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Brandenburgs Innenminister Schröter.

© dpa

Rot-Rot in Brandenburg: Koalitionskrach um Abschiebungen: „Das ist AfD-Politik“

SPD und Linke versuchen den Koalitionszoff um den verschärften Abschiebe-Kurs von Innenminister Schröter kleinzureden. Einen eindeutigen Brief des Ministeriums deuten sie einfach um - vergeblich. Und die Linksjugend fordert nun Schröters Rauswurf.

Stand:

Potsdam - Im aktuellen rot-roten Zoff um Abschiebungen stützt die rot-rote Koalition Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) – zumindest nach außen. Ein Schreiben des Innenministeriums an die Ausländerbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten, eine vor Jahren vereinbarte Abschiebequote zu erfüllen, sei nur eine Abwehr von Finanzforderungen der Kommunen für Abschiebungen, keine Aufforderung zu mehr Abschiebungen, erklärten Linksfraktionschef Ralf Christoffers und SPD-Fraktionsvize Kurth.

Tatsächlich erhielt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Andrea Johlige, in den eigenen Reihen Rückendeckung für ihre Kritik an Innenminister Schröter. Sie hatte ihm vorgeworfen, gegen die bisherige Linie der Koalition in der Asylpolitik zu verstoßen. Sie fordert von Schröter, dieser müsse gegenüber den Landräten und Oberbürgermeistern deutlich machen, dass es nicht darum gehe, jetzt mehr abgelehnte Asylbewerber abzuschieben.

Innenministerium fordert: Ausländerbehörden sollen mehr abschieben

Das Innenministerium hatte in dem - von den PNN publik gemachten - Schreiben vom 17. März beklagt: „Die Entwicklung der Abschiebezahlen im Land Brandenburg in den letzten Jahren entspricht jedoch in keinster Weise dem seinerzeit zugrunde gelegten Berechnungsmodell.“ Daher sollen die Ausländerbehörden nun „die Anstrengungen zur zwangsweisen Rückführung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer“ verstärken, um die im Jahr 1997 vereinbarte Quote zu erreichen. Grundlage war damals der Übergang der Zuständigkeit vom Land auf die Landkreise, das Land finanzierte ihnen dann die Kosten.

Hier können Sie das Schreiben auszugsweise lesen >>

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel kritisierte das Vorgehen des Innenministeriums scharf. „Das ist AfD-Politik, die man von einer rot-roten Regierung nicht erwartet“, sagte Vogel. Er werde das in seiner Rede zur rot-roten Halbbzeitbilanz aufgreifen. Nach dem Schreiben seien die Quoten-Vorgaben möglichst einzuhalten. „Abschiebungen sollen erfolgen, um Stellen zu rechtfertigen“, sagte Vogel. Es sei gut, dass die Quotenregelung und die Erstattungsvereinbarung von 1997 nun publik geworden sein. „Die Diskussion muss geführt werden. Das ist gut“, sagte Vogel. Er verwies auf die Abschiebung eines Afghanen aus Brandenburg/Havel in der vergangenen Woche.

Koalitionsfraktionen haben Mühe, Schröters Brief zu erklären

Linksfraktionschef Christoffers und SPD-Fraktionsvize Kurth versuchten die Bedeutung des Schreibens herunterzuspielen. Für Rot-Rot habe freiwillige Ausreise vor Rückführung Vorrang, sagte Christoffers. Das Schreiben des Ministeriums basiere auf einer Anfrage von Kreisen nach mehr finanziellen Mitteln. Kurth sagte, Gegenstand des Schreibens sei nicht die Forderung des Ministeriums nach mehr Abschiebungen. Es habe eine Kreisanfrage nach mehr Personal für die Ausländerbehörden gegeben. Das Ministerium habe nur mitgeteilt, dass die Forderungen nach den gegenwärtigen Abschiebezahlen nicht gerechtfertigt seien. Es gehe nicht darum, dass die Ausländerbehörden bei Abschiebungen „irgendwie die Quote bringen“ müssten. 

Dabei würde auch Christoffers und Kurth ein Blick auf das Schreiben selbst Aufschluss geben. Bereits die Betreffzeile des Schreibens  ist eindeutig: "Abschiebungen ausreisepflichtiger Asylbewerber; Kostenerstattung". Verfasst wurde das Schreiben zwei Wochen nach einem mit rot-roter Mehrheit gefassten Landtagsbeschluss, wonach das Innenministerium die Ausländerbehörden insbesondere bei Afghanen wegen der Sicherheitslage im Hindukusch auffordern soll, alle Ermessensspielräume zu nutzen, um Abschiebungen zu vermeiden. 

Innenminister: "Rückführung hat an Bedeutung gewonnen"

In dem Schreiben heißt es auch: "Es ist gleichzeitig festzustellen, dass die Aufgabe der Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber an Bedeutung gewonnen hat." Zudem kündigt das Innenministerium am Ende des Schreibens an, die Ausländerbehörden demnächst über die "Unterstützungsleistungen" zu informieren, die das Ministerium über das von Bund und Ländern eingerichtete Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) ab Mai anbieten könne. Selbst in den Landratsämtern und in den Rathäusern der kreisfreien Städte wurde das Schreiben als Aufforderung verstanden, mehr abzuschieben. Auch gibt es Widerspruch gegen die Darstellung der Koalitionsfraktionen: Es habe keine Forderung nach mehr Geld und Personal gegeben.

Jusos und Linksjugend kritisieren Schröter scharf

Und auch Schröter selbst teilt die Sicht der Fraktionsspitzen seiner Koalition im Landtag nur bedingt. Dem rbb sagte er am Montagabend: Eine Quote gebe es zwar nicht. Aber: "Im Vergleich der Bundesländer stehen wir ziemlich weit hinten, was die Anzahl der Abschiebungen anbetrifft. Das mag auch daran liegen, dass wir verstärkt auf freiwillige Rückkehr setzen. Allerdings, wo die Freiwilligkeit nicht vorhanden ist, muss dann auch abgeschoben werden."

Aus den Jugendorganisationen von SPD und Linke gab es deutliche Kritik an Schröter: "Wir freuen uns auf den Tag, an dem auch dem Innenminister Menschen wichtiger sind als die Einhaltung einer starren Quote von vor 20 Jahren", erklärten die brandenburgischen Jusos. Und der Linke-Nachwuchs Solid befand, Schröter habe "nun endgültig den Bogen überspannt". Der Innenminister sei für Rot-Rot untragbar, er müsse sofort den Platz räumen. Die SPD habe  Schröter "hochkant rauszuschmeißen". Schröter sollte "sich dringend mal mit den Realitäten und menschlichen Katastrophen seines populistischen Handelns beschäftigen", erklärte der Parteinachwuchs. "Mit der Forderung nach Erfüllung von Abschiebequoten macht er aus Asylsuchenden Nummern. Das hat weder was mit humanistischer Geflüchteten- , noch mit sozialer Politik, die die SPD im aktuellen Schulzhype vor sich herträgt, zu tun."

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Mahmood Amiri floh mit seiner Familie aus Afghanistan. Jetzt sollen sie abgeschoben werden - der Fall aus Potsdam steht exemplarisch für eine heftige Debatte.

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