Brandenburg: Die Geschichte vom Pferd
Riesige Bronzeskulpturen aus Hitlers Reichskanzlei wurden bei einer Razzia gefunden. Jahrelang standen sie an einem Sportplatz der Sowjets in Eberswalde und verschwanden 1989
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Das kleine Kunstkommissariat der Berliner Polizei arbeitet eher im Stillen. Doch gelegentlich können die Beamten groß auftrumpfen: Bei in Berlin koordinierten bundesweiten Razzien sind in einer Lagerhalle im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim am Mittwoch tonnenschwere Bronzeskulpturen aus Hitlers Reichskanzlei gefunden worden. Die beiden „Schreitenden Pferde“ des Bildhauers Josef Thorak und ein monumentales Granit-Relief von Arno Breker – beide gehörten zu den Lieblingskünstlern des Diktators.
Auf dem Schwarzmarkt seien Thoraks Pferde und die übrigen Werke „für Millionen Euro“ angeboten worden, sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Es habe Verhandlungen über einen Kauf gegeben. Der Kunstexperte und Rechtsanwalt Peter Raue hält solche Preise für übertrieben, könnte sich aber durchaus vorstellen, dass es einen Markt dafür gibt, auch im Ausland.
Die Skulpturen lagerten bis zum März 1989 auf einem Kasernengelände der Sowjetarmee in Eberswalde. Offenbar unbewacht, denn wenig später waren sie verschwunden. Fast 26 Jahre später tauchen sie wieder auf. Bislang ist noch unklar, wie die Beamten auf sie aufmerksam wurden. „Durch umfangreiche Ermittlungen“, die seit über einem Jahr dauern, konnten „acht Tatverdächtige im Alter zwischen 64 und 79 Jahren ermittelt werden“, erklärte die Polizei. Sie sollen die Skulpturen und Reliefs gestohlen und zum Kauf angeboten haben. Bei der Razzia wurden Wohnungen in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Berlin durchsucht.
Das fünf mal zehn Meter große Breker-Relief zeigt einen halbnackten muskulösen Kämpfer mit Schwert. Die Pferde von Josef Thorak standen im Garten der Reichskanzlei. Gefunden wurden auch zwei Frauenskulpturen des Bildhauers Fritz Klimsch – Galathea und Olympia.
Die Kunstwerke sollen in den kommenden Tagen abtransportiert und zunächst auf einem Polizeigelände gesichert werden, sagte ein Sprecher. Über ihre Zukunft müsse der Bund als Eigentümer entscheiden. Peter Raue schlägt vor, die NS-Kunst dem Deutschen Historischen Museum zu überlassen, zu Forschungs- und Ausstellungszwecken: „Mich würde das schon interessieren.“
Thorak und Breker gehörten zu einem Kreis von NS-Künstlern und Hitler- Günstlingen, die von Staatsaufträgen lebten. Auch Max Schmeling stand für Thorak Modell, unter anderem für eine Bronzeplastik des Boxers für das Reichssportfeld in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Thorak weiter Aufträge, unter anderem von seiner Heimatstadt Salzburg. Auch Breker genoss in Teilen der Kunstwelt weiter einen guten Ruf. Von Breker stammen unter anderem mehrere Hitler-Büsten sowie die Skulpturen „Die Partei“, die den Eingang zur Reichskanzlei säumten. Breker arbeitete mit dem Architekten Albert Speer zusammen, der in Hitlers Auftrag die Pläne für die Reichshauptstadt „Germania“ entwarf. Speer ließ für Breker in Dahlem und für Thorak in München großzügige Staatsateliers bauen. In München gehörten Pferdeställe zum Ateliergelände. Die Rösser standen dem Bildhauer Modell, offenbar auch für den Auftrag der Reichskanzlei.
Wegen der Bombenangriffe auf Berlin wurden die Skulpturen ab 1943 nach Wriezen geschafft – dort hatte Arno Breker ein ehemaliges Rittergut von Hitler geschenkt bekommen. Die Rote Armee nahm die Stücke in Besitz, einige kamen nach Eberswalde, angeblich als Dekoration für einen Armee-Sportplatz. Ob einige Soldaten die NS-Kunst für Westgeld verscherbelten oder DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski seine Finger im Spiel hatte, ist bislang Spekulation.
Die „Bild“-Zeitung berichtet, dass Schalck-Golodkowski seit den 70er-Jahren DDR-Museen plünderte und Privatsammlungen beschlagnahmte, um sie gegen harte West-Währung zu verkaufen. So sollten die leeren Staatskassen der DDR wieder gefüllt werden. Von dem Standort der Skulpturen bei den Russen in Eberswalde habe Schalck-Golodkowski sicher längst gehört, doch er konnte dort nicht einfach zugreifen. Offenbar war dem Devisenbeschaffer und einigen russischen Soldaten bereits ab Mitte 1988 klar, dass die DDR bald Geschichte sein könnte – so könnte er für den Abtransport der sechs Skulpturen gesorgt haben. Für diese Theorie spricht laut „Bild“, dass Magdalena Busshart Informationen über den Verbleib der Pferde vor gut zwei Jahren angeboten wurden – gegen Zahlung eines hohen Honorars. Der Anbieter gab sich als ehemaliger Mitarbeiter von Schalck-Golodkowsi aus.
Die Kunstfahnder der Polizei wollen bislang noch keine Details ihrer Recherchen preisgeben. Kunstdiebstähle von dieser Brisanz sind selten. Vor zwei Jahren ließ ein Wachmann wertvolles KPM-Porzellan aus dem Schloss Charlottenburg mitgehen. Der Fall konnte aufgeklärt werden. (mit dpa, Kix)
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