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Brandenburg und Vattenfalls Braunkohle: Deutsch-schwedische Klimafragen
Seit Jahren ist die Braunkohleverstromung in Brandenburg umstritten – nicht zuletzt wegen des enormen Kohlendioxid-Ausstoßes. Liegt die Lösung im Meer?
- Jan Kixmüller
- Matthias Matern
- Peter Tiede
Stand:
Statt unter Brandenburgs Erde soll das Problem nun unter den Meeresboden gepumpt werden: Der schwedische Staatskonzern Vattenfall und Brandenburgs rote-rote Regierung haben am Dienstag eine Vereinbarung unterzeichnet, in der der Energieriese seinerseits verspricht, den Kohlendioxid-Ausstoß aus seinen brandenburgischen Kohlekraftwerken bis 2030 um 72 Prozent gegenüber 1990 (20 Prozent gegenüber 2012) zu reduzieren. Die Landesregierung ihrerseits hat zusagt, den Konzern dabei nach Kräften zu unterstützen. Erreichen will Vattenfall sein Ziel unter anderem mit Investitionen in die Effizienzsteigerung. Wiederauferstehen soll aber auch die bereits totgeglaubte CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) zur CO2-Abscheidung und unterirdischen Endlagerung. Das klimaschädliche Gas soll mithilfe der Landesregierung über ein Pipeline-System exportiert, aufs Meer gebracht und dort unterirdisch verklappt werden. Einige Fragen zum Thema:
Was sehen Brandenburgs Klimaziele beim Kohlendioxid vor?
Bis 2030 will Brandenburg den CO2-Ausstoß auf 25 Millionen Tonnen senken. Das entspräche laut Regierung einem Rückgang um ebenfalls 72 Prozent gegenüber 1990. In den Vorjahren hat die Emission allerdings kontinuierlich zugenommen: 2011 im gesamten Land um 1,1 Millionen Tonnen auf insgesamt 57 Millionen Tonnen. Brandenburg ist damit Deutschlands Klimakiller Nummer eins.
Wie viel CO2 stößt Vattenfall im Jahr in Brandenburg aus – und: Wird es weniger?
Weniger wird es nicht – im Gegenteil: Zumindest nach Angaben des brandenburgischen Umweltministeriums stieg der CO2-Ausstoß durch die Braunkohleverstromung noch von 2010 auf 2011 von 35,6 auf 36,3 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr. Vattenfall dagegen gibt an, dass sämtliche vom Konzern betriebene Braunkohlekraftwerke im Land derzeit rund 35 Millionen Tonnen CO2 verursachen. 1990 seien es noch 61,5 Millionen Tonnen gewesen. 2030 sollen nur noch 17 Millionen Tonnen Kohlendioxid anfallen. Da der schwedische Staatskonzern im Jahr 2012 aber insgesamt 62 Millionen Tonnen Braunkohle aus seinen Lausitzer Tagebauen gefördert hatte – so viel wie zuletzt 1993 –, gehen Experten auch davon aus, dass der CO2-Ausstoß eher weiter angestiegen ist. Mit etwa 55 Milliarden Kilowattstunden hat Vattenfall 2012 nach eigenen Angaben in der Lausitz so viel Strom erzeugt wie seit der Wende nicht mehr.
Was sagen Experten zu den Klimazielen und der Braunkohle?
Der zwölfköpfige Regierungsbeirat für Nachhaltigkeit und zwei Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung warnen unabhängig voneinander vor neuen Tagebauen und Kraftwerken. Ansonsten seien die in der Energiestrategie 2030 des Landes verankerten Klimaschutzziele unerreichbar. Laut EU-Umweltagentur ist das Kraftwerk Jänschwalde der drittgrößte Verursacher gesundheitsschädlicher Emissionen in Europa und der größte in Deutschland.
Was plant Vattenfall in Brandenburg?
Derzeit betreibt der Konzern in Brandenburg zwei Braunkohlekraftwerke (Jänschwalde und Schwarze Pumpe) und drei Tagebaue. Neben den bestehenden Tagebauen Welzow, Cottbus Nord und Jänschwalde will der Konzern vier weitere aufschließen. Für Welzow Süd und Jänschwalde Nord laufen die Verfahren. Sie sind umstritten, da Ortschaften abgebaggert und deren Einwohner umgesiedelt werden müssten. Zwar hat das Land die Genehmigung für Jänschwalde Nord einst daran gebunden, dass Vattenfall das veraltete Kraftwerk Jänschwalde durch ein modernes, möglichst umweltschondenes ersetzt. Bindend ist dies aber nicht.
Brandenburg und Vattenfall setzen auf CO2-Lager am Meeresgrund – gibt es das?
Kohlendioxid per Pipeline in die Nordsee-Region zu schicken, um es dort unterirdisch einzulagern, ist theoretisch möglich. Bis zu dem Punkt, an dem die bis zu 200 Meter Tiefe Nordsee in den Nordostatlantik übergeht – etwa an einer Linie zwischen Schottland und Südnorwegen – finden sich ähnlich geologische Strukturen wie im norddeutschen Becken. Für diese Region haben Forscher des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) erst vor Kurzem nach einer Studie im brandenburgischen Ketzin grünes Licht für eine unterirdische Einlagerung von CO2 gegeben. In der Nordsee wird tatsächlich bereits CO2 in den Untergrund gepumpt. Norwegische Erdölfirmen verwenden das bei der Offshore-Erdölförderung vor der Küste anfallende Gas dazu, um den Förderdruck unterirdisch künstlich zu erhöhen.
Wie soll das CO2 aufs Meer kommen?
Der Transport per Lkw ist in großen Mengen verboten – CO2 ist ein Gefahrgut. Bleibt also nur der Weg über ein Pipelinenetz – und das gibt es nicht. Hier herrscht bisher vor allem das Prinzip Hoffnung – auf ein vages EU-Projekt. Von den Verfechtern dieses Planes wird eine Route gen Ostsee entlang der Erdgasleitung „Opal“, die ab der Ostsee von Greifswald/Lubmin kommend durch Vorpommern, Brandenburg und Sachsen verläuft, ins Spiel gebracht. Unklar ist, wie es ab Küste weiterginge. Zwei Möglichkeiten gibt es. Die unwahrscheinlichste, weil aufwendigste und teuerste: Der Bau einer unterseeischen Pipeline etwa nach Norwegen. Die wahrscheinlichste: Der Transport per Schiff entweder nach Norwegen oder direkt auf die Nordsee zu den Endlagerstätten.
Woher kommt die Pipeline-Idee?
Offenbar von Vattenfall selbst. Jedenfalls streut es der Konzern seit geraumer Zeit – auch über die Lausitzer SPD.
Wer könnte noch Interesse an einer unterseeischen Lageerung von CO2 haben?
Die gesamte energieintensive Industrie wie die Zement- und die Stahlindustrie, denen zumindest in einigen Jahren spürbare Abgaben auf Emissionen drohen. Anders als Vattenfall haben sich diese Unternehmen aus der Speicherdebatte herausgehalten. Da die Geschäftsfelder dieser Unternehmen anders als das Kohlegeschäft Vattenfalls grundsätzlich nicht infrage gestellt werden, ließe sich die Speicherdebatte einfacher an deren Beispiel führen, monieren Vattenfall-Manager. (mit axf)
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