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Direkte Konkurrenten. Linke-Landeschef Christian Görke, der amtierender Finanzminister unter Rot-Rot ist, und CDU-Landeschef Michael Schierack buhlen um die Gunst der SPD.

© dpa

Brandenburg: Die Verfolger

Beide wollen nach der Landtagswahl am Sonntag mit der SPD Brandenburg regieren. In PNN-Interviews reden die Spitzenkandidaten von Die Linke und CDU Klartext

Stand:

Nur noch zwei Tage. Es wird wohl knapp für die Linken, für Ihr Wahlziel. Werden Sie langsam nervös?

Nein, das nicht. Abgerechnet wird am Wahltag. Wir wollen ein starkes Ergebnis, und es wird deutlich über der 20-Prozent-Marke liegen.

Die Linke ging in den Umfragen herunter auf zuletzt 21 Prozent, klar hinter der CDU. Wie erklären Sie sich das?

Ich denke, da sind noch zwei bis drei Prozent Luft nach oben für uns. Wir starten jetzt unseren 48-Stunden-Wahlkampf, legen noch mal nach. Man darf auch eins nicht vergessen: Bei unserem Wahlergebnis von 27 Prozent 2009 hatten wir den Bundestrend im Rücken, die Linke hatte deutschlandweit Höchstwerte und es war gleichzeitig Bundestagswahl.

Berlin, Mecklenburg, nun Brandenburg. Ist es doch zwangsläufig, dass Linke in Regierungen verlieren?

So einfach ist es in der Politik nicht. Man braucht nur mal nach Sachsen schauen, wo unsere Genossen selbst in der Opposition ihr Ergebnis nicht steigern konnten.

Wird es eng für eine rot-rote Mehrheit?

Nein, ich bin ein geborener Optimist. Klar ist: Rot-Rot kann es nur mit einer starken Linken wieder geben. Ansonsten kann man sich womöglich doch schwarz ärgern. Mit den Linken in der Regierung ist das Land sozialer geworden.

Warum sollte die SPD auch künftig mit den Linken weiterregieren?

Weil es erfolgreiche fünf Jahre waren, bei allen Rahmenbedingungen und Hypotheken, die nicht einfach waren. Das Land ist deutlich vorangekommen, aber wir müssen in vielen Bereichen – ich denke nur an die Bildung – noch einmal nachlegen.

Kann Ihre Position, Ausstieg aus der Kohle bis 2040, zum K.o.-Kriterium werden?

Ich glaube nicht. Das ist in fast dreißig Jahren. Der Kohleausstieg wird nicht in den nächsten fünf Jahren beschlossen.

Wenn Sie in der Kohlefrage gegenüber der SPD zu nachgiebig sind, rebelliert die Basis. Wie gehen Sie mit der Zwickmühle um?

Die Linke ist eine vernünftige Partei, Konflikte werden offen ausgetragen. Auch die bisherige Koalition ist nicht an der Energiepolitik zerbrochen, wie mancher prophezeit oder gehofft hat. So oder so: Über einen möglichen neuen Koalitionsvertrag wird es ohnehin einen Mitgliederentscheid geben.

Die rot-rote Koalition hatte Krisen und Rücktritte zu bewältigen. Was wollen Sie in der nächsten Legislatur besser machen?

Auch wir haben in Regierungsverantwortung dazugelernt. Wir haben damit angefangen, den öffentlichen Dienst zu verjüngen. Wir haben 2800 Lehrer neu eingestellt, so viele wie noch nie, den Mindestlohn für öffentliche Aufträge eingeführt, die Wirtschaftsförderung umgestellt, damit begonnen, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, das Schüler-Bafög eingeführt, Krankenhäuser auf solide Füße gestellt und vieles andere auf den Weg gebracht. Das wollen wir verstetigen. Ein Land krempelt man nicht in 5 Jahren um. Es wird darauf ankommen, Stockfehler zu vermeiden. Da sind wir auf einem guten Weg.

Was schätzen Sie an Regierungschef Woidke?

Er ist berechenbar, bodenständig. Ein Mann, ein Wort.

Was stört Sie an ihm?

Wenn er mir von oben auf die Schultern klopft (lacht). Darüber reden wir persönlich.

Was hat Sie im Wahlkampf am meisten geärgert?

Dass die CDU mit Lügen, Halbwahrheiten und unhaltbaren Versprechungen unterwegs ist.

Bitte konkret!

Michael Schierack lügt, wenn er behauptet, dass wir nichts für die Vertretung bei Unterrichtsausfall getan hätten, dass wir bei Lehrereinstellungen nur ausscheidende ersetzt hätten, dass Rot-Rot beschlossen hätte, 2000 Polizisten zu entlassen. Und beim Thema Grenzkriminalität verschweigt er, dass sich die Bundespolizei, die für die „Grenzsicherung“ zuständig ist, immer mehr zurückzieht. Im Übrigen verspricht er allen alles, mit Ausgaben, die den Brandenburger Haushalt zum Bersten bringen.

Sie sind BER-Aufsichtsrat. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Sie attackiert, die Fertigstellung des BER zu bremsen?

Ich frage mich, ob die Kanzlerin inzwischen mitbekommen hat, dass sie selbst Miteigentümerin des Flughafens ist. Sie sollte da besser Verantwortung übernehmen, zum Beispiel für mehr Nachtruhe, als sich in die Büsche zu schlagen und solchen Unsinn in die Welt zu setzen.

Welches Wahlplakat einer konkurrierenden Partei finden Sie am besten?

Keine Sau braucht die FDP.

Auch in Brandenburg legt die AfD zu. Und sie spricht gezielt Linke-Wähler an, wiejüngst Spitzenkandidat Alexander Gauland in einem Brief. Beunruhigt Sie das?

Nein, gar nicht. Da diese Partei keine Antworten für Brandenburgs Zukunft hat, ist den Rechtspopulisten jedes Mittel recht, um Aufmerksamkeit zu erregen. Im Übrigen hat er auch die Wähler der CDU und der Grünen angeschrieben.

Wie sollte man mit der AfD umgehen?

Genau zuhören, entlarven, den rechtspopulistischen und rechtsradikalen Hintergrund ihrer Landtagskandidaten offenlegen.

Sie waren im Wahlkampf viel im Lande unterwegs. Befürchten Sie, dass am Sonntag viele einfach zu Hause bleiben?

Ich hoffe und werbe für eine hohe Beteiligung. Wir sind nicht in Sachsen. Das ist Brandenburg.

Das Gespräch führte Thorsten Metzner

Noch zwei Tage. Worüber haben Sie sich im Wahlkampf richtig geärgert?

Der macht mir Spaß, aufgeregt hat mich da nichts.

Nicht einmal Ministerpräsident Dietmar Woidke mit seinen Aussagen zu Rot-Rot?

Ich verstehe nicht, warum er sich so früh festgelegt hat, wieder mit den Linken zu koalieren. Seitdem ist klar, jede Stimme für die SPD ist auch eine für die Linken.

Nach den Umfragen liegt die CDU klar hinter der SPD. Wie wollen Sie das aufholen?

Ich nehme eine andere Stimmung wahr. Auch vor der Bundestagswahl standen wir in den Umfragen in Brandenburg nicht besonders gut da. Wir haben trotzdem gewonnen. Ausgezählt wird am Sonntag.

Eine absolute Mehrheit für die CDU ist nicht in Sicht. Sie sagen, sie wollen Ministerpräsident werden. Wie soll das gehen?

Ich kämpfe um jede Stimme. Eine Opposition, die es ernst meint, muss den Anspruch haben, stärkste Partei zu werden und den Ministerpräsidenten zu stellen. Alles andere wird man dann nach der Wahl sehen.

Warum sollte Woidke auf eine Koalition mit der CDU statt mit den Linken setzen?

Weil wir reformbereit sind. Weil wir für das eintreten, was die Menschen wirklich wollen, was auch nötig ist: den Unterrichtsausfall und den Polizeiabbau zu stoppen, die Landesstraßen zu sanieren.

Was würden Sie sofort ändern?

Ich würde die Zentralisierungspolitik beenden, alle Behörden in Potsdam anzusiedeln, wie jetzt wieder das Landesschulamt. Ich denke, dass wäre mit Dietmar Woidke auch gut zu machen.

Sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die SPD doch mit der Union koaliert?

Wir werden ernsthaft in die angekündigten Sondierungsgespräche gehen.

In der SPD gibt es nach den früheren Querelen in der CDU Zweifel an der Stabilität, der Verlässlichkeit der Union. Wie gehen Sie damit um?

Die Frage bekomme ich immer wieder gestellt. Und selbstverständlich wird es auch darum gehen, ob wir, also CDU und SPD, menschlich miteinander können. Ich sage, mindestens seit zwei Jahren herrscht bei uns Stabilität und Geschlossenheit. Und ich stehe als Person dafür ein, dass das so bleibt. Ich mache deutlich, dass die Landtagsfraktion eine andere ist als 2009. Auf die Union kann man sich verlassen.

In der SPD wird bezweifelt, dass Sie das nötige ministrable Personal haben.

Das ist großer Blödsinn. Ich sage aber auch: Es wird niemand als Minister geboren, man entwickelt sich auch mit den Aufgaben. Wir sind eine sachliche, pflichtbewusste Partei. Und Sie können sicher sein, dass ich auch gegenüber dem eigenen Personal sehr kritisch bin. Im Übrigen erspare ich mir hier eine Bemerkung zur Qualität des bisherigen rot-roten Kabinetts.

Was schätzen Sie an Herrn Woidke?

Dass er ein bodenständiger Typ ist, ein Brandenburger. Ich schätze auch sein Engagement während der Jugendzeit in der evangelischen Kirche. Da haben wir Gemeinsamkeiten, bei mir war es die katholische Kirche. Ich denke, wenn man sich wirklich innerlich prüft, dann wirft man so etwas nicht weg. Wie gesagt, deshalb verstehe ich nicht, dass er mit den Linken weitermachen will. Es gibt in der Politik auch Grundsätze und Werte, die man nicht einfach über den Haufen werfen sollte.

Was würden Sie am Pannen-Flughafen anders machen?

Der BER wäre Chefsache, das Parlament würde offen informiert. In den Aufsichtsrat gehe ich nicht.

Konkret!

Es gibt kein ordentliches Zusammenspiel zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung, stattdessen Katz und Maus. Entweder der Aufsichtsrat muss verändert werden oder die Geschäftsführung. Wenn Politik es ernst meint, hätte sie längst durchgreifen müssen.

Sie wollen Hartmut Mehdorn ersetzen?

Ich sage: Es muss eine professionelle Struktur hin. Meine Position ist, dass Fachleute in den Aufsichtsrat gehören.

Der BER ist dramatisch zu klein, schon beim Start. Was tun?

Ich möchte zunächst daran erinnern, dass genau vor diesen Engpässen Flughafenplaner Faulenbach da Costa in einem Gutachten für die CDU-Landtagsfraktion 2012 gewarnt hatte. Rot-Rot hat zwei Jahre verschlafen. Und ich registriere, dass alles, was er uns damals aufgeschrieben hat, genauso eintritt. Wir wurden dafür verspottet, auch von der rot-roten Regierungsbank. Zum Kapazitäts-Problem selbst: Ich denke, man sollte den Vorstoß von Eberhard Diepgen nicht vorschnell abtun, Tegel offen zu halten, vielleicht als Regierungsflughafen. Das Problem ist so massiv, da darf es keine Denkverbote geben.

Wie sollte man mit der auch in Brandenburg erstarkten Alternative für Deutschland (AfD) umgehen?

Indem man Probleme, die die Leute etwa in den Grenzregionen bewegen, nicht verschweigt, sondern sie löst. Durch das jahrelange Ignorieren der Ängste und Sorgen der Brandenburger hat Rot-Rot der AfD den Weg bereitet. Wenn die Menschen das Gefühl bekommen, der Staat kümmert sich nicht, wählen sie Populisten oder greifen gar zur Selbstjustiz. Daran kann niemand ein Interesse haben.

Haben Sie Sorge, dass am Sonntag wie in Sachsen viele Wähler zu Hause bleiben?

Ich hoffe es nicht. Aber ich befürchte, dass es so kommt und deshalb populistische und extreme Parteien auch in Brandenburg Zulauf haben.

Das Gespräch führte Thorsten Metzner

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