
© dpa
Brandenburg: Die Angst vor dem Braunkohle-Aus
Lausitzer Kommunen befürchten „enorme“ Folgen für die Wirtschaft/FDP fordert neue Energiepolitik
- Alexander Fröhlich
- Matthias Matern
Stand:
Potsdam/Cottbus - Erste Signale deuten angeblich auf eine Entwarnung hin, offiziell entschieden ist aber noch nichts. Klar ist dagegen, die Bedingungen für die künftige Energiepolitik des Landes Brandenburg werden nicht in der Landeshauptstadt Potsdam, sondern auf der anderen Seite der Ostsee, in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, geschaffen. Dort traf sich am gestrigen Montag der Aufsichtsrat des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall, um über die neue Ausrichtung des Energieriesen zu beraten. Wie berichtet, steht auch die Zukunft der Braunkohlesparte zur Diskussion. Während gestern vor allem Bürgermeister aus den traditionsreichen brandenburgischen Braunkohlerevieren in der Lausitz besorgt auf Nachrichten aus Stockholm warteten, nutzte die Opposition im brandenburgischen Landtag die Situation als Steilvorlage für einen Angriff auf die bisherige Energiepolitik der rot-roten Landesregierung.
Der FDP-Energieexperte Gregor Beyer sagte, die derzeit in Überarbeitung befindliche Energiestrategie des Landes müsse langfristiger ausgelegt werden – bis zum Jahr 2050. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Anteil der Kohle abnehmen wird. Wir brauchen einen Plan B für die Lausitz.“ Allerdings sei eine Entscheidung Vattenfalls für einen Rückzug „keine, die morgen greift“. Jetzt seien schnelle Entscheidungen gefordert, es müsse massiv in Forschung investiert werden – etwa zu geschlossenen Kohlekreisläufen. „Die Kohle wird dann ihre Bedeutung behalten.“ CDU-Energieexperte Steven Breetz appellierte, Vattenfall müsse sich zum Energieland Brandenburg und seiner Verantwortung für die Region bekennen. „Ich bleibe dabei, Braunkohle ist eine Brückentechnologie für erneuerbare Energien.“ Grünen-Fraktionschef Axel Vogel dagegen sagte, angesichts der Milliarden-Gewinne aus der klimaschädlichen Verstromung der Braunkohle in der Lausitz müsse der Ausstieg sozial verantwortlich erfolgen, den Vogel grundsätzlich begrüßte. Das Wirtschaftsministerium wollte sich noch nicht zum möglichen Rückzug Vattenfalls äußern.
In der Lausitz war man gestern dagegen bemüht, die Verunsicherung in der Bevölkerung angesichts eines möglichen Braunkohleausstiegs von Vattenfall nicht noch zusätzlich anzuheizen. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Cottbus (IHK) hängen in Brandenburg rund 12 000 Arbeitsplätze von der Braunkohle ab, davon allein 5000 direkt bei Vattenfall. Die allermeisten im Süden des Landes. Insgesamt fördert der Konzern derzeit an drei Standorten in der brandenburgischen Lausitz Braunkohle. In der Stadt Cottbus ist mit der Vattenfall Europe Mining AG zudem die Braunkohle-Zentrale des Konzerns ansässig. „Uns ist wichtig, dass keine Panik entsteht“, sagte Wieland Eschenburg, Sprecher der Stadt Cottbus. Ein solcher Ausstieg passiere schließlich nicht „von heute auf morgen“, beruhigte Eschenburg. Außerdem bedeute ein Verkauf von Kraftwerken nicht zwingend eine Stilllegung. „Trotzdem lehnen wir uns nicht zurück, sondern beobachten die Entwicklungen sehr genau. Als Stadt sind wir mit dem Konzern gut im Gespräch“, versicherte der Stadtsprecher.
Unter vorgehaltener Hand jedoch wird in der Lausitz ein möglicher Abschied Vattenfalls als „Katastrophe“ bezeichnet. Wirtschaftliche Alternativen zur Braunkohle seien nicht in Sicht, hieß es. Andere Wirtschaftszweige könnten nicht annähernd so viele Arbeitsplätze schaffen wie Tagebaue, dazugehörige Kohlekraftwerke und die davon abhängigen Handwerks- und Dienstleistungsbranchen.
„Vattenfall und die Braunkohle sind in der Region strukturbestimmend und jede Veränderung der Branche hat auch Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft“, bestätigte gestern Nils Ohl, Sprecher der IHK-Cottbus. Allein im Tagebau Welzow-Süd fördert Vattenfall eigenen Angaben zufolge jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen Braunkohle. In der Verwaltung der Stadt im Spree-Neiße Kreis ist man verunsichert. „Wir sind wegen der Berichte zu den Ausstiegsabsichten und den Dementis von Vattenfall hin- und hergerissen“, gibt der parteilose Vize-Rathauschef Detlef Pusch zu. Eine Ende der Braunkohleförderung hätte für die Stadt enorme Folgen, meinte der stellvertretende Bürgermeister. „Im Ort gibt es viele Unternehmen, die von den Aufträgen Vattenfalls leben. Ohne Tagebau wären diese Firmen wohl erledigt“, sagte PuschA. Fröhlich/M. Matern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: