Von Susanne Vieth-Entus und Lars von Törne: CDU: Schüler auslosen ist ein Verbrechen
Heftige Debatte um Berliner Schulreform / Rot-Rot bringt Antrag für zweigliedriges System ein
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Berlin - Die Berliner Koalition von SPD und Linkspartei hat am Donnerstag eine grundlegende Reform des Berliner Schulwesens auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt steht die Schaffung eines zweigliedrigen Schulsystem aus Gymnasien und Sekundarschulen. Haupt-, Real- und Gesamtschulen soll es ab dem Schuljahr 2011/12 nicht mehr geben. Einen entsprechenden Antrag brachten die Fraktionen ins Abgeordnetenhaus ein. Im Herbst soll die Schulgesetzänderung beschlossen werden, damit die ersten Sekundarschulen im Sommer 2010 starten können.
Im Abgeordnetenhaus provozierte die Einigung der Regierungsparteien auf die Schulreform eine scharfe Debatte. Die Oppositionsparteien lobten zwar einzelne Elemente der Neuordnung, lehnten aber vor allem die in letzter Minute gefundene Zugangsregelung für besonders nachgefragte Gymnasien und Sekundarschulen als „absurde Idee“ (CDU), „lächerlich“ (FDP) oder als „Todesstoß für die ganze Reform“ (Grüne) ab.
Damit bezogen sie sich auf die rot-rote Entscheidung, einen Teil der Plätze an begehrten Schulen per Losverfahren zu vergeben. Wie berichtet, hatte es darüber eine längere Auseinandersetzung gegeben. Der Kompromiss sieht vor, dass die Schulen mindestens 60 Prozent ihrer Plätze selbst vergeben können, mindestens 30 Prozent werden unter den übrigen Bewerbern verlost. Der Rest bleibt Härtefällen vorbehalten.
Bildungssenator Jürgen Zöllner verteidigte die Reform. In einer Rede, die immer wieder durch abschätzige Bemerkungen der Opposition unterbrochen wurde, bezeichnete der SPD-Politiker das Schulkonzept als „Qualitätssprung“. Einerseits werde den Gymnasien mehr Freiheit eingeräumt, ihre Schülerschaft zusammenzustellen, indem bis zu 70 Prozent der Schüler von der Schule ausgesucht werden können. Andererseits biete die neue Sekundarschule, auf der neben allen anderen Schulabschlüssen ebenfalls das Abitur möglich sein wird, eine bisher nicht dagewesene Förderung und Chancengleichheit für junge Menschen.
Zöllner und die Redner der Regierungsparteien SPD und Linke verteidigten die Reform, wenngleich auch aus den Reihen der Koalition das Losverfahren für den Zugang zu besonders gefragten Schulen als nicht ideal angesehen wird. Vor allem wegen der damit verbundenen Option, Schüler bei einem Scheitern auf dem Gymnasium nach einem Probejahr auf eine Sekundarschule zu schicken. „Das ist ein Kompromiss, den wir schlucken mussten“, sagte die SPD-Politikerin Felicitas Tesch. Die Opposition wählte härtere Begriffe: Aus Sicht des CDU-Politiker Sascha Steuer ist die Reform wegen des Probejahres und der Los-Regelung „ein Verbrechen an den schwächsten Schülern der Stadt“.
Nach der Debatte wurde das Reformpaket an den Bildungsausschuss verwiesen. Damit beginnt die zweite große Schulgesetzänderung innerhalb von fünf Jahren. Die letzte hatte die Grundschulen betroffen, jetzt stehen die Oberschulen im Mittelpunkt. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren mehrere Dutzend kleinerer und größerer Veränderungen.
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