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Brandenburg: Bund entschädigt Wertheim-Erben

Angeblich sollen 17,3 Millionen Euro gezahlt werden

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Angeblich sollen 17,3 Millionen Euro gezahlt werden Berlin - Im hochsensiblen Justiz- und Politikstreit um in der Nazizeit enteigneten Besitz der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim im Herzen Berlins ist ein historischer Durchbruch gelungen. Als Entschädigung für das Grundstück im Berliner Regierungsviertel, auf dem das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Deutschen Bundestags steht, ist die Bundesregierung nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zur Zahlung von 17,3 Millionen Euro an die Wertheim-Erben bis Anfang Oktober bereit. Damit legalisiert das Bundesfinanzministerium für den Bundestag gewissermaßen den Parlamentsbau, den die Anwälte der Wertheim-Erben offen als illegalen Schwarzbau bezeichnet hatten. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Repräsentant des Finanzministeriums brachte in den Wochen kurz vor der Bundestagswahl gezielt Tempo in die jahrelang zäh geführten Verhandlungen. Dirk Kühnau von der Bundesanstalt bestätigte die jüngste Verhandlungsrunde und die Vorlage eines Einigungsvorschlags. Es fehle noch die letzte Abstimmung in der Ministeriumsspitze. Die Anwälte der Wertheim-Erben hatten dies mehr als nur symbolisch zeitgleich zur Eröffnung des Berliner Holocaust-Mahnmals in Schreiben an die Vorsitzenden der Bundestagsparteien scharf kritisiert. Das Erstangebot hatte lediglich 2,9 Millionen Euro betragen. Dies hatten die Anwälte als „Linsengericht“ abqualifiziert und zurückgewiesen. Nach ihrer Rechnung hätte die Wertheim-Familie mit 30 bis 35 Millionen Euro entschädigt werden müssen. Rückenwind hatten die Erben durch das Verwaltungsgericht Berlin bekommen. Im ebenfalls seit Jahren hin und her wogenden Rechtsstreit um früheren Wertheim-Besitz am Leipziger Platz – dem so genannten Lenné-Dreieck neben dem Potsdamer Platz – waren die Wertheim-Ansprüche im Frühjahr 2005 gegen den KarstadtQuelle-Konzern im wesentlichen anerkannt worden. Eine Klage des Konzerns war abgewiesen und die Revision nicht zugelassen worden. Darin hatte Karstadt-Quelle geltend gemacht, als Rechtsnachfolger der einstigen Hertie-Gruppe gewissermaßen als rechtmäßiger Besitzer Ansprüche auf Entschädigung abwehren zu können. Gegen die Verweigerung der Revision erhob KarstadtQuelle beim Bundesverwaltungsgericht Widerspruch, eine Entscheidung steht noch aus. Im Sog der Entscheidung des Verwaltungsgerichts summieren sich die noch bestehenden Wertheim-Ansprüche auf bis zu 500 Millionen Euro, der größte Anteil davon für den einstigen Stammsitz am Leipziger Platz. Für dessen neue Bebauung hat der Berliner Senat am Dienstag den Bebauungsplan formal geteilt und damit grünes Licht für das Projekt unabhängig vom Ausgang des Wertheim-Konflikts gegeben. Die nach dpa-Informationen unmittelbar vor dem unterschriftsreifen Abschluss stehende Einigung über den politischen Teil des Konflikts lag offensichtlich mit zunehmender Nähe der Bundestagswahl im starken Interesse von Bundesregierung und Bundestag. Dessen Präsident Wolfgang Thierse wollte sich nicht noch einmal vor aller Welt sagen lassen, sein Hohes Haus nehme ungerührt den Grundbesitz NS-Verfolgter in Anspruch. Schon bei der Eröffnung des Lüders-Hauses waren die Emotionen hoch gestiegen und Tränen geflossen. Die Sprecherin der von Thierse eingeladenen Erben-Familie, Barbara Principe (72) sprach damals bewegt von einem „Zeichen der Versöhnung“.

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