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Polizeireform: Der Innenminister gegen den Nordwesten

Mit der Änderung der Polizeireform eckt Woidke nur an – in Regierung, Justiz und einer ganzen Region

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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) sucht im Zuge der Polizeireform jetzt neues Personal – und zwar Leiter für die vier neuen Polizeidirektion. Im Nordwesten des Landes aber herrscht Aufruhr, die Führungsebene der dortigen Polizei fürchtet um langfristigen Bestand der Direktion Nord mit Sitz in Neuruppin. Auch Neuruppins Leitender Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher erneuerte seine Kritik, warnt vor der schleichende Abwicklung des Justizstandorts. Und in der rot-roten Landesregierung wird Woidkes Vorgehen zunehmend zur Belastungsprobe. Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) geht inzwischen offen auf Konfrontationskurs zu seinem Kollegen. In der Koalition ist davon die Rede, Woidke betreibe Wahlkreispflege für Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD).

Grund ist die von Woidke vergangene Woche verkündete Entscheidung, den Landkreis Uckermark, wo Platzecks Wahlkreis liegt, entgegen vorheriger Absprachen mit dem Justizressort gänzlich der Polizeidirektion Ost in Frankfurt (Oder) zuzuschlagen. Zuvor hatte Uckermark- Landrat Dietmar Schulze (SPD), einst Staatssekretär unter Woidke als Agrarminister, offenbar in Potsdam seine alten Kontakte aktiviert und eine mit Landräten der anderen Oder-Kreise und Frankfurts Stadtspitze eine breite Front gegen die Zuordnung nach Neuruppin formiert – obwohl die Uckermark schon jetzt zum größten Teil in diesem Landgerichtsbezirk liegt.

Ein Polizeichef aus dem Nordwesten des Landes sagte den PNN, er gehe davon aus, dass mit Woidkes Umschwenken in der lange als sicher geltenden Frage die Direktion Nord schon in drei Jahren nicht mehr geben werde, weil deutlich kleiner als die übrigen und nicht arbeitsfähig wäre. „Der Schritt des Ministers ist eine Rückkehr zum Drei-Direktionen-Modell“, sagte der Beamte.

Tatsächlich gab es derartige Gedankenspiele, wonach die Polizei von drei Standorten in Brandenburg/Havel für den Westen, Frankfurt (Oder) für den Osten und Cottbus für den Süden geführt werden könnte, bereits in den Expertenrunden des Innenministeriums. Das Modell stieß aber auf Widerstand bei der Justiz, weil wegen geringer Einwohnerzahl der kleinste Standort der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts in Neuruppin in Gefahr war. Stattdessen hatten sich Woidkes Vorgänger Rainer Speer (SPD) und Justizminister Volkmar Schöneburg auf einen deckungsgleichen Zuschnitt von vier einigermaßen gleich großen Polizeidirektionen mit den vier Landgerichtsbezirken geeinigt – um den Verlust an Kriminalbeamten durch bessere Zusammenarbeit dank klarer Strukturen auszugleichen. Ursprünglich sollte daher der Justizstandort Frankfurt seine Zuständigkeit für den kleineren Teil der Uckermark an Neuruppin abgeben.

Inzwischen ist mit Woidkes Entscheidung, die in der rot-roten Regierungskoalition und im Polizeiapparat Irritationen auslöste, alles anders. Selbst Mitglieder der Evaluierungskommission zur Polizeireform und auch Polizeipräsident Rainer Kann sollen dem Vernehmen nach nicht eingebunden gewesen sein. Und Woidke hatte durchblicken lassen, dass die Landgerichtsbezirke an die neue Struktur angepasst werden könnten. In der Regierung facht er damit den Dauerstreit mit Schöneburg um die Gerichtsstrukturen neu an. Der Justizminister sagte: „Das wird die Justiz nicht mitmachen.“ Zumal Schöneburg bereits ein Gesetz zur neuen Gerichtsstruktur mit der Uckermark im Bereich Neuruppin in die Ressorts zur Abstimmung gegeben hat. Wegen der gebrochenen Absprachen ging er gar so weit zu sagen, das Amtsgericht Prenzlau bleibe bei Neuruppin, deckungsgleiche Strukturen von Polizei und Justiz seien kein „unbedingtes Muss“, womit ein zentraler Kompromiss zur Polizeireform wieder zur Debatte steht; mit Folgen auch für den Süden, wo das Amtsgericht Königs Wusterhausen nach Cottbus eingegliedert wird.

Woidkes zentrales Argument ist der Kampf gegen die wachsende Grenzkriminalität. Es wäre effektiver wenn nur die beiden Direktionen und Staatsanwaltschaft in Frankfurt und Cottbus – und nicht noch wegen der Uckermark die Neuruppiner Ermittler – damit befasst wären. Doch deren Zuständigkeit reicht schon jetzt sieben Kilometer an die Grenze heran. „Die Vorstellung, ausländische Kriminelle würden nachts mal eben über die Grenze kommen und nach einer Tat in Grenznähe sofort wieder verschwinden, ist ein Auslaufmodell“, sagte Neuruppins Leitender Staatsanwalt Schnittcher. In der Tat reicht die Zahl der Autodiebstähle im Landes-Westen inzwischen an die in der Grenzregion heran, weshalb die neue Ermittlungskommission „Grenze“ nun auch in Oranienburg stationiert ist. Von dort meldete sich Oberhavel-Landrat Karl- Heinz Schröter (SPD). Er forderte von Platzeck ein Machtwort. Woidke brüskiere Schöneburg, den Landtag, eine ganze Region. Der Fortbestand der Direktion und des Jusitzstandorts Neuruppin seien wegen der geringenen Einwohnerzahl in Gefahr. Platzecks Zurückhaltung sei daher völlig unverständlich. Auffällig ist sie schon – zumal es mit der Uckermark um seinen Wahlkreis geht.

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