zum Hauptinhalt
Forstexperten Jörg Haase (l.) aus Berlin und Bolko Haase aus Trippstadt (Rheinland-Pfalz) an einer Schottischen Kiefer, die vor genau 100 Jahren in Chorin gepflanzt wurde.

© A. Wilhelm

Von Andreas Wilhelm: Die Kiefer an sich und das Hundert-Jahre-Experiment In Eberswalde setzten 1908 Forstleute Kiefernsämlinge aus

ganz Europa aus – die Ergebnisse sind teilweise ernüchternd

Stand:

Eberswalde - „Es gibt sie nicht – die Eier legende Wollmilchsau.“ Ist das das Fazit nach hundert Jahren Forschung? Ralf Kätzler zuckt die Schultern. Der Forstexperte steht im hohen Gras im Wald bei Chorin (Barnim) und schaut herausfordernd. Der Baum, an dem er lehnt, ist eine Kiefer. Nicht irgendeine, wie sie in den märkischen Wäldern zu Tausenden vorkommt, sondern eine besondere. Aus zwei Gründen. Einmal, weil sie aus Lettland stammt also nicht hier zuhause ist. Und zum zweiten, weil sie Teil eines einmaligen Experimentes ist. Und das dauert nun schon hundert Jahre.

Im September 1908 nämlich wurden unter der Leitung des Eberswalder Professors Adam Schwappach 15000 Sämlinge gesetzt – aus acht verschiedenen Regionen Europas: Masuren, Schottland, Rheinland, Russland, Frankreich, Belgien und Lettland. Und auch die Einheimische wurde auf dem zwei Hektar großen Gelände ausgesetzt, um Antworten auf diverse Fragen zu finden. Welche Kiefer ist am besten gerüstet für das hiesige Klima, welcher der Holzlieferanten kann sich am besten gegen Insektenplagen wehren und welche Kiefer bringt womöglich bessere Erträge und festeres Holz?

350 Bäume stehen noch und an denen lesen die Forscher der heutigen Generation ab, wie wohl sich die Nadelbäume von anderswo im märkischen Wald als Gäste fühlen. Die Ergebnisse sind so vielfältig wie die Herkünfte der Gehölze: „Belgier blühen am stärksten, Russen treiben zuerst aus und die Franzosen sind dünn, krumm und schief“, fasst der Wissenschaftler das Hundertjahre-Experiment zusammen. Natürlich sei das nicht alles, betont Kätzler, der bei der Landesforstanstalt Fachbereichsleiter für Waldentwicklung und Monitoring ist. Dutzende verschiedene Eigenschaften haben mehrere Generationen von Wissenschaftlern im Laufe der Jahrzehnte untersucht.

Am meisten scheint Kätzler von den französischen Kiefern beeindruckt. Obwohl sie wachstumstechnisch mit den anderen nicht mithalten konnten. Doch gerade die kleinen, krummen Gallier haben erstaunliche Fähigkeiten. „Die Nadel des Baumes lässt bei Trockenheit kein Wasser mehr raus“, sagt Kätzler. Außerdem haben sie den perfekten Lichtschutzfaktor. Ähnlich wie bei einem Quartett-Kartenspiel hat so jede Kiefernart des Forschungswaldes ihre Glanzpunkte: Rheinland-Pfälzer haben die stärksten Durchmesser und Brandenburger sind besonders tolerant gegen Trockenstress. Die beste Qualität komme aus Polen und Lettland, sagt Kätzler, aber dafür leiden sie am stärksten unter einer Pilz-Krankheit namens Kienzopf. „Am besten in Brandenburg bewährt haben sich die einheimischen Kiefern“, sagt Kätzler. Sie haben die beste Gesamtwuchsergebnisse erreicht. 100 Jahre Migration also – nur um zu wissen, dass sie nicht nötig ist? „Herkunftsversuche sind trotzdem wichtig“, sagt Jan Engel, Sprecher der Landesforstanstalt. Vor allem für die immer wärmere und trockenere Zukunft. Der beste Wald für die Zukunft bleibt aber der Mischwald, sagt Engel. Der bewährt sich seit Jahrtausenden und ist resistent gegen Feuer und Schädlinge und Sturm. Außerdem ökonomisch wichtig: „Wenn eine Sorte Schaden nimmt, kann der Forstwirt auf andere Arten ausweichen.“

Andreas Wilhelm

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })