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Flughafen-Skandal: Die drei von der Baustelle
Wie Klaus Wowereit, Matthias Platzeck und Rainer Schwarz den BER-Countdown einleiteten und doch wussten, dass nichts glatt lief.
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Berlin - Es war der Tag, an dem so richtig auf die Pauke gehauen werden sollte. An jenem 30. März sollte das ganze Land mitbekommen, dass im märkischen Sand vor den Toren der Weltmetropole Berlin ein neuer Flughafen steht. Nicht irgendeiner, sondern der mit dem Namen Willy Brandt. Und so standen die beiden Sozialdemokraten Matthias Platzeck und Klaus Wowereit, die Regierungschefs von Brandenburg und Berlin in der Bundeshauptstadt vor Großplakaten mit Willy Brandt und US-Präsident Barak Obama, die vom neuen Hauptstadtflughafen, der nach seinem internationalen Flughafenkürzel BER genannt wird, künden sollten. Neben ihnen Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz. Doch der hatte schlechte Nachrichten dabei: Berichte über Probleme auf der Baustelle. Trotzdem wurde an diesem Tag viel gelacht.
Das Trio ließ sich nicht anmerken, dass es bei Weitem nicht so glatt läuft, wie sie suggerierten, dass die Flughafeneröffnung am 3. Juni, für die sie gerade Werbung machten, zu platzen droht. An jenem 30. März also hatte Schwarz seinem Aufsichtsratschef Wowereit gesagt, dass es erhebliche Probleme am BER gibt. Platzeck sagt, er sei nicht dabei gewesen. Zuvor hatten eine Unternehmensberatung und die Experten des Flughafens München, die beim BER-Probebetrieb mit dabei waren, Schwarz erklärt, dass der Flughafen nicht funktioniert, dass der Eröffnungstermin nicht zu halten ist.
Es ist der Tag, von dem an vieles hätte anders laufen können, wenn sich Wowereit und Platzeck wie Aufsichtsräte verhalten und bei externen und internen Experten nachgefragt hätten oder hätten nachfragen lassen, wenn sie die Münchener Experten angehört und bei der Unternehmensberatung nachgefragt hätten. Stattdessen fragte man Rainer Schwarz, der von Problemen zwar berichtete, aber versicherte, dass es schon noch klappen werde mit dem 3. Juni.
Schwarz selbst hatte um einen Gesprächstermin mit Wowereit gebeten. Später hatte er offenbar sogar gedrängelt, einen möglichst frühen zu bekommen, um Wowereit noch weit vor einer geplanten Vorbereitungssitzung für eine Aufsichtsratssitzung, die am 20. April anstand informieren zu können. Es brannte. Wenige Tage vor dem Treffen schrieb ein Mitarbeiter Wowereits in einer E-Mail, die die „Bild“-Zeitung nun veröffentlichte, an das Büro von Schwarz: „Auf Nachfrage von mir, ob es nicht vor allem um das Halten des Fertigstellungstermines gehe, bejahte Herr Dr. Schwarz.“ Das Thema war also schon bekannt.
Später, als die Flughafeneröffnung abgeblasen worden war, sagte Matthias Platzeck, er hätte wohl misstrauischer sein müssen. Er sagt das bis heute. Von eigenen echten Fehlentscheidungen reden weder er noch Wowereit. Von dem Gespräch mit Schwarz und den daraus nicht gezogenen Konsequenzen haben er und Wowereit bisher nichts erzählt. Auch auf Anfragen reagierten die Staatskanzlei und die Senatskanzlei in Berlin am gestrigen Donnerstag nicht. Lediglich die Flughafengesellschaft äußerte sich. Ein Sprecher räumte ein, dass Schwarz über ernsthafte Bedenken am Einhalten des Eröffnungstermins informiert habe. Von Problemen beim Probebetrieb, technischen Schwierigkeiten und einem Gespräch mit den den sogenannten Bürgenvertretern der drei Gesellschafter – Berlin, Brandenburg und der Bund – sei jedenfalls die Rede gewesen. Bereits am 21. März hatten sich nämlich Vertreter der Finanzverwaltungen der Gesellschafter und des Bundesverkehrsministeriums mit einem Controllingbericht der Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers (PwC) befasst, in dem erhebliche Probleme aufgelistet sind – etwa bei der Brandschutzanlage. In der E-Mail von Wowereits Mitarbeiter ist die Rede von einer „negativen Äußerung von PwC zum Fertigstellungstermin des BER“.
Flughafenchef Schwarz hat aber Wowereit und Platzeck offenbar zugesichert, dass die Inbetriebnahme am 3. Juni noch zu halten sei – nämlich mit sogenannten Endspurtmaßnahmen, die der Aufsichtsrat dann am 20. April absegnete. Platzeck und Wowereit wurden aber auch am 20. April nicht stutzig, als sie selbst im Aufsichtsrat insgesamt zusätzliche 14 Millionen Euro freigaben. Das Geld sollte in zusätzliche Check-In-Schalter und Sicherheitskontrollen sowie den Einsatz zusätzlicher Inbetriebnahmehelfer fließen. Gemeint sind 700 Leute, die extra eingestellt werden sollten. Mensch-Maschine-Schnittstelle nannten die Verantwortlichen am BER diese Lösung. Diese Schnittstellen-Mitarbeiter sollten Hunderte nicht steuerbare Türen und unzählige Brandschutzeinrichtungen und Lüftungsklappen per Hand bedienen und als Brandwachen unterwegs sein. Und das auf unabsehbare Zeit. Nicht irgendwo, sondern im Hochtechnologie- und Hochsicherheitsland Deutschland. Dem Land der DIN- und ISO-Normen.
Die Experten aus München und von der Unternehmensberatung McKinsey aber blieben ungefragt. Wowereit und Platzeck und der Rest des Aufsichtsrates fragten einfach nur Schwarz. Jener Rainer Schwarz, dem das Bundesverkehrsministerium jetzt vorwirft, vom Scheitern des Terminplans gewusst und den Aufsichtsrat getäuscht zu haben. Damals aber fragten Wowereit und Platzeck - und auch das Bundesverkehrsministerium - niemanden, ob Schwarz etwas falsch machte oder nicht ganz die Wahrheit berichtete. Sie wachten erst auf, als feststand, dass die Baugenehmigungsbehörde im Landkreis Dahme- Spreewald diese Mensch-Maschine- Schnittstelle nicht genehmigen würde.
Auch als die PNN erstmals nach der Sitzung des Aufsichtsrates am 20. April schrieben, dass die Brandschutzanlage nicht rechtzeitig fertig wird und es damit keine Freigabe durch die Bauaufsicht geben wird – auch dann gab es nur ein Dementi. Aber keine eigenen Nachforschungen, keinen externen Experten, den Aufsichtsräte einsetzen können. Auch keine Nachfragen bei Stephan Loge (SPD), dem Landrat von Dahme-Spreewald, dessen Mitarbeiter für die Genehmigungen zuständig sind. Selbst dann nicht, als Loge im April warnte, der Flughafen drohe wegen der Brandschutzanlage nicht rechtzeitig fertig zu werden. Platzeck und Wowereit hielten sich an Schwarz.
Nach der Sitzung im Aufsichtsrat sagte Platzeck dann, er sehe die Inbetriebnahme nicht gefährdet. Zweieinhalb Wochen später dann traten er und Wowereit mit zerknirschten Mienen vor die Öffentlichkeit und sagten die Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens ab.
Geändert am 26. Oktober 2012
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