HINTERGRUND: CCS-Gesetz gestoppt – Junghanns „richtig sauer“ CCS – was es bedeutet und wer wo was plant
Brandenburgs Landespolitik reagiert empört / Die Gegner begrüßen den vorläufigen Aufschub
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Potsdam/Welzow - In Brandenburg ist das Taktieren auf Bundesebene um das sogenannte CCS-Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Klimagases CO2 in der Landespolitik empört aufgenommen worden. Die Kritiker hingegen sehen sich in ihrer Haltung bestätigt. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns sagte den PNN: „Persönlich bin ich richtig sauer. Brandenburg wirft das zurück. Hier wird wichtige Zeit verschenkt.“ Er habe kein Verständnis dafür, dass solch ein wichtiges Vorhaben Parteitaktik zum Opfer fällt. Mit dieser „unverantwortlichen Situation“ bestehe die Gefahr, dass Deutschland bei Energiefragen abgekoppelt wird.
Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) sprach von „einer mittleren Katastrophe.“ Nun drohe ein Investitionsstopp, obwohl im Vertrauen auf das Gesetz technologisch und finanziell viel Vorarbeit geleistet worden sei. Zwar sei CCS eine Brückentechnologie – „aber ohne geht es vorläufig weltweit nicht“. Derzeit gebe es nichts anderes, um die Kohleverbrennung umweltfreundlicher zu machen. „Und wir haben in Deutschland und in Brandenburg dabei die Technologieführerschaft – dies wird nun fahrlässig aufs Spiel gesetzt“ – auch der Umbau der Lausitz und den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Kohle- und Energiewirtschaft.
SPD-Fraktionschef Günter Baaske schob der CDU die Schuld zu: „Die Union will nach der Wahl ein CCS-Gesetz verabschieden mit deutlich geringeren Bürgerrechten – und nebenbei noch der Atomlobby unter die Arme greifen.“ Die Verschiebung gehe zulasten vieler tausend Arbeitsplätze. „Die Unionsfraktion gefährdet die gesamte Energiestrategie in Brandenburg.“ Düpiert von ihrer eigenen Fraktion ist zumindest die brandenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete und CCS-Verfechterin Katherina Reiche. Sie erklärte, die Union wolle nun ein CCS-Gesetz erst nach den Wahlen verabschieden. Der CDU-Europaabgeordnete Christian Ehler warnte, Deutschland drohe „seinen Ruf als Forschungs- und Innovationsstandort zu verlieren“. Allerdings herrscht auch bei den Christdemokraten im Land Uneinigkeit. So stellt sich die CDU Märkisch–Oderland gegen die Linie der Landespartei. Der Kreisvorstand hat sich auf einen Antrag für den nächsten Landesparteitag geeinigt, wonach die Förderung der CCS-Technologie aus dem Landeswahlprogramm gestrichen werden soll.
Als ein Armutszeugnis für die Politik bezeichnet der energiepolitische Sprecher der Linken im Landtag, Wolfgang Thiel, das Scheitern des CCS-Gesetzes. Es fehle eine rechtliche Basis für die Grundlagenforschung wie in Ketzin (Havelland). Zudem stehe Deutschland unter Druck, eine EU-Richtlinie umzusetzen, um den Ausstoß von CO2 bis 2050 zu halbieren und dann Fördermittel zu beantragen.
In Neutrebbin (Märkisch-Oderland), wo Vattenfall derzeit im Oderbruch den Untergrund für die Einpressung von CO2 untersucht, ist die Entscheidung mit Erleichterung aufgenommen worden. Bürgermeister Siegfried Link (parteilos) erklärte: „Wir sind froh, dass die Politik einen Rückzug gemacht hat.“ Allerdings sei zu befürchten, dass das Gesetz nach der Wahl doch noch kommt. „Die Politik muss Vattenfall richtig rannehmen, um auf anderen Wegen den CO2-Ausstoß zu senken“, forderte Link.
Die Grünen begrüßten das Aus für das CCS-Gesetz. Das Zulassungsverfahren für die Erkundung von Speichern untertage in Ostbrandenburg sollten nun ausgesetzt werden. Das Umweltbundesamt (UBA) warnte vor überzogenen Erwartungen an die Technologie. Wichtiger seien erneuerbare Energien und eine deutlich gesteigerte Energieeffizienz.
CCS steht für „Carbon Capture and Storage“ (CCS) und meint die Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid (CO2) im Untergrund. Damit soll verhindert werden, dass das Abgas, das in Kohlekraftwerken entsteht, in die Luft steigt. Von dort wird das Treibhausgas verflüssigt durch Pipelines zu den Lagerstätten gebracht. Dafür eignen sich leere Erdgasfelder oder salzwasserführende Gesteinsschichten, das sind tief liegende, poröse Gesteinsschichten, sogenannte saline Aquifere. In diese müsste das Gas mit hohem Druck gepumpt werden.
In Ketzin (Havelland) wird dies in einer Pilotanlage geprobt. In Schwarze Pumpe gibt es eine Testanlage zur Abscheidung von CO2. In Jänschwalde ist der erste große CCS-Kraftwerksblock geplant. 2014/15 will Vattenfall ihn ans Netz nehmen. Von Jänschwalde aus soll per Pipeline das verflüssigte Gas in Erdspeicher bei Neutrebbin (Märkisch-Oderland) oder Beeskow (Oder-Spree) transportiert werden. In beiden Orten erkundet Vattenfall derzeit die Eignung des Untergrunds als Speicher.
Daneben plant auch der Energiekonzern ]RWE Dea/ ] in Schleswig-Holstein ein Endlager für CO2. Allerdings sperrt sich dort die Landesregierung dagegen, wenn überhaupt soll kein Klimagas aus anderen Bundesländern dort gelagert werden.axf
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