Brandenburg: Brandstiftungen in der Mark
In wenigen Tagen sollten Flüchtlinge in die Sporthalle in Nauen einziehen. Jetzt wurde sie niedergebrannt. Kein Wunder, meinen viele. Nauen gilt als eine Hochburg der rechten Szene im Land
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Es ist der Tag danach. Und so richtig überrascht scheint in Nauen niemand zu sein. „Das war zu erwarten“, sagen zwei Anwohner, die am Dienstagvormittag vor der völlig ausgebrannten Sporthalle des Oberstufenzentrums in der 16 000-Einwohner-Stadt stehen, in der ab September Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Auch Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD), der am Morgen vor Ort geeilt war, ist sich nach den Einschätzungen der Experten relativ schnell sicher: „Es handelt sich vermutlich um vorsätzliche Brandstiftung.“
Auch, wenn die Untersuchungen zur Brandursache noch laufen, spreche vieles für einen Anschlag. So sei die Feuerwehr in der Nacht zu Dienstag um 2.22 Uhr alarmiert worden. Bei ihrem Eintreffen zwölf Minuten später habe die Halle bereits „lichterloh“ in Flammen gestanden. Eine solche Brandentwicklung deute auf eine hohe Professionalität und den Einsatz von Brandbeschleunigern hin, meinen erfahrene Feuerwehrleute. Ein technischer Defekt als Ursache des Brandes sei höchst unwahrscheinlich, sagt ein Polizeisprecher. Den Einsatzkräften sei nichts anderes übrig geblieben, als das Gebäude kontrolliert abbrennen zu lassen. Verletzte gab es nicht.
Das Entsetzen in der kleinen Stadt – eine halbe Stunde Autofahrt von Potsdam entfernt – ist dennoch groß, auch wenn es auf den ersten Blick in der Straße Zu den Lurchbergen wie sonst auch zugeht. Einwohner kaufen ein oder gehen spazieren. Nur die Polizeibeamten, die die Autofahrer auf die Sperrung wegen der Suche nach der Brandursache hinweisen, passen nicht in das Bild des alltäglichen Morgens. Die Ermittlungen hat der Staatsschutz übernommen.
Nauen gilt bei Beobachtern als Hochburg der rechten Szene, selbst Bürgermeister Detlef Fleischmann (SPD), der ebenfalls zu der ausgebrannten Turnhalle gekommen ist, sagt: „Es wäre blauäugig, eine rechte Szene in der Stadt zu leugnen.“ Gleichwohl hoffe er, „dass sich die Mitläufer der Flüchtlingsgegner von solchen Aktionen angesichts der neuen Qualität distanzieren.“
Nauen, wieder einmal Nauen. Vor allem seien es die „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“, die gegen die Aufnahme der Flüchtlinge in der Stadt mobil machen, schätzt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) ein, die hier ihren Wahlkreis hat, auf deren Büro es bereits mehrere Anschläge von Rechtsextremen gab. Für Johlige ist die abgebrannte Sporthalle ein Fanal, das sei „rechter Terror“. Aber auch die NPD ist hier stärker präsent als anderswo in Brandenburg, sie hat einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung und stellte auf den bisherigen Anti-Asyl-Demonstrationen, an denen auch zahlreiche Neonazis aus anderen Städten teilnahmen, mehrere Redner. So hatten schon Mitte Februar Dutzende Neonazis, angeführt vom Nauener NPD-Stadtverordneten Maik Schneider, mit Tumulten dafür gesorgt, dass bei einer Stadtverordnetenversammlung zu der geplanten Flüchtlingsbleibe der Saal geräumt werden musste. Nur die Bereitschaftspolizei konnte an diesem Tag Schlimmeres verhindern.
Mit dem Brandanschlag könnten die Rassisten eine Drohung vom April wahrgemacht haben: Nachdem sie nachts die Reifen am Auto des zivilgesellschaftlich aktiven Vereins Mikado zerstochen hatten, steckten sie einen Zettel unter die Scheibenwischer. Darauf stand: „Liebe Asylantenfreunde, Tröglitz ist auch hier! Bis bald!“ In dem Dorf Tröglitz in Sachsen-Anhalt war kurz zuvor eine geplante Asylunterkunft in Brand gesetzt worden.
Aber, es gibt auch an diesem schwarzen Tag für die Stadt, für das Land, ein anderes Nauen. Zu einer Mahnwache, zu der die Initiative „Nauen für Menschlichkeit“ aufgerufen hat, kommen am Abend rund 350 Menschen. Die Kundgebung findet vor einer Brache in der Stadt statt. Dort soll bis zum kommenden Jahr ein festes Flüchtlingsheim entstehen, der Baubeginn steht kurz bevor. Die Innenexpertin der Grünen-Landtagsfraktion, Ursula Nonnemacher, sagt dort: „Das ist blanker Rechtsterrorismus, der uns da entgegenschwappt.“ Nauens Bürgermeister Fleischmann aber versichert: „Wenn jemand denkt, so Flüchtlingsunterkünfte verhindern zu können, dann hat er sich geirrt. Denn: Jetzt erst recht.“ Nach der Mahnwache ziehen die Menschen bei einer spontan angemeldeten Demonstration durch die Straßen der Stadt.
Doch was geschehen ist, bleibt ein Anschlag, der auch Brandenburgs Politik erschüttert. Der eine Sitzung des „Asylkabinetts“ der Landesregierung in Potsdam, das erstmals tagte, dominierte. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der die bislang ungeklärte Unterbringung von Flüchtlingen jetzt zur Chefsache machte, lädt zu dem „Gipfel“ wöchentlich alle zuständigen Minister an seinen Tisch. Erst am Vortag hatte Woidke die Krawalle in Heidenau „als Schande für Deutschland“ verurteilt. Und nun Brandenburg, wo es in den letzten Wochen im Vergleich zu Sachsen noch glimpflich aussah.
Einen so schweren Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim wie in Nauen habe es „in Brandenburg seit zwanzig Jahren nicht gegeben“, sagt Innenminister Karl Heinz Schröter (SPD), der vorher gemeinsam mit Woidke in der Staatskanzlei vor die Presse trat. „Das wird uns nicht abhalten, weiterhin Menschen, die in Not geraten sind, vernünftig unterzubringen – auch in Nauen.“ Am heutigen Mittwochmittag werde man genau wissen, ob es sich um einen gezielten Brandanschlag handle, wenn die auf Brandbeschleuniger trainierten Fährtenhunde die Brandstätte ab Mittwochmorgen um 8 Uhr abgesucht haben. Ein früherer Einsatz der Hunde sei nicht möglich, da die Hunde keinerlei Brandgeruch wahrnehmen dürfen, der Brand vollständig erloschen sein müsse.
Schröter kündigte an, dass Brandenburgs Polizei die Streifen vor Baustellen, vor geplanten Flüchtlingsunterkünften im Land, nun noch einmal verstärken werde. Regierungschef Woidke verurteilte die Tat scharf, versicherte, dass Brandenburg mit allen Möglichkeiten der wehrhaften Demokratie „gegen die Täter und gegebenenfalls ihre Hintermänner vorgehen“ wird. Auch in Brandenburg gebe es einen harten Kern von Rechtsextremisten, sagte Woidke, der früher selbst Innenminister war. „Und es gibt den Trend, dass sie, je politisch erfolgloser rechtsextreme Parteien sind, um so gewaltbereiter werden.“
Entsetzen gab es aber nicht nur über den Brandanschlag selbst, sondern auch über einen Mann, der seit Monaten Stimmung gegen Flüchtlinge macht: Alexander Gauland, Chef der AfD-Landtagsfraktion, der in einer Presseerklärung Verständnis zeigte für den Brandanschlag. „Die Verantwortung für solche Taten haben die gesamte Gesellschaft und in erster Linie die Politiker der Altparteien, die zur jetzigen Eskalation der Flüchtlingsproblematik beigetragen haben“, erklärte Gauland. Wenn Politik auf Bundes- und Landesebene alles tun würde, „um der Situation Herr zu werden, ließen sich Reaktionen wie jetzt in Nauen sicherlich verhindern“. SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz nannte diese Aussagen „abscheulich“. Dies sei „eine neue radikale Qualität, die wir in Brandenburg so bisher nicht kannten“. Grünen-Landtagsfraktionschef Axel Vogel erklärte: Gauland betätige sich als „geistiger Brandstifter“.
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