inzwischen ist das Bamf auf gutem Weg, die Identifizierung aber „noch nicht vollständig“, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). In der Telefonschaltkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern am Dienstagmorgen sei das aber kein Thema gewesen. „Die Menschen erwarten es zu Recht: Natürlich müssen wir wissen, wer sich bei uns aufhält“, sagte Woidke.

Senftleben (CDU): „Wir dürfen und werden aber unsere Art zu leben nicht den bestialischen Absichten von Terroristen opfern"

Auch bei fast allen Vertretern der Parteien im Land war die Anteilnahme nach dem Anschlag groß. „Solche feigen und heimtückischen Attacken richten sich gegen die Grundwerte unserer freiheitlichen Demokratie und das friedliche Zusammenleben der Menschen in unserem Land“, sagte Innenminister Schröter. „Ziel des mutmaßlichen Anschlags sind indirekt wir alle gewesen und unsere Vorstellungen von Freiheit und friedlichem Zusammenleben“, erklärte SPD-Landtagsfraktionschef Mike Bischof. Brandenburgs Linke-Landeschef Christian Görke erklärte: „Wir sind stolz auf unsere freie, offene und tolerante Gesellschaft. Wir lassen uns nicht einschüchtern.“ Ingo Senftleben, Oppositionsführer von der CDU, sagte: „Wir dürfen und werden aber unsere Art zu leben, unsere Mitmenschlichkeit und unsere gesellschaftlichen Werte nicht den bestialischen Absichten von Terroristen opfern.“ Kämpferisch gab sich Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers: „Wir werden die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde verteidigen, ganz egal, um wen es sich dabei handelt.“ Grünen-Fraktionschef Axel Vogel stellte fest: „Hassverbrechen wie dieses zielen darauf ab, unsere offene Gesellschaft zu zerstören und die Menschen gegeneinander aufzubringen. Den Hass mit neuem Hass zu beantworten, bringt uns nicht weiter.“

Nur AfD-Landeschef Alexander Gauland, der auch Bundes-Vize der Partei ist, polterte: „Wir haben jetzt wieder einen Fall, wo es ein angeblicher Flüchtling ist. Wir hatten diese Fälle in Nizza, wir hatten sie in Würzburg, wir hatten sie in Ansbach“, so Gauland. An dem, was passiert ist, sei natürlich „die Flüchtlingspolitik dieser Bundesregierung schuld“, wetterte er – verfrüht, wie sich am Dienstagabend herausstellte. Der festgenommene Verdächtige wurde mangels dringenden Tatverdachts freigelassen. (mit dpa)

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