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Brandenburgs neuer Ministerpräsident: Die Feuertaufen
Knatsch in der Landesregierung: Brandenburgs neuer Ministerpräsident Dietmar Woidke, erst zwei Wochen im Amt, muss erstmals ein Machtwort sprechen.
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Potsdam - Plötzlich ist seine Miene ernst. Die Pressekonferenz in der Staatskanzlei am Donnerstag ist fast vorbei, einer von den angenehmen Terminen für Dietmar Woidke, gerade mal zwei Wochen Ministerpräsident. Er konnte gerade eine „Präsentation Brandenburgs“ zum „Tag der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober im holländischen Den Haag ankündigen, samt Konzert des Babelsberger Filmorchesters mit Hermann van Veen. Man konnte ihm ansehen, dass er sich auf seine erste Auslandsreise im neuen Amt freut, von der sich Brandenburg mehr Touristen, Investoren und Partnerschulen aus den Niederlanden verspricht. Alles wäre also bestens, wenn es da nicht den ersten offenen Krach im rot-roten Kabinett gäbe. Am Vortag hatte Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) die für Umwelt zuständige Ministerin Anita Tack (Linke) wegen chaotischer Aktionen ihres Hauses um den Abschuss von Kormoranen öffentlich gerügt, und zwar mit dem Satz: „Es ist Schaden für das Ansehen der Landesregierung entstanden.“ Und was sagt deren Chef? Was tut der Ministerpräsident?
Er hat ein Machtwort gesprochen. Er formuliert das, als er in der Pressekonferenz gefragt wird, so: „Es wurden Gespräche geführt“, anwtortet Woidke. „Weitere Kommentare dazu kann ich mir ersparen.“ Punkt. Sein Missfallen ist deutlich. Und zwar, was Woidke öffentlich nie aussprechen würde, vor allem über Vogelsängers Fauxpax. In der Koalition, in der Staatskanzlei wächst zwar vernehmbar Unmut über das Agieren der als stoisch geltenden Umweltministerin Tack wegen sich trotz neuer Staatssekretärin häufender handwerklicher Pannen des Ministeriums, die dann zu politischen Konflikten eskalieren, so wie beim monatelang unbeantworteten Brandbrief von Tierärzten wegen der Unterbesetzung des Landeslabors. Oder, wie jetzt beim Kormoran, dem politischen Dauervogel der Mark, als das Ministerium eine Verordnung verschickte und wieder zurückzog, die den Abschuss der als Fischfresser berüchtigten Tiere erschwert hätte. Den hatte einst Woidke, damals Agrar- und Umweltminister, erstmals erlaubt. Ihm braucht niemand zu erklären, dass man mit der Lobby der Fischer und 90 000 Anglern im Lande nicht so umgehen kann wie das Tack-Ressort. Doch das alles ist nichts gegen Vogelsängers Präzedenzfall, dass ein Minister über den anderen herzog. Den kann, den will Woidke nicht dulden, erst recht nicht in der heiklen Startzeit, in der es um seine Autorität im neuen Amt geht, nach außen und innen. Also wurde Vogelsänger – über Staatskanzleichef Albrecht Gerber – zurückgepfiffen.
Schon am Wochenende hatte Gerber für Woidke in einem anderen Fall interveniert, nämlich den Plan von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) gestoppt, der seinen Staatssekretär für monatlich rund 6000 Euro mit 55 Jahren in den Vorruhestand schicken wollte. Minister und Staatssekretär hatten sich bereits „einvernehmlich“ darauf verständigt. So wurde, knapp, eine Versorgungs-Affäre abgewendet. Und so ist die Potsdamer Staatskanzlei weiter tunlichst bedacht, Fehler, Turbulenzen, Pannen im Regierungsgetriebe zu verhindern. Als Problemfall gilt etwa das Bildungsressort. Ein heißer Kandidat ist dieser Tage aber auch Helmuth Markov, Linke-Finanzminister und Vize-Regierungschef. Der hat lange in der Kritik gestanden, inzwischen aber Erfolg etwa mit guten Haushaltszahlen, was unvorsichtig, ja leichtsinnig macht. Markov, vor Selbstbewusstsein strotzend, vom Wesen ohnehin cholerisch, teilt bei jeder Gelegenheit aus, gegen Medien, die Opposition. Im Untersuchungsausschuss des Landtags schaffte er diese Woche eine Premiere, als er ungefragt aus eigenem Antrieb gleich vierzig Minuten zu Protokoll gab. Er, der selbst mit dem fragwürdigen Verkauf eines Landesgrundstückes in Oranienburg 2009 gar nichts zu tun hatte, stellte allen Beteiligten einen Persilschein aus – als gäbe es in dem Fall keine Untreue-Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.
Viele Feuertaufen für Dietmar Woidke.
HINTERGRUND
Für Brandenburgs neuen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) wird ein Redenschreiber gesucht. Der zum 1. Januar nächsten Jahres zu besetzende Dienstposten sei bis zum 31. Dezember 2015 befristet, heißt es in einer Stellenanzeige der Potsdamer Staatskanzlei. Die Aufgaben bestünden darin, „in der Regel wörtlich ausformulierte Reden“ vorwiegend für den Regierungschef, aber auch Aufsätze und Beiträge für Zeitungen oder Vorworte für Bücher und Broschüren zu verfassen. Als Voraussetzungen werden ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Fachrichtungen Politik-, Sozial- und Kommunikationswissenschaften oder Publizistik sowie eine mehrjährige Berufserfahrung als Redenschreiber verlangt. Zudem sollten sich Bewerber gut in der Geschichte und Kultur des Landes auskennen. Der wichtigste Satz in der Ausschreibung ist ein anderer: Es werden ausschließlich externe Bewerber gesucht, ein Job in der Landesverwaltung ist ein Ausschlussgrund. Üblicherweise werde die Stelle für die Dauer von zwei Jahren besetzt, sagte Regierungssprecher Thomas Braune auf Anfrage. Weil die zweijährige Tätigkeit des jetzigen Redenschreibers ende, der unter Woidkes Vorgänger Matthias Platzeck eingestellt worden war, sei die Ausschreibung erforderlich gewesen. Die Bewerbungsfrist endete bereits am 10. September. Man darf also gespannt sein, ob und wie sich Woidkes Reden von denen Platzecks unterscheiden. (axf/thm)
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