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BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat kein Verständnis dafür, dass nicht alle Landtagsabgeordneten ihrer Partei in Brandenburg ihre Positionen voll mittragen. (Archivbild)

© Michael Kappeler/dpa

Update

Regierungskrise in Brandenburg: Wagenknecht kritisiert BSW-Abweichler – Crumbach spricht von „schwieriger Situation“

Vier BSW-Abgeordnete sind aus der Partei ausgetreten – wegen „autoritärer Tendenzen“. Sahra Wagenknecht will mit ihnen im Gespräch bleiben. Die rot-lila Koalition in Brandenburg steht auf der Kippe.

Stand:

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisiert die vier Abgeordneten in Brandenburg, die im Streit aus ihrer Partei ausgetreten sind. Die vier Personen hätten im Wissen um die Positionen der Partei kandidiert und den Menschen versprochen, diese Positionen mitzuvertreten, sagte Wagenknecht in der ARD-Sendung „Maischberger“.

Die SPD in Brandenburg prüft nun, ob und welche Konsequenzen der Austritt der vier BSW-Abgeordneten aus der Wagenknecht-Partei für die Regierungskoalition in Brandenburg hat. Es ist das einzige SPD/BSW-Bündnis in Deutschland. Es hat nur zwei Stimmen Mehrheit im Parlament und steht nun auf der Kippe.

Den rot-lila Koalitionsvertrag hatten im November 2024 die beiden Parteivorsitzenden unterschrieben, für die SPD Ministerpräsident Dietmar Woidke, für das BSW der damalige Parteichef Robert Crumbach, heute Finanzminister und Vize-Ministerpräsident. Vergeblich hatte Crumbach in den letzten Wochen seine Parteifreunde davor gewarnt, den Konflikt eskalieren zu lassen.

„Das ist eine schwierige Situation. Wir müssen viel miteinander reden, und wenn wir viel miteinander geredet haben, dann denke ich, werden wir das auch wieder hinbekommen“, sagte Crumbach am Mittwoch. Er betonte, dass die Regierung in den vergangenen Monaten „ganz außerordentlich gut“ gearbeitet habe.

Brandenburgs Finanzminister Robert Crumbach (BSW) sprach am Mittwoch im Landtag mit Journalisten.

© Andreas Klaer PNN/Andreas Klaer

Zwar hatten die Ex-BSW-Mitglieder erklärt, als Parteilose in der BSW-Fraktion zu bleiben und die Fortführung der Koalition zu tragen. Doch haben SPD (32 Abgeordnete) und BSW (noch zehn Abgeordnete mit Parteibuch) nun selbst keine eigene Mehrheit im Landtag mehr.

Unterdessen meldete sich Crumbachs Nachfolgerin, die Brandenburger Parteichefin Friederike Benda, zu Wort, auch Vize von Wagenknecht in der Bundespartei. In einer Erklärung zum Parteiaustritt der vier Abgeordneten verteidigt Benda die Veto-Position des BSW gegen die beiden Staatsverträge zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Benda gegen „regierungskonforme Meinungsmache“

„Das BSW ist eine selbstbewusste Partei. Das muss sie auch in der Regierung sein“, erklärte Benda. „Unsere Partei und unsere Wähler erwarten zu Recht, dass wir – in Regierung oder Opposition – nicht einknicken. Wir etablieren uns durch Glaubwürdigkeit, nicht durch Anpassung.“ Benda bekräftigt die Ablehnung der Medienstaatsverträge durch das BSW, und zwar „weil das Eintreten für Meinungsvielfalt und gegen regierungskonforme Meinungsmache schon im Gründungsmanifest eine von vier zentralen Positionen des BSW ist“.

Brandenburgs BSW-Landesvorsitzende Friederike Benda

© dpa/Soeren Stache

Nach ihren Worten gehen die Verträge „in die falsche Richtung“, der eine wegen „mehr Möglichkeiten für Zensur“. Dieser und auch der andere seien „absolut unzureichend, um die großen Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch nur ansatzweise zu lösen“. Brandenburgs BSW-Chefin verweist darauf, dass sich der Parteivorstand einstimmig und auch die Brandenburger Fraktion bei nur einer Gegenstimme dafür ausgesprochen hat, diese Staatsverträge abzulehnen.

Allerdings war das vor dem BSW-Parteiaustritt der vier Abgeordneten. Dann folgt ein Satz, der bei den Sozialdemokraten in Brandenburg als Kampfansage verstanden werden kann: „Bei geschlossenem Abstimmungsverhalten der BSW-Fraktion könnten die Medienstaatsverträge über Brandenburg gestoppt und eine echte Reform ermöglicht werden.“ Die Abstimmung ist nächste Woche im Landtag.

Das BSW ist eine selbstbewusste Partei. Das muss sie auch in der Regierung sein. Unsere Partei und unsere Wähler erwarten zu Recht, dass wir – in Regierung oder Opposition – nicht einknicken. Wir etablieren uns durch Glaubwürdigkeit, nicht durch Anpassung.

Friederike Benda, BSW-Vorsitzende in Brandenburg und Vize-Chefin der Bundespartei

Die BSW-Chefin formuliert damit das Ziel, die von 14 der 16 Länderparlamente beschlossenen Staatsverträge bundesweit über Brandenburg zu stoppen. Wenn ein Parlament dagegenstimmt, ist alles obsolet. Damit dies in Brandenburg nicht geschieht, muss sich die SPD nun auf die angekündigte Zustimmung der CDU-Opposition verlassen.

Benda betont zugleich: „Ein Ende der Koalition stand nie zur Debatte, denn es gab im Koalitionsvertrag keine Festlegungen zu diesem Thema.“ Die BSW-Chefin kündigt an: „Wir werden mit allen Beteiligten das Gespräch suchen, weil wir verhindern wollen, dass ein Weg der Abspaltung das BSW schwächt und die Arbeit der vielen engagierten Mitglieder und Unterstützer beschädigt.“

Ähnlich äußerte sich auch Wagenknecht: „Ich finde es wirklich problematisch, wenn einzelne Abgeordnete hier in einer wichtigen Position – und unsere Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine wichtige Position – meinen, das müssten sie einfach anders machen, weil sie es vielleicht besser wissen“, sagte sie. Doch betonte sie, man werde „mit ihnen im Gespräch bleiben, und ich hoffe, dass wir das auch lösen können“.

„Kein Grund für einen Koalitionsbruch“

Zuvor hatten vier BSW-Landtagsabgeordnete in Brandenburg ihren Austritt aus der Wagenknecht-Partei erklärt und die Partei kritisiert: „Autoritäre Tendenzen prägen zunehmend mehr das innerparteiliche Klima, der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten“, schrieben sie. 

Der Vorsitzende der BSW-Fraktion im Brandenburger Landtag, Niels-Olaf Lüders, bezeichnete den Parteiaustritt der vier Abgeordneten als „nicht erklärlich“. Das BSW habe mit dem Koalitionspartner einen Kompromiss im Streit um die Medienstaatsverträge gefunden, sagte Lüders im Landtag in Potsdam. „Insofern war die Kuh vom Eis und diese Austrittserklärung schiebt sie ein Stück weit jetzt wieder aufs Eis.“

Lüders zum Parteiaustritt: „Das ist für uns nicht erklärlich, weil es auch nicht schlüssig ist – also wenn jemand das mit dieser Begründung tut und sagt, er möchte der Koalition helfen, und gefährdet damit im Grunde genommen eine Lösung, die wir bis dahin erarbeitet hatten.“ Er kündigte an, zeitnah eine Sondersitzung der Fraktion einzuberufen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Lüttmann sagte: „Ich kann nur sagen, ich bedauere es, dass es diesen Streit gibt. Aus meiner Sicht wäre er nicht nötig gewesen und ich hoffe, dass wir eben künftig solche Dinge nicht mehr miteinander sehen.“ 

In den vergangenen Tagen war in der Koalition von SPD und BSW in Potsdam der Streit über zwei Medienstaatsverträge eskaliert. Anders als die SPD will eine Mehrzahl der BSW-Abgeordneten die Verträge nicht mittragen – auf Linie der Bundespartei.

Wagenknecht sagte bei „Maischberger“, im Koalitionsvertrag gebe es keine Festlegung zu den Staatsverträgen. Sie habe mit Ministerpräsident Woidke gesprochen. „Das wäre kein Grund für einen Koalitionsbruch gewesen“, sagte Wagenknecht. Sie hatte schon am Montag erklärt, sie sei dafür, die Koalition mit der SPD in Potsdam fortzuführen.

Woidke hat das Bündnis mit der Wagenknecht-Partei, bisher das einzig mögliche mit einer eigenen Mehrheit im Landtag, immer mit nötiger Stabilität für das Land begründet. Nun müssen die Sozialdemokraten abwägen, ob eine SPD-CDU-Minderheitenregierung, die auf 44 Sitze – ein Patt im Parlament – käme, womöglich stabiler regieren könnte, mit Zustimmung parteiloser Ex-BSW-Abgeordneter. (mit dpa)

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