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Tatort Internet. Regelmäßig durchstöbern Ermittler die Profile von Neonazis in sozialen Netzwerken im Internet. Dabei werden sie immer häufiger fündig. Aber die Polizei ist auch selbst bei Facebook – damit weckt sie das Interesse des Nachwuchses.

© dapd

Brandenburg: Die Profil-Polizei

Ermittler durchstöbern vermehrt auch Facebook-Profile, etwa von Neonazis. Eine einheitliche Strategie im Umgang mit sozialen Netzwerken aber gibt es noch nicht.

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Prenzlau/Potsdam - Kay L. hat sich nichts weiter dabei gedacht. Auf seinem Profil bei Facebook, dem erfolgreichsten sozialen Netzwerk im Internet, beschrieb sich der 26-Jährige so: „Netter, hilfsbereiter und liebenswerter nationaler Sozialist mit Interesse an Politik, Musik und Party, mit Hang zum Durchgeknallten.“ Und er setzte mehrere Fotos auf sein Profil, für jedermann im Internet sichtbar. Jetzt wurden sie ihm zum Verhängnis. Am gestrigen Freitag verurteilte das Amtsgericht Prenzlau (Uckermark) laut einem Bericht des Portals gegenrede.info den Templiner zu einer Haftstrafe von einem halben Jahr, ausgesetzt zu fünf Jahren Bewährung. Der Schuldspruch lautet auf Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Auf Rechtsextremisten angesetzte Ermittler der Polizeieinheit Mega waren im Dezember 2011 auf Kay L. gestoßen, der bereits einschlägig vorbestraft ist. Ohne näheren Verdacht klickten sie sich durch Profile von bekannten Rechtsextremisten. Bei Kay L. fanden sie drei Fotos von Skinhead-Frauen mit Hitlergruß, Hakenkreuz und SS-Totenkopf als Tattoos. Es war ein Zufallsfund. Der 26-Jährige war geständig, schon im Januar konnte die für Internetkriminalität in Brandenburg zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Cottbus Anklage erheben.

Für die Ermittler sind Facebook und andere soziale Netzwerke im Internet inzwischen ein wichtiges Instrument. Regelmäßig durchstöbern sie die Profile und Internetseiten von Neonazis. Und immer häufiger werden sie auch fündig. Selten aber laufen die Verfahren dann so einfach wie im Fall von Kay L.

„Es kommt immer wieder vor, dass wir dann wegen Verwendens von Kenzeichen verfassungswidriger Organisationen oder Volksverhetzung ermitteln“, sagte der Cottbuser Leitende Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher. „Selten aber laufen diese Seiten unter dem eigenen Namen, sodass man die Betreffenden einfach zur Vernehmung vorladen muss.“ Zudem sei die Recherche der Ermittler im Internet durch das Bundesverfassungsgericht gedeckt, also alles, bei dem nicht der Zugang per Passwort gesichert und für jedermann einsehbar ist. „Was jemand in der Öffentlichkeit allgemein zur Verfügung stellt, darf die Polizei ohne Eingriffsvoraussetzungen anschauen“, sagt Brocher.

Auch sonst ist die Polizei bei Facebook aktiv, wie etwa die Oranienburger Fachhochschule. Im Innenministerium heißt es, die Fachhochschule erreiche drei Viertel der Interessenten übers Internet und nicht mehr über Ausbildungsmessen oder Broschüren. Ob Brandenburg aber auch Fahndungen über Facebook veröffentlicht, darüber beraten die Experten noch. Vorreiter ist dabei Niedersachsen, wo Dienststellen eigene Accounts erstellen und im Netz aktiv werden können. Ein entsprechendes Projekt der Polizei in Hannover ist äußerst erfolgreich, allerdings haben die Datenschützer aller Länder Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Auch die Innenministerkonferenz befasste sich Anfang Juni damit. Einig sind sich die Länder, soziale Netzwerke in die Ermittlungsarbeit einzubeziehen, gemeinsame Standards müssen aber noch erarbeitet werden. Für Facebook-Aktivitäten der Polizei spricht die hohe Reichweite, dagegen ernsthafte Bedenken – wegen der „Datensammelwut“ der Unternehmen wie Facebook und „weil niemand weiß, was mit den Daten passiert“, wie es ein Ministeriumssprecher nennt. Jetzt werde an einer Lösung gearbeitet, hieß es.

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