Brandenburg: „Der Zeitpunkt ist eine riesengroße Sauerei“
Brandenburgs Agrarminister Dietmar Woidke (SPD) über das Gen-Mais-Verbot und die Folgen
Stand:
Herr Woidke, das Bundesamt für Verbraucherschutz hat de facto den Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Deutschland verboten, der Saatgutkonzern Monsanto hingegen erklärt, es könne alles beim Alten bleiben – was stimmt denn nun?
Der Bescheid bezieht sich auf den Konzern Monsanto, dessen Gen-Mais-Sorte Mon 810 in Deutschland angebaut wird. Dem Konzern ist die Weitergabe von Mon 810 mit sofortiger Wirkung verboten. Das heißt, es darf ab sofort auch keiner mehr neu angebaut werden – das steht außer Frage.
Nun ist die Gen-Mais-Saat aber schon seit Wochen ausgebracht worden, allein in Brandenburg auf etwa 1600 Hektar.
Der Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes ist eine riesengroße Sauerei. Vor acht Wochen hätte die gesamte Aussaat noch verhindert werden können. In dem Bescheid heißt es zur Begründung, dass die Aussaat kurz bevorstünde. Das ist doch eine Behördenposse – allerdings kann da keiner drüber lachen. Der Bescheid kam eindeutig acht Wochen zu spät. Die Verantwortung dafür trägt Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Ich hoffe nur, dass er dieser Verantwortung – besonders gegenüber den Bauern, die die Saat schon ausgebracht haben, auch gerecht wird.
Sollen die Bauern die Saat unterpflügen und entschädigt werden?
Das muss Seehofer selbst wissen.
Wenn der ausgebrachte Gen-Mais nun weiter reift – was wird aus der Ernte?
Bisher ist von dem Bescheid des Bundesamtes nur der Verkauf seitens Monsanto verboten. Nach bisherigem Stand sind Anbau und Verarbeitung weiterhin möglich – das ist ja das Unfassbare an dem Zeitpunkt.
Die Dummen sind die Bauern, die Gen-Mais anbauen?
Auf ihnen lastet der gesamte Druck statt auf dem Bundesministerium und dem Konzern. Man muss sich das doch nur mal vorstellen: Da wachsen dann ganze Felder mit Gen-Mais heran, der amtlich im Verdacht steht, gesundheits- und umweltgefährdend zu sein – ein Horrorszenario für viele Menschen und den betroffenen Bauern ist das auch nicht zuzumuten. Seehofer darf diese Landwirte jetzt nicht im Regen stehen lassen.
Kann Ihr Landesministerium nicht einfach anweisen, dass die Saat untergepflügt wird?
Nein, wir haben die Möglichkeit nicht. Was schon im Boden ist, darf weiter wachsen.
Sie sind noch am Dienstag auf einer internen Anhörung in der SPD-Landtagsfraktion von Professor Bernd Müller-Röber von der Uni-Potsdam für Ihre Aussage, Brandenburgs Zukunft liege jenseits der Grünen Gentechnik, harsch kritisiert worden. Sehen Sie sich nun bestätigt?
Ja. Wir hatten von Anfang an Zweifel an der Gesundheits- und Umweltverträglichkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen. Doch da wir uns als Ministerium nicht in den Streit der Wissenschaftler einmischen konnten und die EU-Kommission den Anbau der Monsanto- Gen-Mais-Sorte Mon 810 im Jahre 1998 befristet für zehn Jahre zugelassen hatte, haben wir unsere Skepsis öffentlich vor allem mit dem Imageschaden, den der Anbau von Gen-Mais für Brandenburg mit sich bringt, begründet.
Sind die Erkenntnisse, auf die sich das Bundesamt nun beruft, neu?
Die meisten kritischen Gutachten gibt es schon seit Jahren. Die sind nur von einigen Wissenschaftlern zerrissen worden, weil sie zum Teil von Umweltschutzorganisationen stammten. Auch dem Bundesministerium lagen solche Gutachten lange vor. Neu ist der Verweis auf die Gefahr von Umweltschäden.
Monsanto argumentiert, es führe bereist – wie nun vom Bundesamt gefordert – ein Monitoring über die Auswirkungen des Anbaus durch.
Das stimmt so einfach nicht. Monsanto kann nicht einfach die vom Bundesamt geforderten gründlichen, wissenschaftlich fundierten Begleituntersuchungen wegwischen. Das, was Monsanto bisher macht und nun Monitoring nennt, ist nicht viel mehr als ein weitgehend harmloser Fragebogen, der den Bauern zugeschickt wird und den sie ausfüllen sollen.
Die EU-Kommission hat den Gen-Mais-Anbau bis 2008 genehmigt – im kommenden Jahr muss also erneut entschieden werden.
Die Entscheidung vor 1998 war – wie sich jetzt zeigt – voreilig und hat der so genannten grünen Gentechnik mehr geschadet als genützt. Mit einer neuen Entscheidung der EU könnte sich das Thema dann nicht nur Deutschland- sondern EU-weit erledigen. Das Jahr 2008 wird für den Anbau von Gen-Pflanzen in Europa entscheidend. Und Grundlage der Entscheidung in Deutschland sind wissenschaftliche Untersuchungen, die ich durch ein einfaches Monitoring, wie es Monsanto nun ankündigt, für nicht widerlegbar halte.
Das Gespräch führte Peter Tiede
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