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Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

© REUTERS/NADJA WOHLLEBEN

Chaostage in Brandenburg: Ministerpräsident Woidke muss durchgreifen

Die Koalition in Brandenburg steht auf der Kippe. Das BSW, mit dem die Sozialdemokraten noch regieren, ist gespalten. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke muss schnell für klare Verhältnisse sorgen.

Thorsten Metzner
Ein Kommentar von Thorsten Metzner

Stand:

Alles sieht nach Chaostagen in Brandenburgs Politik aus. Nur einen Tag nach dem angekündigten Rückzug von Sahra Wagenknecht von der Parteispitze haben gleich vier Brandenburger Landtagsabgeordnete ihren Austritt aus dem BSW erklärt – begründet mit „autoritären Tendenzen“, mit innerparteilichem Druck, einem vergifteten Klima, fundamental-oppositionellen Tendenzen in der Linksaußen-Partei.

Was nun Brandenburg, was nun Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD)?

Alles ist anders. Die bisherige Machttektonik im einzigen deutschen SPD/BSW-Regierungsbündnis ist zerbrochen. Die Lage ist, für Brandenburgs immer noch eher geordnete Verhältnisse, unberechenbar. Bisher konnte sich Woidke darauf verlassen, dass die drei BSW-Minister im Kabinett ihre Arbeit machen – überraschend solide sogar, obwohl das BSW aus dem Nichts in den Landtag und in die Regierung katapultiert wurde.

Er konnte sich darauf verlassen, dass die Mehrheiten im Landtag standen. Solange das Regieren nicht beeinträchtigt war, duldete er zum Leidwesen seiner Genossen alle Kapriolen. Selbst den Auftritt eines Putin-Botschafters im Landtag.

Diese Verlässlichkeit, die von ihm postulierte „Stabilität und Sicherheit in unruhigen Zeiten“, ist nun passé. Das BSW hat rote Linien überschritten. Eigentlich weiß niemand, wer in Brandenburg jetzt gerade regiert. Da die vier Ex-Wagenknechtler – noch – in der BSW-Landtagsfraktion bleiben wollen, gibt es de facto ein rot-lila-parteiloses Dreier-Bündnis im Land.

Woidkes Sozialdemokraten haben es nun neben dem pragmatischen Ministertrio um Ex-Sozi und Ex-BSW-Landeschef Robert Crumbach mit einer gespaltenen BSW-Fraktion zu tun. Hier die Hardliner um den angeschlagenen Fraktionschef Niels-Olaf Lüders, da die Abweichler, die womöglich sogar die Zuverlässigeren wären.

Mit einer Landesvorsitzenden und Vize-Bundeschefin Friederike Benda, die sich wie Wagenknecht zwar rhetorisch zur Koalition bekennt, aber selbst mit ihrer aktuellen Erklärung zu den verlorenen Vier gegenüber der SPD noch Öl ins Feuer gießt. Die eskaliert, statt deeskaliert. Das BSW ist offensichtlich bereit, für die Stabilisierung der Bundespartei vor dem Magdeburger Richtungsparteitag die Regierungsbeteiligung in Brandenburg zu opfern.

Und Dietmar Woidke? Politisch tickt er wie ein konservativer, schwarzer Sozialdemokrat, daher kann er so gut mit Kanzler Friedrich Merz und mit Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (beide CDU). Er regiert lange und hasst Politikspiele, Abenteuer, Ränkespiele. Und nun gibt es in Brandenburg erstmals die Option für Rot-Schwarz, was vor der Landtagswahl sein Wunschbündnis war. Mit einer SPD/CDU-Minderheitsregierung, die für Abstimmungen um das Ja zweier Parteiloser wirbt, könnte Woidke womöglich stabiler regieren als mit dem nun unberechenbaren und zerstrittenen BSW.

Dass er Härte kann, hat Woidke im Vorjahr mit dem Rausschmiss der Grünen-Ministerin Ursula Nonnemacher bewiesen. Dass er trotz seiner langen Amtszeit für Überraschungen gut ist, hat er in der Affäre um Ex-Innenministerin und Ex-Kronprinzessin Katrin Lange (SPD) und der Kür von René Wilke (parteilos) zum Nachfolger gezeigt. Er muss das Heft des Handelns in der Hand behalten, schnell für klare Verhältnisse sorgen und die Machtfrage klären. Sonst kann es gefährlich für Regierungschef Dietmar Woidke selbst werden.

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