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Brandenburgs Aufarbeitungsbeauftragte Maria Nooke: „Wir haben uns zu wenig mit dem Stalinismus beschäftigt“
Am Donnerstag ist Maria Nooke vom Landtag für eine weitere Amtszeit bestätigt worden. Hier spricht sie über das deutsche Verhältnis zu Russland und die Notwendigkeit ihres Amtes.
Stand:
Frau Nooke, Hand aufs Herz: Warum braucht es Ihr Amt heute immer noch?
Wir spüren doch alle, wie stark die Vergangenheit bis in die Gegenwart wirkt. Deshalb ist es auch weiterhin nötig, sich mit der Geschichte der DDR zu beschäftigen. Menschen, die bis heute unter dem damaligen Unrecht leiden, brauchen unsere Unterstützung. Es geht um Fragen von Rehabilitierung und Entschädigung und um psychosoziale Betreuung. Da wünsche ich mir, dass unsere Gesellschaft offener ist für diese belasteten Menschen, die mitten unter uns leben. Und ich sehe in der Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte nach wie vor einen großen Bedarf: Wir müssen eine Haltung dazu gewinnen, welche Wirkungen eine Diktatur haben kann.
Was kann denn die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte zum Beispiel im Blick auf das deutsche Verhältnis zu Russland bewirken?
Wir haben uns viel zu wenig mit den Auswirkungen der staatlich verordneten Freundschaft mit der Sowjetunion und dem verordneten Antifaschismus beschäftigt, was in der DDR verhindert hat, sich der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust zu stellen. Wirkmächtig geblieben ist dagegen die SED-Propaganda von der Nato, die unter Führung der Amerikaner den Frieden gefährdet, und die indoktrinierte Ablehnung der westlichen Werte.
Beides verhindert einen kritischen Blick auf die politischen Entwicklungen in Russland mit seinen imperialen Ansprüchen und stalinistischen Methoden. 70 Jahre nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und Stalins Tod gilt es zu realisieren, wie diese tabuisierten Erfahrungen und ideologischen Vereinnahmungen bis heute wirken. Das deutsche Verhältnis zu Russland braucht eine Auseinandersetzung mit der vom Stalinismus geprägten Ideologie genauso wie mit dem Nationalsozialismus.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für ihre Arbeit in Brandenburg in den nächsten Jahren?
Das, was uns vor uns steht, hat eigentlich schon eine sehr lange Geschichte: Es geht darum, wie die Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden angemessen erfolgen kann. Wir sind da bislang nur wenig vorangekommen. Das sehe ich als eine große Herausforderung, die auch einer gesetzgeberischen Initiative bedarf.
Ich hoffe sehr, dass es da künftig Regelungen gibt, die eine Verbesserung für die Betroffenen bewirken. Außerdem wird die Bildungsarbeit an Gewicht gewinnen: Wir müssen mit den Erwachsenen, der Erlebnisgeneration, im Gespräch bleiben. Und wir brauchen neue Angebote für Jugendliche, und auch bessere Kontakte zu Lehrkräften, die das Thema DDR-Geschichte im Geschichtsunterricht behandeln sollen.
Viele Fördertöpfe sind ja mittlerweile ausgelaufen. Haben Sie eigentlich alle Betroffenen von DDR-Unrecht in Brandenburg erreicht?
Das glaube ich nicht. Es gibt leider immer noch Menschen, die gar nicht wissen, dass man sich rehabilitieren lassen kann und dass es Unterstützungsmöglichkeiten für sie gibt. Das zu kommunizieren, wird weiter wichtig bleiben.
Wir danken für das Gespräch.
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