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Der richtige Griff? Brandenburgs Regierungs- und SPD-Chef Matthias Platzeck, hier am Freitag beim Autoteile-Zulieferer YMOS, der in Prenzlau Autotürgriffe baut, will einen Teil der Debatte um die ersten Nachwendejahre in Brandenburg in den Griff bekommen.

© dpa

Von Alexander Fröhlich: Deutungsfragen

Die Opposition ist sich einig über Enquete-Kommission / SPD holt Stolpe zu ihrem Geschichts-Parteitag

Stand:

Potsdam – Die Enquete-Kommission zur „Aufarbeitung der Aufarbeitung“ der SED–Diktatur in den Anfangsjahren des Landes Brandenburg nimmt konkrete Formen an. Zwar haben die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und Grünen Stillschweigen über das weitere Vorgehen vereinbart. Doch nach PNN-Informationen haben sich die Spitzen nach mehreren Gesprächen nun auch förmlich auf die Kommission geeinigt. Am kommenden Dienstag beraten die drei Fraktionen jeweils für sich den Antragsentwurf zur Einberufung der Kommission, eine Woche später soll bei einer gemeinsamen Fraktionssitzung ein Beschluss darüber herbeigeführt werden.

Es geht um den ganz eigenen Weg Brandenburgs im Umgang mit Stasi-Spitzeln in Politik und Behörden, so etwa der Polizei. Durch die erste rot-rote Landesregierung und mehrere als Stasi-Zuträger enttarnte Abgeordnete der Linksfraktion war die Debatte im Herbst darüber neu entflammt. Besonders die Überprüfung der Abgeordneten des ersten Landtags auf eine Tätigkeit für die Staatssicherheit geriet ins Zwielicht, wegen fragwürdiger Kriterien und unklarer Verfahren ebenso die damit beauftragte Kommission von damals.

Ins Zentrum der Debatte rückt vor allem wieder der erste und langjährige Ministerpräsident, Manfred Stolpe (SPD). Auch die Enquete-Kommission soll sich mit dessen Rolle beschäftigen, insbesondere damit, ob und wie weit sich Stolpes Nähe zum SED-Regime auf die Gründlichkeit der Stasi-Überprüfungen ausgewirkt hat, heißt es im Landtag. Völlig offen ist etwa, ob Stolpes Stasi-Akten der Landtags-Kommission von 1991vorlagen und ob sie dessen Kontakte als Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche der DDR zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als beruflich notwendig einstufte.

Die SPD war in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen eifrig bemüht, dieses heikle Nachwendethema nicht wieder groß auf die Tagesordnung gelangen zu lassen. Stolpes enge Kontakte zu unterschiedlichen Abteilungen des MfS, das ihn als „IM Sekretär“ führte und laut Aktenlage mit einem Orden dekorierte, hatten Brandenburg die 90er Jahre hindurch beschäftigt. Bis heute leugnet Stolpe, IM der Stasi gewesen zu sein.

Nun versuchen die Sozialdemokraten um landeschef Matthias Platzeck in der andauernde Debatte selbst in die Offensive zu gehen. Auf dem Landesparteitag Anfang Juni in Velten (Oberhavel) soll der Ehrenvorsitzende Stolpe als Hauptredner auftreten. Das wäre sein erster gewichtiger Auftritt, seit Stolpe im Jahr 2002 als Regierungschef zugetreten und die Geschäfte an Platzeck übergeben hat. Thematisch geht es bei dem Parteitag um 20 Jahre SPD und Brandenburg. Platzeck stellt sich zur Wiederwahl als Landesvorsitzender, der Vorstand soll einen Leitantrag samt Bilanz zu 20 Regierungsjahren vorlegen. „Es geht darum, was wir erreicht haben, um das Land voranzubringen“, sagte Generalsekretär Klaus Ness. Stolpe sei eine Art Gründervater für das Land, „er ist derjenige, der dem Land in den ersten Jahren Identität gegeben hat“, auf die die Menschen im Land zurecht stolz seien. „95 Prozent der Menschen sagen, sie leben gern in Brandenburg. Das Land ist ein positiver Bezugspunkt.“ Zudem sei in den Anfangsjahren nach 1990 durch Stolpes Rolle in der DDR eine intensivere Vergangenheitsdebatte geführt worden, als in anderen Bundesländern. Bei vielen Brandenburgern hätten die Vorwürfe „in einigen Medien“ aber zu Überdruss geführt, daher leite sich auch der differenzierte Umgang mit DDR-Biografien her. „Viele Menschen haben die Auseinandersetzung um Stolpe als Hetzjagd empfunden und sich darin nicht wiedergefunden.“

Auch das wird die Enquete-Kommission wohl beschäftigen. Weitere Untersuchungsaufträge von den Regierungskoalitionen SPD und Linke könnte das Gremium beschäftigen. Besonders in der Linksfraktion gibt es den Wunsch, die Rolle der Aufbauhelfer aus den alten Bundesländern doch auch zu beleuchten.

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