zum Hauptinhalt
Die Tür steht offen. Die Brandenburger SPD – hier der neue Fraktionsvorsitzende im Landtag, Klaus Ness – kann sich den Koalitionspartner aussuchen.

© Ralf Hirschberger/dpa

Brandenburg: Der Nächste, bitte

Koalitionspoker in Brandenburg: Linke und CDU formieren sich für die Sondierungsrunden mit der verjüngten SPD. Und die Grünen wissen schon, wer das Land künftig regiert

Stand:

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lädt zur doppelten Brautschau in die Staatskanzlei. Als erstes sind die Linken dran. Die SPD wird am Donnerstag mit dem bisherigen Koalitionspartner sondieren, ob Rot-Rot II möglich ist, trotz der massiven Verluste der Linken, am Freitag kommt die CDU. Ob und wie viele Sondierungen nötig sind, werde man sehen, sagte SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz am Dienstag. Und im Landesparlament, gerade neu gewählt, beginnt die erste Arbeit.

LINKE

Die Linken wollen Rot-Rot versuchen, unbedingt sogar. Darüber bestand am Dienstag Einigkeit bei einer Klausur der auf 17 Köpfe geschrumpften Landtagsfraktion im Schönefelder „Holiday Inn“, Raum „Berlin-Brandenburg-Airport“. Am Vorabend hatte bereits der Landesvorstand, gemeinsam mit Kreischefs, Vertretern der Linke-Jugendorganisationen, grünes Licht gegeben, ernsthaft mit der SPD zu sondieren. Obwohl der Schock über die Wahlniederlage mit dem historisch schlechten 18-Prozent–Ergebnis noch tief sitzt. Und sich manche Folgeprobleme erst noch zeigen werden, die für die Linke gravierend sind – finanziell, strukturell, auch für die Arbeitsfähigkeit der kleinen Fraktion. Mit nur 17 Abgeordneten wird es kaum möglich sein, landesweit Büros zu unterhalten. In der Fraktion sind Potsdamer, mit vier Abgeordneten, überrepräsentiert, für Fachgebiete gibt es deutliche Lücken. Illusionslos sind die Linken, dass das politische Gewicht gegenüber der SPD gesunken und das Dilemma groß ist, in einem neuen Bündnis linkes Profil erkennbar sein muss. Sonst wird es schwer, die Basis zu überzeugen, die bei einem Mitgliederentscheid den Koalitionsvertrag absegnen müsste. Damit die Basis mitmacht, so die Marschroute, wollen die Linken nun vor allem versuchen, in der Bildungspolitik eigene Akzente durchzusetzen, die SPD für den „Einstieg in die Gemeinschaftsschule“ zu gewinnen, eine Position des Wahlprogramms. Es heißt auch, dass die Linken gern das Bildungsressort übernehmen würden, das als Problem-Ministerium gilt. „Wir können Wirtschaft, Finanzen, Justiz“, sagte jedenfalls Parteichef Christian Görke. „Wir können auch Bildung.“ Er fügte hinzu: „Die Partei kann auch Opposition.“

 

CDU

Die Union bemüht sich vor den Sondierungen um demonstrative Gelassenheit. „Ich kann nicht pokern“, sagte Verhandlungsführer Michael Schierack, der am Dienstag wieder zum Chef der Landtagsfraktion gewählt wurde, mit einer Gegenstimme. Und noch eine Personalie wurde beschlossen. Dieter Dombrowski, Vize-Fraktionschef und früher Generalsekretär, soll Vize-Landtagspräsident werden. Klar ist damit, dass Dombrowski nicht zur CDU-Ministerriege gehört, wenn es Rot-Schwarz wird. Und auch Christian Ehler, der Europaabgeordnete wohl nicht, der in den Landtag gewählt wurde. Nach Worten von Schierack bleibt Ehler in Straßburg, wird das Mandat nicht annehmen.

Schierack geht kompromissbereit in die Sondierungsrunde in der Staatskanzlei, wie er deutlich machte. Zum „Demografie–Ministerium“, das er im Wahlkampf vehement gefordert hatte, sagte er etwa: Es sei eine „charmante Idee“, aber „wir lassen uns immer gern von guten Gegenargumenten überzeugen.“ Den Pannenflughafen BER will Schierack zum Thema machen. „Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass weniger Politiker, mehr Fachleute in den Aufsichtstrat gehören. Dafür werde ich konsequent werben.“ Unverhandelbare Positionen der CDU, die konträr zur SPD stehen, gibt es nicht. Am Montag hatte Schierack in Berlin auch eine persönliche Audienz bei Kanzlerin und CDU-Bundeschefin Angela Merkel, bei der es natürlich auch um die Lage in Brandenburg nach der Wahl ging. Merkel hatte Schierack im Wahlkampf unterstützt, sogar Bundeshilfe bei Innerer Sicherheit, Investitionen in Aussicht gestellt. Nun habe Merkel „den Hinweis gegeben“, dass es gut wäre, wenn es in Brandenburg eine rot-schwarze Koalition wie auf Bundesebene gäbe. Dies hätte, so Schierack weiter, Auswirkungen auf den Bundesrat, weil „durchregiert werden könnte“. Möglich wäre dann „eine Politik aus einem Guss“, es wäre „keine Lex Brandenburg“, aber besser für das Land.  

 

SPD

Die SPD freute sich, als sich am Dienstag die neue Fraktion konstituierte, über viele neue Gesichter. Jeder dritte der 30 Abgeordneten ist neu. Und alle Abgeordneten – außer die bisherige Bildungsministerin Martina Münch (SPD) – gewannen ihre Wahlkreise direkt. Es sei eine „selbstbewusste, hoch motivierte Fraktion“, sagte Klaus Ness, der mit einer Gegenstimme wieder zum Fraktionschef gewählt wurde. Für die Entscheidung über die Koalition werde ausschlaggebend sein, „dass wir eine stabile Regierung hinbekommen, die verlässlich fünf Jahre ihre Aufgaben erledigt“. Und zwar mit einem Partner, bei dem es „kein ständiges Hickhack“ gebe.

 

GRÜNE

Brandenburgs Grüne – bekannt für präzise, pointierte Analysen – zeigten sich bereits sicher, wohin die Reise geht. „Mein Tipp: Es wird Rot-Schwarz“, sagte Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher. In den letzten Wochen sei schon eine Annäherung von SPD und CDU zu beobachten gewesen. „Die SPD war immer knallhart kalkulierend, und knappe Mehrheiten waren denen noch nie angenehm.“ Amtskollege Axel Vogel, der es genauso sieht, sekundierte: Seit 1990 „sind alle, mit denen die SPD koalierte, untergegangen, erst FDP und Grüne, dann die CDU, jetzt die skelettierten Linken“. Persönlich hätte er lieber wieder Rot-Rot, weil dies der parlamentarischen Kultur im Landtag gutgetan habe, „es möglich war, als Gestaltungsopposition“ einiges durchzusetzen. Auch diesmal startete die Grünen-Fraktion mit Sacharbeit. In der Eröffnungssitzung des Landtages wollen sie eine Parlamentsreform anstoßen, um den Landtag lebendiger, die Plenardebatten spannender zu machen, etwa durch Aktuellere Stunden, eine Abkehr von ritualisierten Fragestunden. Die Grünen wollen damit auch eine Konsequenz aus der dramatisch niedrigen Wahlbeteiligung ziehen, wie Nonnemacher sagte, „aus der bitteren Erkenntnis, dass das, was wir im Landtag debattierten und beschließen, nicht nach draußen dringt“.  

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })