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Von Peter Tiede: Die Blöckepartei

In Brandenburgs FDP wird mit Ausgrenzung auf Eigenständigkeit reagiert. Drastisches Beispiel: Der Umgang mit Linda Teuteberg

Stand:

Potsdam - Nein, Heinz Lanfermann meldet sich nicht. Die brandenburgische FDP ist in eine ihrer schwersten Krisen gestürzt, doch der Chef der märkischen Liberalen, eben dieser Potsdamer Bundestagsabgeordnete Lanfermann, ruft nicht zurück. Aber es kommen E-Mails. Es kommen Anrufe. Es kommen E-Mails mit der Ankündigung von Anrufen. Alles anonym. Immer geht es um ein Thema: Linda Teuteberg. Die Wahrheit über Linda Teuteberg, das junge Gesicht der brandenburgischen FDP. Und alle, die anrufen und mailen oder die mailen um anrufen zu dürfen, erzählen: die gleichen Geschichten. Sie erzählen: fast mit den gleichen Worten. Es scheint, als hätte die märkische FDP einen Vortexter bestellt. Jemanden, der Gerüchtebausteine aus dem Denunzianten-Baukasten verteilt. Und damit wird dann gespielt und wenn alles nichts hilft auch geworfen. So läuft das, wenn in einer Partei jemand fertig gemacht werden soll, wenn die alten Männer Angst bekommen. Wenn Systeme nicht mehr funktionieren.

Die Botschaft der liberalen Petz-Brigade: Die Teuteberg will an die Macht. Die wollte da schon immer hin. Die Teuteberg, die hält sich nicht an die Spielregeln. Die passt sich nicht ein, heißt es aus den Tiefen der Freien Demokratischen Partei, der Leistung-muss-sich-wieder-lohnen-Partei, der Partei die das Hohelied auf das Individium zur Hymne hat. Ein E-Mailer, der vom Studentenserver der Frankfurter Viadrina Universität seine Mail schickte, formulierte es so: Sie „übe sich nicht in Kooperation“.

Nein, selbst erlebt hat das alles, was da ausgeschüttet wird, nicht einer der Mailer und Anrufer – aber alles sei ja in der Partei irgendwie bekannt. Nur: Wem? Denn egal, wen man fragt, ob Frau Teuteberg dem Fraktionschef der FDP im Landtag, Hans-Peter Goetz, wirklich nicht gehorcht und bei Lanfermann ungehörige Nachfragen stellt, es gibt nur eine Antwort: ...also, selbst erlebt, ..., nein,... aber...

Dabei gehorcht sie wirklich nicht. Nicht Lanfermann und auch nicht Goetz. Sie fragt nach, wenn etwas als selbstverständlich verlangt wird. Manchmal auch echten Parteifreunden zu viel. „Aber immerhin: sie fragt nach“, sagt einer aus dem erweiterten Landesvorstand. Sie will Verträge lesen, bevor sie diese unterschreibt, diese Linda Teuteberg, die bis vor einem Jahr außerhalb der Potsdamer FDP eigentlich niemand kannte im politischen Brandenburg.

Doch dann hingen im Sommer vor der Landtagswahl im September 2009 ihre Plakate plötzlich zwei Wochen vor allen anderen in Potsdam. Noch dazu wollten auch andere Kreisverbände ihre Plakate kleben. Da hatte sie dann zwar für Potsdam zu wenige, aber in anderen Orten hingen dafür mehr Plakate von der jungen Blonden aus Potsdam als vom regionalen Kandidaten. Das schafft Neid. Und sie war es, die da plötzlich im ZDF bei einer der ersten Sendungen zur Bundestagswahl, die am 27. September zeitgleich mit der Landtagswahl stattfand, neben FDP-Chef Guido Westerwelle vor einem Millionen-Publikum stand. Eine junge Politikerin aus Brandenburg, die Sätze gerade aussprechen konnte und eine Meinung hatte. In der Partei hieß es, Westerwelle habe sie sich ausgesucht. Ist auch süß die Kleine, hieß es. Dabei hatte sich das ZDF für sie entschieden – noch bevor feststand, wie das Format der Wahlsendungen von Maybrit Illner aussehen wird. Die Redaktion sah Potenzial in ihr. In Brandenburg war den älteren FDP-Herrschaften klar: Na, die soll mal nicht überschnappen.

Dann adelten sie FDP-Urgestein Hans-Dietrich Genscher, der heutige Gesundheitsminister Philipp Rösler mit Aufmerksamkeit, erwähnten vor versammelter Mannschaft Linda Teuteberg aus Potsdam als Talent. Dann kam Guido Westerwelle zu seinem einzigen Landtagswahlauftritt mit Goetz, dem märkischen Spitzenkandidaten, nach Cottbus. Teuteberg im Publikum. Westerwelle sieht sie, erwähnt sie, bittet sie, kurz aufzustehen. Teuteberg tut dies, setzt sich wieder. Westerwelle fordert sie auf, nach vorn zu kommen. Rauf auf die Bühne, die Goetz doch für sich und Westerwelle wollte. Goetz guckt kurz bedröppelt, fängt sich aber.

Teuteberg, die nun vor dem heutigen Landesparteitag der FDP in Eberswalde nichts sagen wollte, äußerte schon damals gegenüber Vertrauten, dass sie sich gemobbt fühle. Egal, wen sie nach Potsdam einlud aus dem Bund. Die Landespartei setzte sie nicht mit auf das Programm. Sie musste immer nachfragen, wann denn sie im Programm so vorgesehen sei.

Immer ihr Gefrage – das nervte. Genauso, wie die Nachfragen, ob es nicht doch Sinn machen könnte, auf den Wahlplakaten einen FDP-blauen statt eines blassgelben Hintergrunds für die Kopfbilder der Kandidaten zu wählen. Ja, ja, die Blondinen, die sehen sich nicht gern vor Gelb, ließen die Herren vernehmen.

Teuteberg, 1981 in Königs Wusterhausen geboren, evangelisch, verheiratet, aufgewachsen bei Storkow, Abitur am Katholischen Gymnasium in Fürstenwalde/Spree, macht weiter Wahlkampf. Sie ist seit 1998 bei den Jungen Liberalen, seit dem Jahr 2000 in der FDP. Teuteberg hat Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaftslehre an der Uni Potsdam studiert, dabei ihren Mann kennengelernt. Beruflich könnte es vorwärts gehen. Doch sie verschiebt für den Wahlkampf ihr Rechtsreferendariat am Kammergericht Berlin um ein halbes Jahr. Sie macht Wahlkampf, verdient in der Zeit keinen Cent, ist auf das Geld ihres Mannes angewiesen. Bei der Partei macht sie Schulden, um denen Eigenanteil an den Wahlkampfkosten, den jeder Kandidat beisteuern muss, aufbringen zu können. Sie ist die Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen für den Landtagswahlkampf, die FDP stellt sie hinter Goetz auf Listenplatz zwei der Landesliste. Schafft es die FDP nach 15 Jahren in den Landtag, wird Goetz Fraktionschef. Teuteberg soll dann Vize-Fraktionschefin werden.

Die FDP schafft es. Schon vor dem Wahltag stand fest: Am Montag nach der Wahl wird bei Erfolg die Fraktionsspitze gewählt – Chef, Vize und parlamentarischer Geschäftsführer. Die Fraktion muss arbeitsfähig sein. Am Wahlabend heißt es dann, es werde nur der Chef gewählt. Teuteberg fragt – unter Zeugen – nur nach dem Grund.

Die E-Mailer und die Anrufer machen nun daraus einen versuchten Putsch. Leseprobe: „...denn bereits am Wahlabend versuchte sie dem designierten Fraktionschef den Posten abzukungeln, weshalb es dann auch kein einstimmiges Ergebnis bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden gab.“

Teuteberg wird auf Merkwürdigkeiten aufmerksam gemacht. Ihre Pressemeldungen stehen auf der Homepage der FDP an ungewöhnlichen Stellen. Ihre Mitteilungen erscheinen auch ohne Foto – anders als alle anderen. Nur bei ihr fehlen Kontaktdaten im Internet. Als sie das moniert, geschieht zunächst nichts. Dann erscheint dort ihre private Handy-Nummer. Erst als sie mit rechtlichen Schritten droht – sie hat keinen Zugriff auf die Daten der Internetseite –, verschwindet die Nummer.

Als Teuteberg und den anderen Fraktionsmitgliedern gleich bei der ersten Zusammenkunft der Vertrag zur Unterschrift vorgelegt wird, wonach sich alle Fraktionsmitglieder verpflichten, wie üblich zehn Prozent ihrer Brutto-Bezüge an die Partei zu spenden, unterschreibt sie nicht gleich. Sie unterschreibe nichts, was sie nicht gelesen habe. Sie nimmt den Vertrag mit. Zahlt immer brav die zehn Prozent. Die Petz-Kolonne verbreitet nun: „Sie zahlt nicht einmal die zehn Prozent an die Partei.“

Als es schließlich mit Verspätung um den Stellvertreterposten in der Fraktion geht, rät man ihr dezent, doch bitte erst einmal ihr Rechtsreferendariat zu machen. Sie macht es, meldet es bei der Landtagsverwaltung als Tätigkeit neben dem Mandat an. Als sich das politische Potsdam wundert, dass die FDP nicht Teuteberg in die Enquete-Kommission schickt, mit der der Landtag die märkische Nachwendegeschichte schickt, sagt Goetz: Teuteberg habe doch gar keine Zeit, da sie ja ein Rechtsreferendariat angetreten habe – unabgestimmt. Lanfermann steuert bei, Teuteberg sei zu Zeiten der Wende erst acht Jahre alt gewesen. Ein Basis-Denunziant schreibt: „Frau Teuteberg erhebt sich über die Fraktion und vor allem die Fraktionsführung.“ Einanderer Freidemokrat: „Sie nahm ihre Referendariatsstelle an, welche gewiss zu einer Verringerung ihrer möglichen Arbeitszeit führt, ohne vorher irgendjemand in der Fraktion davon in Kenntnis zu setzen.“

Als es um die Beratung des Antragstextes für die Enquete-Kommission zwischen CDU, FDP und Grünen geht und Teuteberg eigentlich noch mit am Tisch sitzt, stellt Grünen-Fraktionschef Axel Vogel fest, dass Teuteberg von ihrer Fraktionsführung nicht auf dem Laufenden gehalten wird. In einer gemeinsamen Sitzung der Fraktionen von CDU, FDP und Grünen sagt sie, in der Enquete-Kommission müssten sich auch die Oppositionsparteien offen zu ihren Fehlern bekennen, CDU und FDP auch zu ihrer Geschichte als Blockparteien. Goetz versteinert das Gesicht, wie Augenzeugen berichten. Er war bis zur Wende SED-Mitglied, hatte an der DDR-Kaderschmiede, der Hochschule für Staat und Recht in Potsdam studiert.

Seit fast einer Woche wurde in Brandenburg nun über die tiefe Krise der Partei und auch über Linda Teuteberg berichtet. Auch sie hatte geschwiegen. Am Freitag dann die Nachricht: Teuteberg wolle im Herbst als Kandidatin in die Potsdamer Oberbürgermeisterwahl ziehen. Hatten nicht die älteren Herren ihr geraten, sich mal in der Landeshauptstadt ausprobieren – so etwas schule? Im Landtag hätten sie Ruhe. Und der fast 60-jährige Lanfermann, der in der Bundespartei wegen seiner exzellenten Kenntnisse in Versorgungsfragen einen gewissen Ruf genießt, könnte die Partei ruhig gen Ruhestand führen. Doch die Nachricht über die Oberbürgermeister-Pläne der 28-jährigen Rechtsreferendarin aus Potsdam war per E-Mail verschickt worden und telefonisch angekündigt worden. Teuteberg musste reagieren: Sie musste dementieren, dass sie ihre Heimatstadt regieren will.

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