Brandenburg: Die Mauer in den Urnen
Nur die SPD liegt in Ost- und West-Berlin gleichauf. FDP und CDU bleiben Westparteien / Wo wer besonders gut abschnitt
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Nur die SPD liegt in Ost- und West-Berlin gleichauf. FDP und CDU bleiben Westparteien / Wo wer besonders gut abschnitt Berlin - Hier Volkspartei, da Splittergruppe: Auch 15 Jahre nach der Wiedervereinigung bleibt die Berliner Wählerschaft gespalten. Allein die Sozialdemokraten verwirklichten am Sonntag, was Willy Brandt in der Euphorie der Wende aussprach. Bei ihnen ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Mit einem Zweitstimmenanteil von 34,9 Prozent in den Ostbezirken und 34,0 Prozent im Westen Berlins ist die SPD die einzige Partei mit einem stadtweit annähernd gleich verteilten Ergebnis. Die CDU dagegen ist im Westen noch immer mehr als doppelt so stark wie im Osten. Dass die Differenz am Sonntag geschrumpft ist, hängt nur damit zusammen, dass sie in den Westbezirken besonders viele Stimmen einbüßte. Die Grünen sind sich in beiden Stadtteilen so nahe gekommen wie noch nie, was vor allem aus leichten Zugewinnen im Osten und Einbußen im Westen resultiert. Ganz anders die Freien Demokraten, die im Westen stärker zulegten als im Osten und sich deshalb immer deutlicher zur West-Partei entwickeln. Die Linkspartei/PDS, die bisher fast ausschließlich im Berliner Osten punktete, übersprang diesmal auch im Westen klar die Fünf-Prozent-Hürde. Obwohl sie auch in den Ostbezirken nicht mehr so gut abschnitt wie 1994 mit 34,7 Prozent, bleibt die Differenz zwischen Ost und West mit über 22 Prozent noch immer größer als bei allen anderen Parteien. Um zu beschreiben, wie hoch die Mauer in den Urnen ist, hat der Landeswahlleiter eine Messziffer geschaffen: die Ost-West-Differenz. Sie ergibt sich aus den addierten Abweichungen aller Parteien in den beiden Stadtteilen. Seit 1994 sank sie von 64,1 auf 47,8. Weitgehend vollendet ist die Wiedervereinigung bei den kleinen Parteien: In der Rubrik „Sonstige“ liegen Ost und West nur 0,8 Prozentpunkte auseinander. Kleinräumige Ausnahmen wie gute NPD-Werte im Südosten fallen bei der Größe der Stadt kaum ins Gewicht. Die Hochburgen der Parteien. Die SPD holte ihr bestes Ergebnis in Friedrichshain-Kreuzberg mit 37,4 Prozent der Zweitstimmen, das schwächste in Steglitz-Zehlendorf: 30,4 Prozent. Die CDU erreichte in Reinickendorf mit 32,7 Prozent ihr bestes Ergebnis, ihr schlechtestes in Friedrichshain-Kreuzberg: 11,1 Prozent. Die Linkspartei war mit 35,6 Prozent in Lichtenberg am stärksten und mit 5,3 Prozent in Steglitz-Zehlendorf am schwächsten. Die Grünen schnitten in keinem Bezirk so gut ab wie in Friedrichshain-Kreuzberg, wo sie 32,7 Prozent holten. Dagegen reichte es in Marzahn-Hellersdorf nur zu 5,2 Prozent. Die FDP erzielte in Steglitz-Zehlendorf mit 12,9 Prozent ihr bestes Ergebnis, kam aber in Friedrichshain-Kreuzberg nur auf 4,5 Prozent. Die Hochburgen innerhalb der Bezirke. Das stadtweit beste Zweitstimmenergebnis einer Partei erzielte die Linkspartei.PDS mit 57,3 Prozent in einem Wahllokal im Köpenicker Ortsteil Oberspree. Die SPD erzielte ihr bestes Ergebnis in einem Wahllokal am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Hier stimmten 52,6 Prozent für die SPD. Die Partei legte in diesem Stimmbezirk um 6,3 Prozentpunkte zu. Eine ähnliche Tendenz kann sich die CDU in ihrem stärksten Stimmbezirk nur wünschen. In Schmargendorf-Süden (Charlottenburg-Wilmersdorf), kam sie auf 48,7 Prozent – 4,5 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl vor drei Jahren. Den Grünen erging es in ihrem besten Stimmbezirk ähnlich. Zwar kam die Partei im Viertel um den Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg auf beachtliche 42 Prozent. Allerdings hatte sie dort 2002 noch fast acht Prozentpunkte mehr. Die FDP vermochte in Steglitz-Zehlendorf besonders viele Wähler zu überzeugen: 31,2 Prozent aus dem Stimmbezirk rund um den U-Bahnhof Dahlem-Dorf wählten die Freidemokraten. Ein sensationelles Ergebnis, wenn man zudem bedenkt, dass die Partei hier ihr Ergebnis mehr als verdoppelte. Die NPD spielte bei dieser Wahl zwar berlinweit keine Rolle. In einigen Gegenden fuhren die Neonazis allerdings hohe Ergebnisse ein: Die meisten NPD-Wähler gab es in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick. Dort stimmten in neun Wahllokalen über acht Prozent der Wähler für die NPD. Mit 11,4 Prozent bekamen die Rechtsextremen die meisten Stimmen in Oberschöneweide, nahe der Parteizentrale der NPD. Die höchsten Gewinne. Auch hier kann die Linkspartei.PDS punkten. Sie hat gleich in drei Stimmbezirken in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg ihre Ergebnisse von 2002 mit hohen zweistelligen Zuwächsen verbessert. In einem Marzahn-Hellerdorfer Stimmbezirk gewann die Partei fast 20 Prozentpunkte hinzu. Überraschend auch der Zuwachs von 12,9 Prozentpunkten in einem Kiez am S-Bahnhof Sonnenallee in Neukölln – einer Gegend, in der die Partei bisher nichts zu bestellen hatte. Die größten Stimmverluste. Es gehört zu den Kuriositäten dieser Wahl, dass die Grünen in einer Gegend, in der sie mit 41,1 Prozent ihr zweitbestes Ergebnis einfuhren, gleichzeitig ihre größten Einbußen verbuchen: in dem Pankower Stimmbezirk verloren die Grünen mehr als dreizehn Prozentpunkte. Soziales Umfeld. Die Statistiker haben zwar bisher nicht die Wählerbewegungen erfasst. Allerdings haben sie festgestellt, die Linkspartei im Westen überdurchschnittlich viele Wähler zwischen 18 und 49 Jahren überzeigte. Im Osten ist es genau umgekehrt: Dort haben die Sozialisten vor allem in Vierteln gut gepunktet, in denen viele ältere Menschen leben. Zur Klientel der Grünen gehören dieses Mal bevorzugt Wähler ab 25 bis etwa 50 Jahren. Die Anteile jüngerer Wähler im Westen war auch bei der SPD überdurchschnittlich. FDP und Union bekamen ihre Stimmen vor allem im Westen und vor allem von Wählern über 50 Jahren. Beste Direktkandidaten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz ist mit 46,9 Prozent Erststimmen im Bezirk Spandau/Charlottenburg-Nord der erfolgreichste aller Berliner Direktkandidaten. Der Kandidat, der mit dem größten Abstand gewonnen hat, ist der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele. Er ließ den Zweitplatzierten Ahmet Iyidirli mit 22,4 Prozentpunkten hinter sich.TSP
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