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Angeschoben. Eigentlich hätte der Flughafen längst in Betrieb sein sollen, doch die Eröffnung wurde mehrmals abgesagt. Die Arbeiten immerhin werden jetzt langsam wieder aufgenommen.

© dpa

Brandenburg: Der Fluchhafen

Zum BER kracht es zwischen Klaus Wowereit und Matthias Platzeck oft. Und am neuen Airport ohne Notärzte wird selbst Erste Hilfe zum Problem

Stand:

Schönefeld - Die BER-Eigentümer wollten an einem Strang ziehen. Denn der Flughafen sei „im gesamtstaatlichen Interesse“ Deutschlands, versprachen die Länderchefs Matthias Platzeck und Klaus Wowereit gemeinsam mit den Bundesministern Peter Ramsauer und Wolfgang Schäuble. Das war im Januar 2013. Doch stattdessen kracht es weiter regelmäßig – besonders zwischen Berlin und Brandenburg. Und neben den Dauerproblemen um Eröffnung und Finanzen gibt es weitere ewige Baustellen am neuen Airport, etwa die unzureichende Erste-Hilfe-Versorgung. Am heutigen Mittwoch beschäftigt das alles den BER-Sonderausschuss des Potsdamer Landtages, der erstmals vor Ort in Schönefeld tagt. Ein Überblick, wo es überall hakt:

DAS ENDE DER NEUEN TRANSPARENZ?

Am Anfang wollen sich die Parlamentarier selbst ein Bild beim Rundgang durch den Pannen-Terminal machen. Allerdings findet der unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, was im Vorfeld für heftigen Streit sorgt. Brandenburgs CDU- Landtagsfraktion will die Ausschusssitzung boykottieren, wenn es beim Ausschluss der Öffentlichkeit bleibt. BER-Vorstandschef Hartmut Mehdorn hatte beim Amtsantritt Transparenz versprochen, sagte damals: „Wir haben eine offene Jacke.“ Doch inzwischen wird die am BER wieder zugeknöpft.

BERLIN UND BRANDENBURG STREITEN

Zwar betonen Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, sie seien politische Freunde. Doch die regelmäßigen Konflikte, auch manch Umgangsstil sprechen seit der Rochade beim Aufsichtsratsvorsitz seitdem eine andere Sprache. So ist beim Nachtflugverbot, bei dem Brandenburg auf Zugeständnisse zugunsten der Anrainer drängt, weiterhin keine Annäherung in Sicht. Oder die mögliche BER-Teileröffnung ab 2014: Während BER-Chef Hartmut Mehdorn von Wowereit abgekanzelt wurde, bekam er von Platzeck im Interview umgehend Rückendeckung für sein „tabuloses“ Herangehen. Überhaupt Platzeck & Mehdorn, es gab schon einmal eine Achse, nur mit anderen Namen: Damals stellten Wowereit, ein Jahrzehnt Aufsichtsratschef, und der inzwischen gefeuerte Flughafen-Manager Rainer Schwarz alle entscheidenden Weichen.

BEIM SCHALLSCHUTZ UNEINS

Beispiel Schallschutz: Nach zwei Urteilen des Oberverwaltungsgerichtes (OVG), das den jahrelangen Billigschallschutz am BER stoppte, würde Berlin immer noch juristisch gegenhalten. Brandenburg dagegen will Ruhe an dieser Flanke, zumal sonst die eigenen Versäumnisse auf Kosten der betroffenen rund 40 000 Anwohner weiter ins Bewusstsein rücken.

KONFLIKTE UM NEUES PERSONAL

Durch Widerstände Berlins scheiterten bereits zwei BER-Personalien für wichtige Posten: Nach der entnervten Absage von Ex-Fraportchef Wilhelm Bender, der Platzeck als Aufsichtsratschef beraten sollte, platzte jetzt die Kür eines neuen Chef-Kommunikators für das Pannenprojekt: Berlin hat den Mehdorn-Versuch als zu teuer vereitelt, einen Ex-Bundespräsidentensprecher für 200 000 Euro Jahresgehalt plus Boni anzuheuern. Dagegen hätte Platzeck die Personalie trotzdem genehmigt. Sein Kalkül: Der bereits 4,4 Milliarden Euro teure Flughafen steht wegen absehbar neuer nötiger öffentlicher Zuschüsse, in einer Größenordnung von womöglich einer halben, vielleicht einer Milliarde Euro, und angesichts des noch schwierigeren nächsten EU-Notifizierungsverfahrens in Brüssel wieder einmal vor Turbulenzen – auch in Bundestag und den beiden Landesparlamenten. Ein unbelasteter Erklärer und PR-Profi, der politische Netzwerke pflegt, wäre da nicht von Schaden, heißt es in Potsdam. Das Gleiche gelte, um das zerrüttete Verhältnis zu den Anrainerkommunen zu kitten.

KEINE NOTÄRZTE VOR ORT

„Europas modernster Flughafen“ hat noch eine Achillesfese: Anders als am Fraport in Frankfurt am Main soll am BER, der bereits beim Start jährlich 27 Millionen Passagiere abfertigen und Tausende Mitarbeiter beschäftigen wird, nach den Plänen kein Notarzt stationiert sein. Und die Erste-Hilfe–Station im Fluggastterminal sei „nicht ständig besetzt“, so ein Bericht des Potsdamer Gesundheitsministeriums. Eine Flughafenklinik wie am Fraport war nie geplant. Stattdessen sollen Sanitäter der Flughafenfeuerwehr Erste Hilfe leisten, bis der Rettungsarzt der rund 10 Kilometer entfernten Rettungswache in Schönefeld eintrifft. Die Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin hält dieses bisher geplante BER-Notversorgungssystem für fahrlässig. Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) hatte im Landtag erklärt, dass am BER die gesetzlichen Eintreffzeiten wie sonst im Lande gesichert würden. Laut Tack werden aber „derzeit gesellschaftsinterne Überlegungen angestellt, in welcher Art und Weise eine angemessene Versorgung im Bedarfsfall für Flughafengäste geschaffen werden kann.“

FREIWILLIGE FEUERWEHR FÜR BAHNHOF?

Als ob es mit der Brandschutzanlage nicht genug Probleme gäbe: Der Flughafen will auch bei der Feuerwehr sparen - und klagt deshalb sogar gegen Brandenburgs Innenministerium. Das hatte 2009 verordnet, dass die BER-Werksfeuerwehr auch für das Löschen von Bränden im unterirdischen Flughafen–Bahnhofstunnel zuständig ist. Der Flughafen lehnt das ab, sieht die Freiwilligen Feuerwehren der Kleinstädte und Dörfer der Umgebung in der Pflicht. Auch unter Platzeck und Mehdorn wurde die Klage bislang nicht zurückgezogen. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Cottbus steht noch aus.

Thorsten Metzner

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